Indien - ein Traum den ich nun lebe

Reisezeit: Dezember 2006 - Juni 2007  |  von helli l

Pondicherry - blutleer im Geisterbus

07.07.2007

Die gestrige Nacht war wohl die schlimmste meiner bisherigen Reise. In den Schutz meines, im Licht schimmernden, Mosquitonetzes hat sich ein Exemplar der Gattung "ich saug dir das Blut aus den Adern" Mosquitoding eingeschlichen. Das Buffet, bloederweise meinereins, war eroeffnet. Als ich mitten in der Nacht aufgewacht bin, war ich von oben bis unten zerstochen und es fiel mir sehr schwer mich nicht die ganze Zeit zu kratzen. Doch wo war das Biest nur. Die indischen Blutsauger sind im Vergleich zur europaeischen Ausgabe auesserst brutal, bekommen nie genug und das schlimmste, sie operieren voellig lautlos. Ein unsichbarer und lautloser Gegner ist besonders schwer zu bekaempfen. Die Tugend der Geduld hab ich mir im Laufe meiner Reise immer mehr angeeignet und somit war ich ploetzlich hellwach, bereit zuzuschlagen wenn es die Kreatur am wenigsten erwartet. Licht aus, weiterschlafen, es muss sich voll verzogen haben. Keine halbe stunde spaeter bemerkte ich weitere Stichwunden an meinen Fuessen. Verdammt nochmal, wo ist das Untier bloss. Dieselbe Leier fast die ganze Nacht und erst im Morgengrauen konnte ich das inzwischen vor lauter Blut traege herumschwirrende Geschoepf mit einen gezielten Klatscher endlich zu Fall bringen. Das Ergebnis, ein fetter Blutfleck auf der weissen Bettwaesche.

Im Halbschlaf bin ich dann irgendwie zum Busbahnhof gestolpert um von dort den Bus (ca. 30rs) nach Pondicherry zu nehmen. Gottseidank war der Bus wie ausgestorben, beim Losfahren war ich der einzige Fahrgast, unglaublich oder? Die 2-3 stuendige Fahrt hab ich dann den verlorenen Schlaf der letzten Nacht wiedergefunden, wobei es ziemlich schwierig war, denn die bizarre Felsen, Steinkugellandschaft inmitten von leuchtend gruenen Reisfeldern war ueberaus reizvoll.

Der New Bus stand ist ziemlich weit vom Zentrum, wo sich ein Hotel an das andere reiht, enfernt und am besten bedient man sich einer Fahrradrikscha um dort hin zu gelangen. Wenn man wach genug ist kann man natuerlich auch laufen. Sur und Jas haben mich gewarnt dass es nicht so leicht werden wuerde in Pondicherry eine Bleibe fuer die Nacht zu finden. Sie hatten vollkommen recht und so bin ich eines nach dem anderen abgeklappert. Einige Hotels, die besten deals hier, gehoeren den Aurobindo Orden an, doch telefonische Reservierung wird nicht akzeptiert. So muss man sich persoenlich davon ueberzeugen dass nichts mehr frei ist. Meine letzte Chance, in meiner Preiskategorie, war das tamilische Hotel Surya Swastika. Alles voll, es war mittlerweilen schon nach 14 Uhr, doch wenn ich drei Stunden warte wuerde ein Zimmer frei werden. Juhu. In der Zwischenzeit hab ich die Shri Aurobundo Paper factory besichtig. An der Rezeption kann man eine Fuehrung anleiern und die nebenstehende kleine Produktionshalle gibt Einblicke in die Herstellung von alle moeglichen, in den verschiedensten Farben, Papiersorten. Rohstoffe sind unter anderem Zuckerrohr, Baumwolle, Reisschale, Bannanenblaetter und noch, das Englisch meines Fuehrers war nicht so gut, einige mehr. Im kleinen Geschaeft kann man dann die verschiedensten Produkte erstehen und man kann sagen das der kuenstlerische Wert der Erzeugnisse nicht zu verachten ist. Einer der Rezeptionisten hatte ein Babyeinchhoernchen in einer Papschachtel versteckt, welches vor einiger Zeit aus den Baumkronen geplumpst ist. Seitdem kuemmert sich der Mann um das drollige, laeuft mit heraushaengender Zunge herum, Tier, das voellig handzahm ist, sich streicheln und umhertragen laesst. So schnell werd ich die Erfahrung wohl nicht mehr machen, war echt aufregend.

Natuerlich hat die Besichtigung der Fabrik, ist gleich in der Naehe des Hotels, keine 3 Stunden gedauert. In Pondicherry gibt es eigentlich nicht sehr viel zu tun und trotzdem besitzt dieser Ort seinen ganz eigenen Flair. Als franzoesische Kolonie gegruendet sind die Wurzeln auch heute noch unbestritten zu bemerken. Koloniale Villen, Einheimische die einen in franzoesisch ansprechen, Boccia spielen, Baguette backen und Croissants futtern. Eine ziemlich moderne Stadt, dessen leuchtreklamisches Leben in der Nacht erwacht und Magnet fuer zahlreiche Touristen ist. Die meisten die ich getroffen habe kommen, wie unschwer zu erraten, aus Frankreich. Das Phaenomen das Franzosen einen oft in ihrer Sprache ansprechen, sie gehen wohl davon aus das diese von jedem beherrscht wird, bekam ich heute gleich vierfach bestaetigt. Naja irgendwann kommt dann doch was Englisches daher, auch wenn es manchmal etwas laenger dauert. Pondicherry weckt eindeutig Gelueste der westlichen Art. Café's, Lokale und Baeckereien die braunes Brot, Baguette, europaeisches Backwerk, leckere Salate und Pizza im Angebot haben lassen keine Wuensche offen. Einmal Pizza pomodori a mozzarella, mmmhhh Kaese, hat ausgezeichnet geschmeckt. Ein koestlicher Kokusnusssalat (mit Zwiebel Gurke, Paprika und Tomate) und zum Nachtisch ein Schokodonut, da kann man schwer widerstehen.

Um fuenf konnt ich dann mein Zimmer beziehen und die laengst faellige Dusche nehmen. Das Zimmer ist fuer den Preis (120rs) ueberraschend sauber und als ich das Badezimmer betrat glaubte ich im ersten Augenblick zu traeumen. Stand da wirklich ein stinknormales Klo im europaeischen Standard. Jawohl, einmal ohne Hockstellung, ein Luxus an den ich mich lieber nicht gewoehnen sollte. Die meisten Duschen in Indien fuerhen Kaltwasser, doch hier und da kann man einen Wasserhahn entdecken der auch warmes Wasser speiht. Daneben ist meist ein Plastikkuebel trappiert und los geht die Plantscherei. Die in Indien uebliche Bucketshower (Kuebeldusche) ist eine Erlebnis der erfrischenden Art und wer hier her kommt sollte diese Erfahrung auf keinen Fall auslassen, echt klasse.

Nun sitz ich im Internetcafe und probier die letzten Tage zusammenzufassen, gar nicht so einfach. Ausserdem muss ich so einiges recherchieren. Mein naechstes Ziel wird unter Umstaenden eine veganische (keine tierischen Produkte, auch keine Milch und Eier) Kommune in Auroville sein, die sich dem Erhalt des Sadhanna rainforest verschrieben hat. Ein Projekt fuer das man sich als freiwilliger melden kann, mind. Aufenthalt 2 Wochen, die Unterkunft ist kostenlos und die Beteiligung fuer die rein pflanzliche Ernaherung liegt bei 80 rs (a bissl mehr als 1 Euro) pro Tag. Auroville ist ein Zukunftsstadt und groesstes esoterisches Zentrum Indien's. Es gibt Kommunen in Huelle und Fuelle. Darunter klingende Namen wie desination, hope, creativitiy und noch viel schraeger. Auf der website, www.auroville.org, kann man sicher naeher erkundigen. Viele Kommunen stehen fuer eine alternative Lebensweise und beim Durchlesen der Beschreibung wird nicht immer klar was einem dort erwartet. Da ich nicht warten will bis mich ein Raumschiff abholt, bevor die Erde explodiert, hab ich mich fuer das Naturschutzprojekt entschieden. Sofi, mit der ich ein paar Tage unterwegs war hat dort mehr als 2 Wochen verbracht und war von der rein oekologischen Lebensweise und den netten Bewohnern hellauf begeistert. Wenn man sich dem Projekt anschliesst muss man ungefaehr 4 Stunden am Tag, 5 Tage die Woche, arbeiten. Die restliche Zeit kann man sich frei bewegen und seine Zeit so verbringen wie es einem gerade in den Sinn kommt. Klingt gar nicht so schlecht, ist sicher eine tolle Erfahrung. Ob ich das Experiment wage weiss ich noch nicht ganz genau, ich warte noch auf die Beantwortung meines e-mails.

mein 1. (und einziges) Foto in Pondicherry

mein 1. (und einziges) Foto in Pondicherry

© helli l, 2006
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Die Welt ist wie ein Buch, wer nie reist, sieht nur eine Seite davon. Nach meiner 1monatigen Pause werd ich nun ins verrueckte Indien stolpern und freue mich schon auf neue und fazinierende Abenteuer in diesem facettenreichen Land. Auf der Suche nach mir selbst und auf der Jagd nach Inspiration und Erleuchtung werde ich hoffentlich fuendig. Soweit so gut, einen genauen Plan hab ich nicht, ich lass mich einfach treiben. gruesse in die heimat helliL
Details:
Aufbruch: 26.12.2006
Dauer: 5 Monate
Heimkehr: 02.06.2007
Reiseziele: Indien
Thailand
Myanmar
Trivandrum
Der Autor
 
helli l berichtet seit 18 Jahren auf umdiewelt.