In 208 Tagen um die Welt

Reisezeit: Oktober 2006 - April 2007  |  von Helena Graf

Kajuraho-Sex sells oder Tantra fuer Anfaenger

Nach einer sehr entspannten Fahr in Nachtzug erreichen wir Satna, wo wir in den Bus nach Khajuraho umsteigen muessen. Im Zug haben wir Susan aus Australien uns Sara aus Nuernberg kennengelernt, die auch in Khajuraho die sexuellen Faehigkeiten der Inder von 900 n.C. in Stein gemeisselt bestaunen wollen. Wir haben Glueck und bekommen im Bus die super Deluxplaetze in der ersten Reihe mit extra viel - ach Quatsch - mit ein bisschen Platz fuer die Beine. Leider hat unser Fahrer heute Nacht wohl nicht so gut geschlafen oder ist bekifft oder besoffen oder hat einfach ueberhaupt keinen Plan vom Busfahren. Jedenfalls bemueht er sich, dass das linke und rechte Vorderrad stehts den selben Abstand von der Mittellinie haben und ist offenbar jedesmal total ueberrascht, wenn auf der schnurgeraden, ebenen Strasse jemand entgegen kommt. Jedenfalls weicht er immer erst in allerletzer Sekunde aus. Einmal reicht das leider nicht ganz und er faehrt einem entgegenkommenden LKW den Aussenspiegel ab. Das interessiert aber weder ihn noch den LKWfahrer und die Fahrt geht einfach weiter. Zwischendurch rammen wir noch eine Kuh, die nicht mehr schnell genug zur Seite springen kann und unsere Nerven werden von der unglaublich penetranten Hupe, die der Fahrer oft und lange einsetzt (offenbar als Radioersatz, denn ein erkennbarer Grund ist auf der komplet leeren Stasse nicht zu finden). Schweissgebadet erreichen wir nach fuenf Stunden unser Ziel. Wir checken wieder in einer Yogilodge ein und muesen uns erstmal ein bisschen erholen und mittagessen. Anschliessend laufen wir zusammen mit Sara ein bisschen durch den winzig kleinen Ort. Als wir in den aelteren Ortsteil kommen, sprechen uns ein paar Juenglinge an, fragen wo wir herkommen, wie uns Indien gefaellt... Zunaechst sind die auch erstmal ganz nett. Sie zeigen uns das Dorf und schleppen uns schliesslich zu einem kleinen, nichterotischen Tempel, in dem gleich eine spektakulaere Tanzshow starten soll. Inzwischen haben sich auch ein paar sehr suesse, sehr schmutzige Kinder zu uns gesellt, von denen einer behindert ist und uns die ganze Zeit anstrahlt. Die beiden Jungs heissen Raj und Carlos und ihre 11 jaehrige Schwester Rubi ist fuer die beiden zustaendig und muss auf sie aufpassen. In dem Tempel gibt es auch einen Sadu, der seine Gefolgsleute um sich gescharrt hat und mit ihnen erstmal, natuerlich aus spirituellen, traditionellen, meditativen...was-weiss-ich Gruenden, eine riiiiesige Tuete rauch. Unsere Begleiter (jeder von ihnen hat sich eine von uns geschnappt) fuehren uns zu dem Sadu, der Asche auf unser Haupt streut und uns auffordert von der Asche zu essen. Mein Begleiter schaufelt sich erstmal einen ordentlichen Loeffel davon in den Mund und ich (Helena) nehme eine winzige, winzige Fingerspitze um den Sadu und seine Marihuanaasche nicht zu enttaeuschen. Der Typ, der mir die ganze Zeit wie ein Schatten folgt, geht mir langsam gehoerig auf die Nerven. Er erzaehlt irgendwelchen pseudephilosophischen Quatsch und moechte wohl, dass ich ihm bewundernd zu Fuessen liege. Ich spiele aber liebe mit den Kindern und besonders Raj, der kleine behinderte Junge quitscht vor Vergnuegen, wenn man ihn durch die Luft wirbelt.

Raj, Helena, Carlos (v.li.)
(Ich waehre sehr dankbar, wenn ihr etwas weniger mich und etwas mehr die kleinen Jungs angucken koenntet!)

Raj, Helena, Carlos (v.li.)
(Ich waehre sehr dankbar, wenn ihr etwas weniger mich und etwas mehr die kleinen Jungs angucken koenntet!)

Irgendwann koennen wir aber, so hart das auch klingen mag, die Endlosmonologe der Jungs nichtmehr ertragen und fluechten in das naechste Restaurant zum Abendessen. Es ist ein Italiener und die Italienerin Sara steht dem ganzen sehr kritisch gegenueber. Aber wir werden nicht enttaeuscht. Das Essen ist goettlich.
Am naechstem Morgen fruehstuecken wir erstmal gemuetlich und laufen dann zu den Erotiktempeln. Wir lesen erstmal was der Reisefuehrer sagt und machen uns dann auf die Suche nach den beschriebenen Skulpturen. Wir sind ganz schoen entaeuscht. Das erotischste was wir im ersten Tempel finden sind ein paar, nichtmal ganz nackte Frauen. Wir gehen wieder nach draussen und sehen uns die Figuren am Sockel mal genauer an. Alter Schwede, hier gehts ganz schoen Rund! Von Maennern, die sowohl mit dem dafuer vorgesehenen Koerperteil, als auch mit beiden Haenden und beiden Fuessen jeweils eine Frau befriedigen, ueber andere, die sich, offenbar weil der erste einen solchen Frauenverschleiss hat, dass fuer sie keine mehr uebrig bleiben, mit einem Pferd vergnuegen, bis zu Orgien mit unzaehlbaren Personen und Gliedmassen in den veruecktesten Positionen.

Auf einem der Tempel klettern Bauarbeiter einfach so ohne Geruest und Sicherung auf dem Dach herum und restaurieren ihn.

Nach der Besichtigung sind wir so geschafft, das wir erstmal Mittagessen wollen. Direkt gegenueber der Tempelanlage gibt es ein Restaurant, in dem man in einem Baumhaus sitzen und essen kann. Als wir uns dort jedoch niederlassen wollen meint der Besitzer, dort zu essen kostet 50 Rs pro Person. In Anbetracht der Tatsache, dass wir die einzigen Gaeste sind, halten wir das fuer eine sehr gewagte und dreiste Aufforderung und wollen schon wieder gehen. Ploetzlich duerfen drei "beautiful ladies" wie wir es sind, umsonst in seinem Baumhaus speisen. Das erweist sich aber als aeusserst wacklige Angelegeneit und wir sind nicht mehr sich, ob das so eine Gute Idee war. Aber der Blick auf die Tempel ist fantastisch und wir versuchen einfach uns so wenig wie moeglich zu bewegen. Dass Essen ist leider scheisse.

Anschliessend machen wir uns auf den Weg zur oestlichen Tempelgruppe und muessen wieder durchs alte Dorf. Zack haben wir die naechsten Philiosofen-Laberbacken wie Kletten an uns kleben. Der Typ von gestern ist auch wieder dabei und ich muss ihm versprechen heute Abend mit ihm einen Tee zu trinken und mir seine Bilder anzusehen (er ist offenbar ein ganz grosser Kuenstler). Seine Bilder interessieren mich wirklich und ich sagen zu. Wie schauen uns noch etwas die Tempel an, die sich aber nicht so grossartig von denen der Westgruppe unterscheiden und gehen dann zurueck zum Hotel. Yvonne kann das Gelaber von den Typen draussen und die hunterttausen Shopbesitzer, die uns in ihre Shops locken wollen (Come in, locking is free... maybe later? maybe next live?) beim besten Willen nicht mehr ertragen und deswegn mache ich mich mit Sara allein auf den Weg zu dem Intaliener von gestern. Unterwegs begegnet uns ein Kamel. Ich haette gerne ein Foto und kann gar nicht fassen, dass der Besitzer kein Geld fuer das Foto haben will und ich mich auch noch zum posieren auf sein Kamel setzen darf. Das Guckt nur ziemlich gelangweilt und etwas ueberheblich, laesst aber die Prozedur gelassen ueber sich ergehen. Ich frage mal, was es kostet eine Runde auf ihm zu reiten. 50 Rs ist ein echtes Schnaeppchen, finde ich und ueberrede Sara eine Runde zu drehen. Ich finds total cool, aber Sara haelt das ganze bald nicht mehr fuer die beste Idee, denn sie traegt einen Rock, der beim Laufen ganz sittsam kniebedeckend, auf dem Ruecken eines Kamels grad noch pobedeckend ist. Die liebestollen Juenglinge auf dem Marktplatz flippen fast aus (will you ride my Kamel later?!) Sara findet das ganze leider nicht mal halb so witzig wie ich.

Drehen klappt nicht!

Drehen klappt nicht!

Spaeter im Hotel wird die Sache so reflektiert: Sara "Oh man ich kam mir vor wie ein Idiot!" Bjoern, den wir an dem Abend kennenlernen "Du bist im Minirock auf einem Kamel ueber den ueberfuellten Marktplatz durch einen Ort geritten in dem sich alles nur um Sex dreht. Du BIST ein Idiot!"
Es wird also kein langer Ritt und wir setzen uns bald ins Bella Italier, wo wir Susan (die Australierin) und eine Hollaenderin treffen. Wir setzen uns zu ihnen und geniessen nochmal das Essen. Anschliessend mache ich mich, nachdem ich Sara (die allein unterwegs ist, und schon mit den veruecktesten Typen mitten in der Nacht durch durch Delhi gefahren ist) hundertmal versicht habe, dass ich um neun zurueck bin, nicht mit dem Typen nach Hause gehe und im neuen Teil des Dorfes bleibe, auf den Weg zu meinem "Date". Der Typ (ich bin so beeindruckt von ihm, dass ich nichtmal den Namen behalten hab) ist auch schnell zur Stelle. Wir setzen uns in einen kleinen Einheimischen-Strassenstand am Rand des Dorfes und er laed mich zu Chai, Bier und kleinen Zigaretten, die aus Blaettern gemacht werden ein. Wir unterhalten uns auch erstmal ganz nett. Aber dann kommt das Gespraech auf die Tempel und wie sie entstanden sind und er erzaehlt mir stolz, dass er ein grosser Meister im Tantra-Yoga ist, was er wohl aber bisher immer allein praktiziert hat (das soll sich heute offenbar aendern). Ich will gar nicht wissen was das ist und versuche das Gespraech wieder auf unverfaenglichere Themen zu lenken. Aber er meint "I can show it to you." Als ich da nicht drauf eingehe, versucht er es auf die etwas weniger subtiele Art: "Do you wanna have sex with me!" Ich pruste los und die Haelfte meines Chais spritzt auf die gute Tischdecke, deren Farbe aber ohnehin schon seit langem nicht mehr definierbar ist. Ich lache erstmal, in der Hoffnung, dass das ein Scherz war. Aber er guckt mich erwartungsvoll an. "NO!!!" "Why not?" fragt er, als haette er mich gefragt, ob wir morgen zusammen joggen gehen. Eigentlich haette ich einfach aufstehen und gehen sollen, aber aus irgendeinem, mir jetzt nicht mehr ersichtlichen Grund, versuche ich diesem Bubbi, der hablb so gross wie ich und wahrscheinlich auch noch halb so alt ist, zu erklaeren, warum mir nicht der Sinn nach Geschlechtsverkehr mit ihm steht. Nach 15 Minuten Erklaerungsversuchen ("Because... I don't wan't"... "But this is India, you have to be open for different culture and different people..."). Der Typ ist echt unglaublich! Ich mache mich schliesslich auf den Rueckweg (seine Bilder hab ich uebrigens nicht zu Gesicht bekommen. Kein sex, keine Bilder... naja). 10 Minuten zu spaet komme ich im Hotel an und Yvonne und Sara haben schon Plaene geschmiedet, wie sie mich aus den Faengen der sexbessenen Dorfbewohner befreien koennen. Bjoern und ein anderes, mittelaltes deutsches Ehepaar wohnen auch in der Yogilodge. Wir sitzen noch ein bisschen zusammen und es wird noch ein netter Abend.

Am naechsten Morgen quaelen wir uns, mehr oder weniger erfolgreich, um 5 Uhr morgens aus dem Bett. Wir wollen die Puja(eine Art hinduistische Messe, keine Ahnung wie man das schreibt) in dem einzigen noch benutzten Erotiktempel besuchen. Die soll um halb sech anfangen. Yvonne verliert den Kampf gegen den Tiefschlaf leider. Also machen Sara, Bjoern und ich uns allein auf den Weg zu dem Tempel. In der Mitte des Tempels steht eine zwei Meter hohe Steinsauele mit einem Meter Durchmesser. Das ist ein Lingam. Der gilt als Zeichen des Gottes Shiva. Wir umrunden das Ding einmal, setzen uns dann auf den Boden und beobachten das Geschehen. In Anbetracht dessen, dass es sich bei der Saeule offenbar um das Symbol des Gemaechts des hinduistischen Obergottes handelt, wirkt es schon sehr befremdlich, dass die Gemeinde das Ding mit Wasser und Blumen bestreut, kuesst und streicheld. Nach einer Viertelstunde glauben wir, dass hier wohl nicht mehr viel passiert. Wir wollen noch eine kleine Spende dalassen die aber gleich von jemandem eingesackt wird (Komentar Bjoern : « Das war der letzte Lingam der von mir eine Spende bekommen hat ! «) Wieder im Hotel angekommen lege ich mich zu der immernoch tief schlummernden Yvonne. Eine Stunde spaeter berichten die andern beiden, dass wir wohl zu frueh gegangen sind. Um sechs haetten sie beim Tempel die Glocken laeuten und Trompen blasen hoeren.
Nach dem Fruehstueck machen wir uns mit Bus und Zug auf den Weg nach Agra, wo das weltberuehmte Mausoleum Taj Mahal steht. Die fuendstuendige Busfahr verlauft relative ereignislos. Leider entspricht unsere Definition von "proppevoll" der indischen von "so grade halbvoll" und der Bus haelt bei jeder Kuh an und laed unfassbar viele Leute ein. Ein Typ unterhaelt sich mit mir und berichtet von seinem Plan in Deutschland Sanskrit (sehr alte nordindische Schrift und Sprache) zu unterrichten und will wissen was ich davon halte. Leider muss ich ihm sagen, dass die Anzahl an offenen Stellen fuer Sanskrit Lehrer in Deutschland sehr begrenzt ist. Er labert und labert und irgendwann hab ich einfach keine Lust mehr. Das versteht er aber nicht, selbst als ich demonstrative die Ohrstoepsel meines MP3 Player in die Ohren stecke. Ich hole meinen letzten KitKat Riegel aus der Tasche. Yvonne und ich gucken beide gleichzeitig erst den Riegel, dann den Typen an und fangen unglaublich an zu lachen. Leider bin ich zu feige und zu hungrig dem Typen einfach, wie in der Werbung den Riegel in den Mund zu stecken. Wir wechseln in unserem Zielort das Gefaehrt und versuchen uns in den voellig ueberfuellten Zug zu quetschen. Irgendwann geben wir es auf, zu versuchen in einen Wagon der normalen public Klasse (fuer die wir ein Ticket haben)zu steigen, und setzten uns einfach in einen Wagen einer hoeheren Klasse. Das ist zum Glueck kein Problem und wir koennen beim Schaffner nachloesen. So erreichen wir bald mehr oder weniger komfortabel Agra.

© Helena Graf, 2006
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Nepal-Indien-Neuseeland-Chile-Peru-Bolivien-Argentinien
Details:
Aufbruch: 02.10.2006
Dauer: 7 Monate
Heimkehr: 27.04.2007
Reiseziele: Indien
Nepal
Varanasi
Australien
Neuseeland
Chile
Peru
Bolivien
Argentinien
Uruguay
Der Autor
 
Helena Graf berichtet seit 17 Jahren auf umdiewelt.