In 208 Tagen um die Welt

Reisezeit: Oktober 2006 - April 2007  |  von Helena Graf

La Paz: Death Road Survivor

Mitten in der Nacht klingelt der Wecker. Wir quaelen uns aus dem Bett und besteigen um kurz nach sieben einen voellig mit Werbung zugekleisterten Minibus, auf dessen Dach schon ungefaehr 73 Mountainbikes positioniert sind. Einer unserer beiden Guides haendigt uns unsere Spezialkleidung fuer diesen aussergewoehnlichen Einsatz aus, die wir schon am Tag vorher anprobieren mussten, und dann gehts los. Leider kann ich zu der wahrscheinlich atemberaubenden Landschaft die wir, nachdem wir den LaPaz-Kessel verlassen haben, durchfahren, nichts sagen, weil, wie gesagt, saemtliche Fenster mit "www.xtreamdownhill" und "do it with the safest company" zugekleistert sind. gegen halb neun erreichen wir dann endlich La Chumbre auf 4700m, unseren Startpunkt an einem Bergsee.

Da bekommen wir erstmal ein ueberraschend reichhaltiges Fruehstueck mitten in der felsigen Schneelandschaft serviert.

Anschliessend steigen wir in unsere modische Mountenbikekombie (wobei wir entsetzt feststellen muessen, dass der Helm auf keinen Fall zu der Jacke passt ). Es ist noch so kalt, dass wir eine Muetze unter den Helm und Wollhandschuhe unter die Fahrradhandschuhe quetschen muessen. Und dann gehts los. Erst folgen wir noch etwas verhalten unserem ueber die noch breite, asphaltierte Strasse davonrasenden Guide durch wunderschoene erst schneeige und dann felsiggruene, wunderschoene Landschaft.

Aber schon bald erkennen wir, dass das nicht Sinn der Sache sein kann und duesen ihm tief ueber den Lenker gebeugt im Windschatten des Vordermannes fahrend hinterher.

So geht es ca.30 Minuten durch unzaehlige Kurven bergab, bis wir den Polizeicheckpoint erreichen. Dies ist laut Guide der gefaehrlichste Punkt der Strecke, weil man augenblicklich erschossen wird, wenn man hier nicht absteigt. Also passoeren wir die Polizisten brav zu Fuss und bezahlen ebenso folgsam den "Eintritt" von 15 Soles. Danach stuerzen wir uns weiten den Berg hinab. Leider nicht mehr sehr lange, denn ploetzlich muessen wir entruestet feststellen, dass wir tatsaechlich gezwungen sind, die Pedale zu betaetigen. Und ploetzlich geht es sogar bergauf! Und das nicht zu knapp. Die naechste halbe Stunde gehts bergauf, bergab und dann ploetzlich nur noch bergauf. Das ist auf ungefaehr 3500m ueberhaupt ken Spass! Ich trete fast auf der Stelle und aus meinen Lingen kommt ein seltsam pfeifendes Geraeusch. Irgendwann schaffe ich es meine zugepressten Augen einen Spalt breit zu oeffnen und stelle erst entruestet und dann erleichtert fest, dass die Leute vor mir zu Fuss neben ihren Raedern herlaufen, das Zeichen fuer mich ebenfalls den Sattel zu verlassen.

So erreichen wir etwas spaeter den Gipfel der Anhoehe, wo uns eine Banane und ein Schokoriegel erwarten. Frisch gestaerkt gehts danach wieder bergab. Irgendwann spaeter winkt uns der Guide (leider hab ich seinen verdammt komlizierten Namen vergesssen) an die Seite auf eine Schotterstrasse. "Here beginns the death road!" verkuendet er mit Grabesstimme. Och, von mir aus koennen wir auch einfach weiter ueber die neue, breite, asphaltierte Strasse fahren, denke ich in Anbetracht der dicken Steine, auf der beunruigend schmalen Strasse. Dann erzaehlt uns unser Guide noch, dass grade vor sieben Tagen auf dieser Strasse ein Israeli bei einer Fahrradtour abgestuerzt ist, weil er mit dem Fahrrad Sperenzchen gemacht hat. Dabei wirft er dem Californier, der offenbar schon oeffter mal Fahrrad gefahren ist, dessen Freundin offenbar ziemlich leicht zu beeindrucken ist und der die ganze Zeit schon huepfend und schlangenlinienfahrend ueber den Asphalt gestolpert ist, alle genervt hat und zu guter letzt beinnahe von einem LKW ueberfahren worden waehre, einen vielsagenden Blick zu. Wir bekommen letzte Instruktionen und dann gehts los. Am Anfang umklammere ich noch krampfhaft Vorder- und Hinterradbremse und mein Hinterraeder schlittert nur so ueber den im weitesten Sinne Split. Jetzt zeigt sich uns auch warum diese "Strasse" mit durchschnittlich 26 toetlichen Unfaellen (meistens Busse und LKWs) pro Jahr als die gefaehrlichste der Welt gilt. Links von uns geht es sicher mehrere Millionen Meter senkrecht hinunter. Zu allem Unglueck hat sich irgendwer die daemlich Regel ausgedacht, dass der bergauf fahrende Verkehr immer Vorfahrt und immer rechts, also am Berg fahren darf. Zum Glueck rast einer unserer beiden Guides immer ein ganzes Stueck vorraus, haelt nach entgegenkommenden Fahrzeugen Ausschau (davon gibts aber zum Glueck nur ganz wenige, weil die meisten die neue Strasse benutzen) und schiesst Fotos von uns. Nach einer Weile bemerke ich, dass man das Rutschen des Hinterrades hervoragend vermeiden kann indem man das Bremsen vermeidet und das ganze faengt richtig an Spass zu machen. Allerdings wird man trotz Vorderradfederung unglaublich durchgeschuettelt und meine Haende fangen noch unglaublicher an zu jucken. Aber das ganze ist ein riiiiiiiiesen Spass und ich kann gar nicht mehr aufhoeren zi grinsen, weswegen sich das ein oder andere Tier zwischen meinen Zaehnen platziert. Nach einer knappen Stunde gibt es an der Stelle, wo der Israeli letzte Woche abgestuerzt ist eine kleine Imbisspause. Ich nehme an, das hat paedagogische Gruende. Ich muss sagen, wenn jemand an dieser Stelle irgendwelche "Scherze" mit seinem Fahrrad ausprobiert, ist er vielleicht ein kanz kleines bisschen selber Schuld.

Wir verspeisem einen, naja, ich wuerde ihn mal "Hamburger suedamerikanischer Art" nennen (belegt nur mit Fleisch und Mayo) und einen sehr leckeren Fruchtsalat, schmieren uns zentimeterdick mit Insektenschutz ein (wir sind inzwischen schon ziemlich weit in die Malariatropen vorgedrungen) und dann gehts weiter.

Vorbei gehts an weiteren Kreutzen und durch einen kleinen Wasserfall, der die Strasse ueberschwemmt. Hier zeigt sich, dass wir das orange Jackendin, das wir alle Tragen wohl besser auf links tragen sollte. Denn es laesst zwar kein Wasser von innen (was da von unseren Koerpern reichlich produziert wird) nach aussen, dafuer aber noch reichlicher von aussen nach innen...

Waehrend ich, wie ich finde, in einem moerderischen Tempo den Berg hinuter rase ueberholt mich immer wieder einer unserer Guides in einem Tempo, dass mich annehmen laesst, dass ich mich auf der Stelle bewege, um Fotos zu schiessen. Irgenwann duerfen wir dann unsere orange-schwarze Schutzkleindung ablegen, denn den wirklich gefaehrlichen Teil der Death-Road haben wir ueberstanden (ich nehme an, dass wir die Jacken tragen mussten um dem Hubschrauber im Fall der Faelle die Bergungsarbeit zu erleichter... obwohl das Rot kommt ja eigntlich von alleine...). Jedenfalls biegen wir jetzt in die Wildnis ab. Unsere Guides geben neue Instruktionen deren Kernsatz lautet: "Please... no more fast!" sprachs und dueste in Schallgeschwindigkeit davon. Jetzt heisst es dranbleiben, denn wenn man einmal die nicht sichtbare Spur der Kenner verloren hat, kann man meiner Meinung nach auch einfach laufen. So hoppeln wir also munter ueber Stock und Stein und das ganze macht deutlich mehr Spass als es sich hier vielleicht anhoert. Einer der Kamikazeguides faehrt immer mal wieder vorraus um sich an strategisch guenstigen Stellen zu positionieren, um spektakulaere Videos von potenziellen Stuerzen zu filmen. Und er soll nicht enttaeuscht werden. Der vor mir fahrende Chris opfert sich und segelt bei naechster Gelegenheit ueber den Lenker, an der Kamera des filmenden Guides vorbei kopfueber auf die Felsbrocken. Autsch. Und das so kurz vorm Ziel... Schade, ich haette ihm das "I survived the deathroad"-T-Shirt wirklich gegoennt... Naja, ganz so dramatisch ists nicht. Er kommt mit ein par Kratzern, wirklich gekonnt platzierten Blutspritzern, einem wirklich fies eingerissenen Fingernagel und einem in allen Farben schillernden riesen Fleck davon.

Australien (wenn man genau hinguckt)

Australien (wenn man genau hinguckt)

Etwas geschockt verrichten wir deutlich langsamer die letzten Meter, bis wir wieder von unserem Bulli, auf den die Raeder geladen werden, abgeholt werden. Wenig spaeter erreichen wir ein super Hotel samt Pool mitten im Jungel. Nachdem wir Dreck, Schweiss und manche auch Blut abgeduscht haben, springen wir in das kuehle Nass und warten aufs Nachmittagsessen. Nach dem Essen, das mal wieder aus, zugegeben, ziemlich leckeren Fleischbergen, Pommes, Reis und ein winzigem Bisschen Salat besteht, nehmen wir mit Stolz geschwellter Brust unsere Premium-T-Shirts in Empfang.

Chris,Con, Jonas und Ira bleiben die Nacht ueber im "Luxushotel" und wir duesen in dem weissen Bulli, diesmal ueber die neue, deutlich sicherer ausehende Strasse zurueck nach LaPaz. Zwischendurch halten wir an einem Aussichtspunkt, von dem aus man die "Deathroad" in ihrer ganzen Pracht bewundern kann.

Freunde, was soll ich sagen. Das Fazit dieses Ausflugs laesst sich in einem Word zusammenfassen: Saugeil!

© Helena Graf, 2006
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Die Reise
 
Worum geht's?:
Nepal-Indien-Neuseeland-Chile-Peru-Bolivien-Argentinien
Details:
Aufbruch: 02.10.2006
Dauer: 7 Monate
Heimkehr: 27.04.2007
Reiseziele: Indien
Nepal
Varanasi
Australien
Neuseeland
Chile
Peru
Bolivien
Argentinien
Uruguay
Der Autor
 
Helena Graf berichtet seit 17 Jahren auf umdiewelt.