Varanasi

Reisezeit: Oktober 2006 - April 2007  |  von Helena Graf

Varanasi - Zwischen Charme und Scheisse

Wir duesen zusammen mit Rachel, der Australierin aus den Bergen, mit einer Motorrikscha zum Hotel. Der Whalla soll uns zur Yogi-Lodge, die super angesagt in der Backpacker- und Hippi-Szene ist, fahren. Und weil wir super angesagte Backpacker-Hippis sind, genau das richtige fuer uns. Ueber mit Fahradrikschas, Tuk-Tuks, Kuehen, Menschen, Hunden, Karren, Autos, LKWS, Kuhscheisse und Muell vollgestopften Strassen gehts durch das abendliche Varanasi vorbei an einem MC DONALDS!!! Wir brechen alle drei gleichzeitig in Freudenschreie aus. Soviel zum Thema total angesagte Back-to-the-roots-Hippis.
Leider werden wir auch nicht zur total angesagten Yogi-Lodge, sondern zur Ganga-Yogi-Lodge gefahren. Das merken wir aber erst am naechsten Tag. Das Hotel ist aber ganz okay und liegt mitten in dem Labyrinth aus winzigen Gasse in der Altstadt direkt am Ganges. Die Gassen sind so eng, dass eine Motorrikscha hier nicht durchkommt. Also laufen wir die letzten Meter im Zikzak um riesige Haufen Kuhscheisse und ebenso riesige Kuehe herum.

Am ersten Morgen in Indien verpennen wir erstmal, weil wir in unserer fensterlosen Gefaengniszelle nicht mitkriegen, dass die Sonne schon aufgegangen ist. Wir wollen uns erstmal auf der Dachterasse unserer Unterkunft ein Fruehstueck goennen. Neben uns in einem Baum turnen die Affen und klauen die Blueten der Pflanzen auf dem Dach. Leider wird aus dem ueppigen Fruehstueck nichts und wir bekommen nur ein winziges Sandwich, auf dem man den Belag suchen muss. Naja, und dann wird mir nach dem Fruehstueck auch noch schlecht... Vormittags erledigen wir erstmal ein paar Dinge, wie Zugticket kaufen (dazu muss man jedesmal ein Formular ausfuellen mit Passportnr. Alter usw... fuer ein Zugticket!!!) und uns nach den guenstigsten Handytarifen erkundigen.
Wir haben schon die schrecklichsten Dinge ueber Varanasi gehoert, dass man alle drei Meter begrapscht wird, und jeder, wirklich jeder, uns verarschen will. Und auch die Inder mit denen wir zu tun haben schaerfen uns bei jeder Gelegenheit ein, mit niemandem zu sprechen. Naja, bei uns laeft aber alles super, nur die Fahrradrikschafahrer verstehen kein Wort Englisch, oder tun zumindest so, und wollen nach den Fahrten oft mehr als vorher ausgemacht.
Mir gehts scheisse und deswegen machen wir erstmal eine ausgedehnte Mittagspause im Hotel.
Abends laufen wir zum Dasaswameth Ghat am Ganges. Ghats sind gemauerte Treppenstufen die zum Fluss fuehren und von denen es in Varanasi 80 Stueck gibt.

Zu den meisten Ghats gehoeren auch noch Haeuser oder Tempel, die von irgendwelchen Maharatschas oder so hier gebaut wurden. Varanasi ist naemlich die heiligste Stadt der Hindus in Indien. Die Ghats werden hauptsaechlich zum baden benutzt, aber an einigen, den Burning-Ghats, werden auch Leichen verbrannt. Das Dasaswameth Ghat ist das Hauptghat und hier soll jeden Abend eine Zeremonie zu Ehren des heiligen Flusses stattfinden. Hier haben sich schon hunderte von Menschen versammelt. Wir setzen uns auf die Treppenstufen und warten. Immer wieder kommen kleine Meadchen, die uns Schalen mit Blumen und Kerzen verkaufen wollen. Die soll man anzuenden und in den Ganges setzen. Das bringt gutes Karma. Auf dem Fluss schwimmen in der Dunkelheit schon unzaehlige dieser Lichter. Ploetzlich umzingelt uns eine Gruppe Inderinnen in wehenden Saris, die alle mit ihren Old-School-Kameras wedeln. "Photo, photo...no problem, heah?" Sie drapieren sich um uns herum und die einzigen beiden Meanner in der Runde muessen tausende von Fotos von uns mit Inderinnen machen. Wir haetten gerne euch eins uns reichen dem Inder unsere Digitalkamera. Die ueberfordert ihn aber voellig. Komplet entgeistert starrt er sie an, richtet dann das Display auf uns und versucht uns zu fotogafieren. Wir versuchen ihm zu erklaeren, wie das Ding funktionier und schiessen ein Testfoto von ihm.

Der arme Mann ist aber voellig von den Socken, also muss sein Kollege ran.
Nachdem das erledigt ist, treffen wir Ricco, einen Franzosen (der sogar Englisch kann!!),den wir schon vom trekken kennen, wieder. Wir unterhalten uns ein bisschen und dann faengt die Zeremonie an. Ueberall klingeln Glocken und sieben Maenner in orangen Kutten schwenken nacheinander verschiedene Kerzenstaender, Weihrauch- und Feuerschalen. Dazu klatschen zwischendurch die riesigen Massen an Pilgern im Rhythmus.

Nach einer halben Stunde ist der Spuk vorbei und mir wieder schlecht. Auf dem Rueckweg kauf Yvonne sich an einem Strassenstand was zu essen und mich quatscht mal wieder irgend ein Typ voll, der natuerlich auch will, dass ich mir seinen Shop angucke. Leider muss ich dem armen Mann vor die Fuesse kotzen. Aber das ist in dieser siffigen Stadt Gott sei Dank nicht weiter schlimm. Die naechste Kuh freut sich ueber ein paar saftige Bissen, bei denen sie sich auch noch einmal wiederkauen spart. Wir kaempfen uns durch das Strassengewuehl nach Hause. Das Fieberthermometer sagt 38,5 C und ich bin natuerlich sofort sicher, dass ich saemtliche Malariaarten habe, die es gibt.
Am naechsten Morgen ist aber alles wieder einigermassen in Ordnung und wir machen uns um halb sechs(!) auf den Weg, um vom Ruderboot aus den Sonnenaufgang zu bestaunen. Die Sonne sieht man aber leider nicht aufgehen, weil sie hinter dem diesigen Smok versteckt bleibt. Die Tour lohnt sich aber trotzdem Wir werden an saemtlichen Ghats vorbeigerudert und bekommen das Gangesleben hautnah mit. Unglaublich wie viele Inder so frueh morgens schon auf den Beinen sind. Viele waschen ihre Waesche, baden ihre Bueffel oder sich selbst, putzen ihre Zaehne oder lassen die kleinen Kerzen-Blumenschaelchen schwimmen.

Manche trinken sogar von der Bruehe. Im Lonely Planet steht, dass das Wasser des Ganges pro 100 ml 1,5 Mio. Faekalbakterien enthaelt. Damit Wasser zum baden geeignet ist soll dieser Wert bei hoechstens 500 (!!!) liegen. Ich frage mich, warum das Hauptproblem Indiens die Ueberbevoelkerung ist. Unser Captan wendet und schippert uns in die Andere Richtungzu den Burning-Ghats. Aber das kennen wir ja schon aus Kathmandu und kann uns nicht mehr schocken. Dachten wir... Schon von weitem sehen wir einige Scheiterhaufen qualmen. Ploetzlich meint Yvonne "Da schwimmt einer". Offenbar ist sie noch nicht ganz wach, denke ich. Hier schwimmen Tausende. Aber dan gucke ich genauer hin. Was ich zunaechst fuer eine Art Insel im Wasser gehalten habe entpuppt sich bei genauerm Hinsehen als an der Oberflaeche schwimmender, aufgedunsener, weiss-gruenlich schimmernder Menschenkoerper! Auf dem Ruecken der Wasserleiche sitzen Raben und fressen den Koerper auf. Zum Gluek wenden wir wieder und fahren in die andere Richtung zurueck. Ich bin erstaunt, wie wenig mich der Anblick zunaechst schockiert. Aber im Laufe des Tages geistert das Bild immer wieder in meinem Kopf herum. Spaeter erfahren wir, dass die Sadus (Maenner, die ein besonders religioeses Leben fuehren, nur mit Lendenschurz durch die gegend Laufen, ihren Koerper mit Asche einschmieren, den ganzen Tag kiffen und horaende Summen fuer Fotos verlangen)unverbrannt in den Ganges geworfen erden, weil ihre Seelen rein sind und ihre Koerper deswegen nicht verbrannt werden muessen. Auch Babys, die vor dem zweiten Lebensjahr sterben und schwangere Frauen werden nicht verbrannt. Ich bin sehr froh, dass wir kein totes, aufgedunsenes Baby sehen mussten!! Nach der Bootstour zeigt uns einer der Hotelangestellten eine Seidenfabrik, fuer die Varanasi beruehmt sind. Es ist zwar sehr interessant zu sehen wie riesige Seidensaris aus den unglaublich feinen Faeden an grossen Webstuehlen gefertigt werden, aber was soll ich mit einem Sari (6m lange Stoffbahn, die die Inderinnen tragen)?

Nachdem ich 10 Minuten gewartet hab bis dieses scheiss Foto hochgeladen war, musste ich feststellen, dass ich vergessen hab es zu drehen. Ich glaub es geht aber schneller wenn ihr einfach eure Koepfe dreht!

Nachdem ich 10 Minuten gewartet hab bis dieses scheiss Foto hochgeladen war, musste ich feststellen, dass ich vergessen hab es zu drehen. Ich glaub es geht aber schneller wenn ihr einfach eure Koepfe dreht!

Das versteht der Seidenfabrikbesitzer leider nicht und ist etwas beleidigt, dass wir nichts kaufen.
Den restlichen Tag verbringen wir damit uns Tempel anzusehen, die wir als Nichthindus aber groestenteils nicht betreten duerfen, und eine Handykarte zu besorgen. Und die funktioniert diesmal sogar! Nachmittags laufen wir zur Uni von Varanasi. Hier gibts sogar eine verhaeltnismaessig gruene Wiese auf der es verhaeltnismaessig ruhig ist! Wir geniessen die "Stille" nach 2 Tagen ununterbrochenem Laerm, Dreck und Gewuehl. Um fuenf goennen wir uns einen leckeren Fruchtlassi am Fluss und wollen uns dann mit der Rikscha erst zum Hotel, um unsere Rucksaecke abzuholen, und dann zu McDonalds bringen lassen, wo wir auf die Abfahrt unseres Nachtzuges warten wollen. Tausende Rikschafahrer stuermen sofort auf uns zu, uebertoenen sich mit Angeboten und wollen uns gleich zu ihren Tuk-Tuks zerren. Schliesslich entscheiden wir uns fuer den, der das beste Angebot macht. Wir steigen ein und es geht los. Nach 100m haellt er wieder an und es stellt sich heraus, dass er weder weiss, wo unser Hotel, noch wo McDonalds ist. Zum Hotel finden wir noch irgendwie, und da erklaert ihm dann jemand, wie's weiter geht. Da merkt er, dass das fuer den Preis wohl nicht moeglich ist. Also feuern wir ihn und suchen nach einer Alternative. Sofort ist ein aelterer Fahrradrikschafahrer zur Stelle, der im Brustton der Ueberzeugung meint McDonalds sei 2km entfernt und er fahre uns fuer 20 Rupien. Okay, wunderbar. Wir zuckeln ein bisschen durch die Gegend, die uns leider verdaechtig unbekannt vorkommt, und halten dann vor einem Laden, dessen einzige Gemeinsamkeit mit McDonalds die schwarzen Hosen der Kellner ist. Wir sind sauer! Der Restaurantbesitzer erklaert dem Fahrer, wo wir eigentlich hinwollen. Das ist offenbar ziemlich weit weg. Ziemlich geknickt strampelt er los. Aber das ist er jetzt echt mal selber schuld. Natuerlich will er nach einer geschlagenen halben Stunde Fahr auch mehr Geld haben, aber wir sind wenigstens beim richtigen McDonalds! Er will hier die drei einhalb Stunden auf uns warten, was wir aber nicht wollen. Macht er natuerlich trotzdem und kommt, als wir um elf das Restaurant verlassen freudestrahlend und besoffen auf uns zu gerannt. Naja, er faehrt uns wenigstens diesmal zum richtigen Bahnhof, der laut Reisefuehrer noch dunkleren und kriminelleren Seite von Varanasi. Hier herrscht aber noch reges Treiben. Wir finden auf Anhieb unser Gleis und der Zug kommt auch noch fast puenktlich! Auf gehts also nach Khajuraho, der Heimat der Erotiktempel und tantrischster Ort der Welt.

© Helena Graf, 2006
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Nepal-Indien-Neuseeland-Chile-Peru-Bolivien-Argentinien
Details:
Aufbruch: 02.10.2006
Dauer: 7 Monate
Heimkehr: 27.04.2007
Reiseziele: Indien
Nepal
Varanasi
Australien
Neuseeland
Chile
Peru
Bolivien
Argentinien
Uruguay
Der Autor
 
Helena Graf berichtet seit 17 Jahren auf umdiewelt.