Mittelamerika
Guatemala City
Es ist nur ein kleines, günstiges Hotel, in dem ich am Morgen erwache. Und eigentlich hatte ich gedacht, dass ich den Tag nach der langen Reise vor allem verschlafe. Doch dann bin ich frühmorgens schon wach. Kunststück, ich bin ja auch ganze acht Stunden hinter meinem normalen Tagesablauf her. Mein Körper hat das noch nicht ganz erkannt und will aufstehen.
Ich suche den Frühstücksraum und bin überrascht. Im kleinen Hof ist aufgedeckt. Ein kleiner Hinterhof, mit viel Grün, meinen LIeblingsblumen im traditionellen Brunnentrog, einer lauschigen Laube mit Farnen in der Ecke und unter dem festen Dach Tische mit Tischtüchern. Das ist es, das Guatemala-Feeling. Sauber und gepflegt, auch in der einfachen Unterkunft.
Die Speisekarte hat eine ganze Auswahl von Frühstücksvarianten. Mit Rührei oder gebratenen Eiern, mit Pancakes, Cereales, mit dem typischen schwarzen Frijolesbrei, den ich früher nicht mochte, weil er nicht sehr schön aussah. Heute geniesse ich ihn. Dazu gibt es frische Brötchen und schwarzen Kaffee. Und natürlich Früchte. Heute sind es Papayas.
Typisches Frühstück: Rührei mit Tomaten und Zwiebeln, dazu Frijoles (Bohnenpuree) und gebratene Bananen, Papaya, Brot und Kaffee
Da ich jetzt richtig wach bin, will ich auch was unternehmen. Gestern hatte ich von meinem Taxifahrer die WhatsApp-Nummer gespeichert, denn er soll mich morgen nach Antigua bringen. Aber vielleicht hat er ja heute Zeit, mir die Hauptstadt zu zeigen.
Er hat und eine halbe Stunde später steht er vor dem Hotel. Ich war zwar schon oft in Guatemala, aber von der Hauptstadt kenne ich nur das Museum Popol Vuh, in dem wir uns jeweils einen Überblick über die Kultur der Mayas verschaffen, wenn wir mit einer Gruppe nach Guatemala kommen. In der Innenstadt war ich noch nie. Also beste Gelegenheit, mich umzusehen.
Carlos, so heisst mein Taxifahrer macht mich schon bald auf die erste Sehenswürdigkeit aufmerksam: den Torre de Eiffel, jedenfalls wurde der Bau des Torre del Reformador vom Vorbild in Paris inspiriert. Ich bin noch gar nicht bereit mit der Kamera, aber Carlos hat Geduld, fährt ganz langsam auf den Turm zu, der mitten auf einer Kreuzung steht und fährt erst weiter, als ich meine Bilder geschossen habe. 75 m hoch ist er und er wurde 1935 zu Ehren des damaligen Staatspräsidenten erbaut.
Wir fahren am Placa Espana vorbei, der zwar mit vielen farbigen Blumenbeeten lockt, aber von einer grossen Versammlung besetzt ist. Eine Wahlkampfveranstaltung. Noch in diesem Monat finden in Guatemala Wahlen statt. Überall sind Wahlkampfplakate aufgehängt.
Bald darauf erreichen wir die Zone 1, das Zentrum der Stadt. Nachdem die alte Hauptstadt Antigua 1773 einmal mehr von einem grossen Erdbeben zerstört wurde, zog man in den Ort Ermita auf einem Hochplateau und gründete die neue Hauptstadt, die seither Guatemala City, oder einfach Guate genannt wird. Die alte Hauptststadt erhielt den Namen Antigua (altes) Guatemala.
Doch auch die neue Hauptstadt war nicht von Erdbeben verschont. Immer wieder schüttelt die Erde hier im Land mit den Vulkanen. 34 davon gelten noch immer als aktiv.
Die Erdbeben sind auch der Grund, dass es in dieser Stadt keine Hochhäuser gibt.
Der Placa Central, der riesige Platz fällt auf, weil er im Gegensatz zur Placa Espana völlig mit grossen Zement- und Steinplatten bedeckt ist. Kaum Pflanzen, ein typischer Brunnen in der Mitte und der Verkehr der rundum geführt wird. Grosse Reisebusse versperren die Sicht zu den Gebäuden. Immerhin scheinen ein paar Touristen-Gruppen Sightseeing zu machen. Für den völlig leeren Platz mit den wenigen Sitzbänken und den paar alten Bäumen in einer Ecke hat Carlos eine gute Erklärung: Hier, vor dem Präsidentenpalast entsteht im Dezember zu Weihnachten immer ein Eisfeld.
Ich muss noch einmal nachfragen. Es soll tatsächlich ein Eisfeld geben, obwohl die Tempraturen im Dezember kaum je unter 10 Grad sinken?
An einer Seite gibt es einen modernen Pavillon, wo mir ein junger Mann die Geschichte des Platzes und des Palacio Real erklärt. Der alte Palast wurde durch Erdbeben teilweise zerstört wie viele alte Geäude der Innenstadt. Vor ein paar Jahren gab es ausserdem einen Sturm auf das Haus, bei dem ein Brand ausbracht. Inzwischen wurde es restauriert und heisst Palacio Nacional de las Culturas und beherbergt verschiedene Museen. Dank seiner leicht grünen Farbe wird es lokal auch Guacamolon genannt.
Wir stehen auf dem Aussichtspunkt, der einen Überblick über den ganzen Platz gibt, als ich meinen Augen nicht traue. Da scheint sich ein Verkehrsflugzeug verflogen zu haben. Direkt über dem Platz und in geringer Höhe über den Häusern fliegt eine grosse Maschine. Ein Blick auf den Stadtplan bestätigt, dass das die ganz normale Anflugschneise für den Flugplatz Aurora ist. Auch ich bin wohl gestern so über die Stadt geflogen. Was ich gespürt hatte, war der kurze und heftige Bremsweg. Es scheint, dass die Landebahn besonders kurz ist.
Es gab vor ein paar Jahren Überlegungen, den Flughafen weiter weg von der Stadt zu platzieren, aber weil dadurch viele Menschen ihre Arbeit verloren hätten, habe man das Projekt vorläufig wieder aufgegeben, erklärt Carlos.
Wir gehen über den Platz, sehen den Tauben zu, den Kindern, denen es Spass macht, sie zu füttern oder zu verjagen. Bei einem jungen Mann kaufe ich ein paar Nüsse. Sie sind so typisch, die Verkäufer mit ihrem grossen Angebot an gesalzenen Nüssen.
Vor dem Palacio kommt uns eine grosse Gruppe junger Mädchen entgegen. Mit Instrumenten in den Händen und in ihren Schuluniformen. Wahrscheinlich haben sie vorhin irgendwo auf dem Platz ein Konzert gegeben, jetzt gehen sie zurück in das nahe Gymnasium.
Ich werfe noch einen Blick in die Kathedrale. Ein grosser hoher Raum, schlicht mit grossen Gemälden an den breiten Säulen. Es scheint nächstens ein Gottesdienst stattzufinden, jedenfalls ist beim Altar jemand dabei, die Mikrofone zu überprüfen, Auffällig ist der grandiose Blumenschmuck. Selten habe ich ein so riesiges Blumenmeer in einem Altarraum gesehen. Ich entzünde noch ein Licht bei den Kerzen und verlasse die Kirche.
Ein sehr diskreter McDonalds, der das Stadtbild der historischen Innenstadt nicht verschandeln soll.
Ganz in der Nähe ist der grosse Markt, ich brauche Flipflops und bummle entlang den Ständen mit all den farbigen Handarbeiten. FlipFlops sind allerdings Fehlanzeige. Es gibt handgemachte Sandalen mit farbigen Stoffeinsätzen, aber nichts aus Plastik. Ich kaufe noch eine kleine Handtasche, auf die der Verkäufer mit schwungvoller Schrift meinen Namen schreibt. Der Rest meines Einkaufszettels ist hier nicht aufzutreiben. Vor allem der Adapter für die Steckdosen mit den flachen Schliltzen ist zu Hause geblieben. Aus irgend einem Grund schaffte er es zurück in die Schublade und nicht in die Tasche mit den Kabeln, Harddisk und Ladegeräten. Zum Glück konnte ich im Hotel einen ausleihen, morgen werde ich weitersehen. In Antigua finde ich bestimmt einen.
Da ich auch für mich keinen Adapter und vor allem kein Ladekabel habe, sinkt mein Batteriestand. Carlos würde mir noch ein Relief der Stadt zeigen, das ebenfalls zu den Sehenswürigkeiten zählt, aber ich winke ab. Zurück zum Hotel, für heute habe ich genug gesehen. Ich habe jetzt eine Vorstellung der Hauptstadt, mehr brauche ich nicht.
Zum Mittagessen gibt es ein paar Nüsse und den Nachmittag verschlafe ich und weil es in der Nähe des Hotels keine Restaurants gibt, bestelle ich das Nachtessen per Uber Eats. Es gibt immer wieder neue Erfahrungen. Die Bedienung ist sehr gut, das Essen wird innert 20 Minuten wie versprochen geliefert, aber leider habe ich mich im Menu vergriffen. Macht aber nichts, bin eh zu müde, um richtig geniessen zu können. Morgen geht es weiter.
Dass ich in der Lobby des Hotels auf einen aufgespannten Schirm treffe, gehört zu den Geheimnissen meiner Reise. Es findet sich immer rechtzeitig ein passender Schirm ein.
Aufbruch: | 09.06.2023 |
Dauer: | 7 Monate |
Heimkehr: | Januar 2024 |
Mexiko