In 208 Tagen um die Welt

Reisezeit: Oktober 2006 - April 2007  |  von Helena Graf

Vipassana - der Weg zur Erleuchtung

Alles fing an unserem ersten Tag in Indien an. In Bombay trafen wir einen Kolumbianer, der uns einen Meditationskurs empfahl. Also entschlossen wir uns fuer einen Vipassana Meditationskurs in Jaipur anzumelden. Doch irgendwie haben wir in der schnellen Minute, in der wir uns anmeldeten das Kleingedruckte nicht gelesen, und so staunten wir nicht schlecht, als uns Bjoern - ein deutscher, den wir in Khajuraho kennen lernten - genaueres ueber diesen Kurs erzaehlte. Das erste was es sagte war: "Oh ja, ich bin jetzt auch schon ein paar Tage auf Entzug!" Und ich dachte nur "krass, der Typ ist Drogen suechtig und versucht es mal mit Meditieren!" Aber dann schaute er nur etwas abfaellig die Flasche Bier an, die ich mir gerade genehmigte und meinte: "Und du siehst das nicht so eng, oder wie?!?" Er meinte dann, dass man 10 Tage vor Beginn des Kurses keinerlei Drogen zu sich nehmen soll, also auch keine Zigaretten und keinen Alkohol. Waehrend des 10-taegigen Kurses darf man nicht komunizieren, also weder reden, noch Blickkontakt zu anderen haben. Der "Stundenplan" faengt um 4:00 Uhr mit dem wakeup call an und geht bis um halb 10 abends. Na Halleluja!! Worauf haben wir uns da nur eingelassen. Aber jetzt ziehn wir's auch durch!

Der Vipassana-Meditationstechnik, mit deren Hilfe Budda die Erleuchtung erlangte, liegt das Naturgesetz Dhamma zu Grunde. Dieses besagt, dass alles unbestaendig ist (everything is rising and passing, rising and passing, rising and passing,...)

Die erste Lektion bestannd darin seinen Atem zu beobachten, aber nicht zu beeinflussen: "just observe!" Genauer gesagt sollte man die Beruerung des Atems an den Nasenhluegeln beobachten. Die Anweisungen kamen von einer Kassette, die immer mit einem merkwuerdigen Gesang begannen. Diese erste Uebung diente zunaechst der Konsentrationsfaehigkeit. Es ist schon erstaunlich in welche Richtungen die Gedanken abschweifen, wenn man sich nur auf seine Nasenfluegel konzentrieren muss! Helena hat sich die Namen ihrer Kinder ueberlegt und weiss jetzt schon was sie auf der Hochzeit ihrer Freundin anzieht. Ich hab mir Gedanken darueber gemacht, wie ich ein Cafe gestallten wuerde - inklusive Speisekarte und Geschirr - falls das mit dem Maschinenbau doch nichts wird.

Als naechstes sollten wir uns auf unsere Oberlippe konzentrieren und schliesslich mit unserer Aufmerksamkeit ueber den gesamten Koerper gleiten. Dabei war das wichtigste nicht auf das Wahrgenomme zu reagieren, sondern es nur als die Realitaet wahrzunehmen. Das heisst man soll auf Schmerz nicht mit Ablehnung reagieren sondern ihn einfach akzeptieren und sich bewust machen, dass auch dieses Gehuehl frueher oder spaeter vorbei geht. Bei taeglichem Training soll diese Technik zur Folge haben, dass man die Dinge klarer sieht und nicht von unterbewusten Verhaltens- und Reaktionsweisen beeinflusst wird. Das heisst zum Beispiel, wenn einen jemand zu Unrecht beleidigt, dann reagiert man nicht negativ mit Trauer oder Wut, sondern denkt sich nur: "Ignorant person"

Das ganze ist etwas schwer zu erklaeren und Vipassana ist nicht nur eine Meditationstechnik sondern mehr eine Lebensphilosophie.

Das Schwierige an dem Kurs war nicht 10 Tage lang zu schweigen, sonndern das lange Sitzen, insgesammt 10,5 Stunden pro Tag. Drei mal am Tag sollten wir sogar eine Stunde sitzen, ohne auch nur den kleinen Zeh zu bewegen. Probiert das mal aus!! Nach einer halben Stunde faengt der Hintern an so richtig weh zu tun!

Wir haben leider keinen grossen Effekt bemerkt, vielleicht waren wir zu unkonzentriert. Aber Andere haben von bunten Lichtern und Zuckungen in Armen und Beinen erzaehlt.

Meditiert wurde in einer grossen Halle mit etwa 80 "students", hauptsaechlich Inder. Die besinnliche Ruhe wurde immer wieder durch lautes Furzen, Rulpsen und Rotz-die-Nase-hochziehenden unterbrochen, was uns zunaechst sehr verwunderte und dann tierisch nervte. Doch dies war die erste Gelegenheit fuer uns diese Gerausche als Realitaet zu akzeptiernen und nicht mit Ekel zu reagieren

Females Area

Females Area

Pagoda

Pagoda

Pfauen

Pfauen

mein Zimmer - jeder hatte sein eigenes Zimmer mit Dusche und WC

mein Zimmer - jeder hatte sein eigenes Zimmer mit Dusche und WC

Das Gelaende war super schoen. Reich bepflanzt mit bluehenden Streuchern und voll von Pfauen. Nachmittags kam immer eine Affenherde zu Besuch und war eine willkomme Abwechslung fuer uns. Die Pausen habe ich meist damit verbracht Phaunfedern zu sammeln, die ueberall auf dem Gelaende rumlagen. Das Essen war super! Vorallem das Mittagessen. Es bestannt meistens aus zwei verschiedenen Gemuesecurrys, einer Linsensosse, Reis, Brot und Jogurth.

Der Tag endete immer mit einer Teacher's lesson, die in der Vorfuehrung eines Videofilmes betannd. In diesem Video war ein kleiner Pausbaeckiger Inder zu sehen, der uns ueber Vipassana und Dhamma erzaehlte. Er erinnerte mich ein wenig an Meister Yoda, wie er da so im Schneidersitz auf seinem Kissen sass: "Fleissig du must sein, dann volle Erleuchtung du erlangen" Das Schild, das ihr unten auf dem Foto seht, hing unter dem Fernseher. Dazu muss man noch sagen, dass es in Indien als unhoeflich gilt, jemandem die Fuesse entgegen zu strecken. Aber dem Fernseher,...?!? Naja..

Auch der Mann im Fernseher hat Gefuehle!

Auch der Mann im Fernseher hat Gefuehle!

Ueberall wird man daran erinnert

Ueberall wird man daran erinnert

Als nun der letzte Tag gekommen war und wir endlich wieder reden durften, war das eine grosse Erleichterung fuer alle! Nun hatte man dieselben Gesichter jeden Tag 10 Tage lang gesehen, und hatte keine Ahnung wie die Anderen heissen oder wo sie her kommen. Und so ergab sich ein lautes Gegacker sobald wir aus der Meditationshalle raus waren.

Endlich, wir duerfen wieder reden!!

Endlich, wir duerfen wieder reden!!

Damit Vipassana richtig wirken kann, soll man allerdings taeglich 2 Stunden meditieren und jedes Jahr einen 10-taegigen Kurs machen. Schade, das werden wir wohl kaum machen, aber es hoert sich schon toll an, was die so versprechen. Vielleicht im naechsten Leben, auf jeden Fall war es eine Erfahrung wert!!

© Helena Graf, 2006
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Nepal-Indien-Neuseeland-Chile-Peru-Bolivien-Argentinien
Details:
Aufbruch: 02.10.2006
Dauer: 7 Monate
Heimkehr: 27.04.2007
Reiseziele: Indien
Nepal
Varanasi
Australien
Neuseeland
Chile
Peru
Bolivien
Argentinien
Uruguay
Der Autor
 
Helena Graf berichtet seit 17 Jahren auf umdiewelt.