Mittelamerika

Reisezeit: Juni 2023 - Januar 2024  |  von Beatrice Feldbauer

Rebeca

Ich bin auch heute wieder früh unterwegs. Nicht weil ich plötzlich Frühaufsteherin geworden wäre, sondern weil mich die um diese Zeit noch leeren Strassen reizen. Ein paar Hundebesitzer sind unterwegs. Dabei fällt mir auf, dass ich noch keine streunenden Hunde gesehen habe. Die meisten gehen an der Leine, so wie dieser Mann, dem ich vor der Merced begegnet bin. Er würde jeden Morgen und Abend einen Rundgang mit seinen Hunden machen, erzählt er. Den Rest des Tages müssten sie leider in seiner kleinen Wohnung bleiben. Wahrscheinlich mit dem Rest der Familie, denke ich mir im Stillen, denn Wohnungen werden selten von einer einzelnen Person bewohnt, und seien sie noch so klein.

Andere Hunde laufen hinter oder neben ihren Besitzern her oder sie werden getragen, weil wahrscheinlich vor allem für kleine Hunde diese unebenen Strassen nicht sehr angenehm sind. Für Spaziergänger übrigens auch nicht, vor allem in Sandalen. Da halt ich mich möglichst an die schmalen Gehsteige, die allerdings immer wieder durch Löcher und Stufen unterbrochen sind, oder trage überhaupt die festen Turnschuhe, die hier besser geeignet sind. Es ist daher eher selten, dass man einem Jogger begegnet. Frühsport wird eher im Park oder als schnelles Gehen betrieben.

Aufgefallen sind mir die Schilder, die einen sehr sympatischen Umgang mit Hunden zeigen. Im Cafe Condesa sind zum Beinspiel brave Hunde willkommen.

Du bist verantwortlich für deinen Freund

Du bist verantwortlich für deinen Freund

Wir begrüssen Hunde, die sich gut benehmen

Wir begrüssen Hunde, die sich gut benehmen

Ein beliebtes Fotosujet sind auch immer wieder die Ruinen der alten Kirchen und Klöster, denen man in der Stadt überall begegnet. Einige Ruinen werden als Museen benutzt, bei einigen hat man wieder etwas restauriert, von vielen stehen nur noch ein paar Fassaden und erzählen von der verlorenen Pracht der reichsten Stadt Guatemalas, als sie noch in ihren Glanzzeiten stand.

Die reichste und bestimmt auch die schönste Stadt des Landes ist es trotzdem noch immer.

Was auch stehen gelassen wird und zwar ganz bewusst, sind die verschiedenen Farbanstriche an den Mauern. Sie erzählen ganze Geschichten und einzelne Mauerstücke könnten schon fast als Kunstwerk gelten. Andere Häuser werden dafür wieder neu gestrichen. Möglichst in einer neuen Farbe. Es kann daher schon sein, dass ein Haus, das ich grün in Erinnerung habe, inzwischen auf rot gewechselt hat. Aber immer sind es diese ganz bestimmten erdigen Farben. Ocker, braunrot, gedämpftes Grün, Blau, Braun, Terracotta.

Die Stadt kann man als ganzes schlecht beschreiben, ich glaube, man muss sie selber gesehen, die Strassen selber abgelaufen sein, um den morbiden, kolonialen Charme zu verstehen.

Um sieben Uhr knattern mir die ersten Busse entgegen. Sie quälen sich über die Steine, ächzen, wenn sie an der Kreuzung anhalten. Dann steigt der Adjutant kurz aus, kontrolliert ob nichts aus den Querstrassen kommt und springt dann auf den anfahrenden Bus wieder auf. Eigentlich fahren sehr wenige Busse über die holprigen Strassen, denn der Busbahnhof ist am Rande der Stadt, da wo die Steine langsam zu einem Teerbelag wechseln.

Auch erste Tuctucs sind jetzt unterwegs, Kinder in Schuluniform werden von den Eltern in die Schule gebracht. Bunt gekleidete junge Mädchen sind auf dem Weg zu Familien wo sie als schlecht bezahlte Haushalthilfen arbeiten. Wenn man es sich leisten kann, hat man eine Muchacha. Es gibt ja nicht nur arme Menschen in dieser Stadt. Im Gegenteil, hinter den heruntergekommenen Fassaden leben sehr reiche Familien und die Innenhöfe, in die man manchmal einen Blick durch ein offenes Tor erhaschen kann, sind wunderschön, mit Brunnen und vielen Blumen.

Es ist Zeit fürs Frühstück. Diesmal kehre ich im Vieja Cafe ein. Ein altes französischens Restaurant mit eigener Bäckerei. Hier gibt es frische Brötchen und das Frühstück beginnt mit einem warmen Porridge, danach eine feine Omelette mit Avocado und den obligaten Frijoles.

Frühstück heute mal im Viejo Cafe

Frühstück heute mal im Viejo Cafe

Später entdecke ich ein Lokal mit Rooftop-Restaurant. Das muss ich mir merken, auch wenn es kaum höher sein wird, als die Terrasse bei meinem Hotel.

Vor einer schön gestrichenen gelben Kirche stehen viele Menschen Schlange. Allerdings stehen sie nicht beim Kirchentor, sondern bei der Türe daneben. Ich frage einen Passanten, was es damit auf sich hat.

Es ist die Kirche und das Spital Hermano Pedro. Gegründet von Franziskanern vor über 350 Jahren, kümmert man sich hier vor allem um die Armen und Kranken der Stadt. Es ist eine soziale Einrichtung und wird noch immer von Franziskanern geführt.

Wie ich später merke, stehen immer Leute davor. Leute, die Hilfe brauche, oder Leute, die auf ihre Angehörigen warten, die drinnen behandelt werden.

Gleich daneben ist der kleine Park mit den hohen Palmen und dem grossen Waschbrunnen. Früher haben hier die Frauen der Stadt ihre Wäsche gewaschen. Es gibt extra kleine Abteile, in die man das Wasser leiten kann und wo man der Wäsche mit Bürsten und viel Seife zu Leibe rückt. Heute scheint der öffentliche Waschplatz nicht mehr so oft benutzt zu werden. Einzig ein Mann ist im Moment da und wäscht ein paar wenige Kleider.

Das Wasser im Brunnen verleitet mich zu ein paar Spielereien mit der Kamera und ich nehme mir vor, später noch einmal herzukommen. Jetzt aber ist es Zeit, zum Hotel zurück zu kehren, denn Rebeca will mich dort am Mittag abholen.

Die Scooter sind ein neues Angebot in der Stadt

Die Scooter sind ein neues Angebot in der Stadt

Sie sind mir schon öfters aufgefallen, die Quads, die durch die Stadt kurven. Meistens gesteuert von jungen Touristen. Im Moment stehen sie noch in Reih und Glied vor dem Geschäft wo man sie mieten kann.

Das erinnert mich an eine lustige Anektote vor ein paar Jahren, als ich mit meiner Mutter hier war. Wir stiegen in ein Tuctuc und sagten, wohin wir wollten.

Donde es? Wo ist das? wollte der Tuctucfahrer wissen. Das wirst du wohl besser wissen, meinte ich verblüfft, worauf der Fahrer antwortete. Ich kenne mich hier nicht aus, hab das Tuctuc nur gemietet, eigentlich komme ich aus er Schweiz.

Meine Mutter konnte sich lange fast nicht mehr erholen vor lauter Lachen. Den Weg haben wir dann gemeinsam gefunden und verlangt hat unser Fremdarbeiter-Tuctuc-Fahrer nichts für die Fahrt.

So ein Missverständnis wird mit den Quads kaum passieren.

Vor der Kathedrale beim Park wird eine riesige Musikanlage aufgebaut. Ob da wohl heute Abend ein Fest stattfindet?

Vor der Kathedrale beim Park wird eine riesige Musikanlage aufgebaut. Ob da wohl heute Abend ein Fest stattfindet?

Rebeca war meine erste Spanischlehrerin hier in Antigua im Jahr 2000. Ich konnte damals ausser ein paar einzelnen spanischen Worten keine zusammenhängenden Sätze sprechen. Obwohl wir zu dieser Zeit regelmässig in Spanien in den Ferien waren.

Wir fingen also ganz einfach an. Mit den Basics, ich heisse Rebeca, ich bin Guatemaltekin, wie heisst du? Weiter ging es mit Farben, mit Materialien, mit den Zahlen, den Wochentagen. Täglich vier Stunden in einem Garten an einem kleinen Tisch. Nur sie und ich. Und am Nebentisch andere Schüler und Schülerinnen aus der ganzen Welt. Dafür ist Antigua bekannt. Für seine Sprachschulen.

Nach drei Wochen konnten wir uns tatsächlich über alles verständigen, ich hatte die Grundlagen der Sprache gelernt. Später bin ich noch verschiedene Male zurückgekehrt. Ging meistens am Vormittag zur Schule und war am Nachmittag in der Stadt unterwegs. Machte Aufgaben in Cafés oder erkundete Museen und Ruinen. Nicht immer war Rebeca meine Lehrerin, aber sie blieb meine beste Freundin, meine guatemaltekische Freundin. Einmal habe ich sie in die Schweiz eingeladen, was einen grossen und bleibenden Eindruck bei ihr hinterlassen hat. Sie meint noch heute, diese Reise hätte sie geformt, hätte sie von dem jungen schüchternen Mädchen zur Frau gemacht, die sie heute ist.

rasch noch ein paar Tortillas besorgen...

rasch noch ein paar Tortillas besorgen...

... und ein  paar Äpfel fürs Dessert heute

... und ein paar Äpfel fürs Dessert heute

Und sie ist heute tatsächlich eine moderne Frau, die weiss, was sie will. Entgegen der allgemeinen Tradition trägt sie die Haare kurz. Sie näht ihre Kleider selber, hatte zu jener Zeit einen Kurs gemacht und kann auch Schnittmuster selber herstellen. Sie schneidert auch für andere Frauen, Freundinnen. Spanisch unterrichtet sie noch heute, aber jetzt nicht mehr direkt vor Ort, sondern über Internet. Sie gehörte zu den ersten Lehrerinnen, die die neue Möglichkeit nutzten. Jetzt ist sie flexibler, kann von zu Hause aus arbeiten, genau wie vorher. Privatunterricht mit einer Person. Mit dem Mikrofon, der Tastatur und der Kamera ergibt sich ein direktes Feeling und ihre Schüler brauchen nicht hierher zu reisen. Wobei sie natürlich einen wesentlichen Teil des Spanisch-Lernens verpassen, aber das ist meine ganz persönliche Meinung.

Über online-Schooling hat sie auch ihren Mann von Barbados kennen gelernt und als er für einen Sprachaufenthalt selber herkam, haben sich die beiden richtig ineinander verliebt und sind seit ein paar Jahren verheiratet.

Ich habe Rebeca bei meinen Besuchen in Antigua immer wieder getroffen, früher auch in ihrem bescheidenen Heim, wo sie mit ihren Eltern und den Geschwistern wohnte, aber heute will sie mich zu sich in ihr neues Haus einladen. Dahin wo sie mit ihrem Mann und einer Schwester im Nebenhaus wohnt.

Der Ort liegt ziemlich weit ausserhalb der Stadt, wir brauchen daher den Bus. Endlich komme ich dazu, mit dem Chicken-Bus zu fahren. Bevor wir aber zum Busbahnhof gehen, will Rebeca noch etwas einkaufen. Ein paar Äpfel zum Dessert und vor allem Tortillas zum Mittagessen. Die Verkäuferin sitzt am Strassenrand, vor sich in einem grossen Korb mit vielen Tüchern die frisch gebackenen Tortillas. Es geht ganz schnell. Rebeca nennt die gewünschte Anzahl, reicht ihr ein Tuch und die Verkäuferin greift unter die Decke, holt die noch warmen Tortillas hervor und wickelt sie blitzschnell in das Tuch, damit sie Rebeca ohne Wärmeverlust gleich in ihre Tasche packen kann. Tortillas werden den ganzen Tag überall verkauft.

Danach steigen wir in den Bus, der sich langsam füllt. Wir haben die vordersten Plätze erwischt, denn der Bus ist eben erst in die Station gefahren. Aber es geht nicht lange, sind die meisten Sitze besetzt, wir können losfahren. Natürlich gibt es keinen Fahrplan. Wenn genügend Passagiere da sind, wird losgefahren. Das hindert den Adjutant, der das Geld kassiert, aber nicht, sich aus der Türe zu lehnen, und schon bald sein Ziel den Passanten auf der Strasse zu verkünden. Könnte ja sein, dass sonst noch jemand mitfahren möchte. Dann würde man selbstverständlich sofort anhalten. Mit einem Aufbrüllen erwacht der Motor, das Gefährt kämpft sich über die Steine. Man sitzt locker auf den harten Sitzen und wird bei jeder Unebenheit geschüttelt und gerüttelt.

Damit man den Lärm des Motors nicht so gut hört, dröhnt aus den Lautsprechern Musik und neuerdings gibt es ganz vorne sogar einen Bildschirm. Da könnte jetzt durchaus auch noch ein Musikvideo laufen. Der Blick nach vorne ist mit einer schwarzen Folie, die die halbe Windschutzscheibe verdeckt und Schutz vor der gleissenden Sonne verspricht, und ausserdem mit ganz vielen Heiligen- und Comicfiguren verstellt.

Der Adjutant lehnt aus der Türe, kontrolliert, ob jemand mitfahren will, ob andere Autos im Weg stehen, ob überhaupt alles in Ordnung ist, sowohl im Bus wie auch draussen. Im nächsten Dorf, es ist die alte Hauptstadt, Villa vieja, steigen ein paar Leute aus, andere steigen ein. Mit kleinen Kindern im Arm oder auf dem Rücken, mit Rucksäcken, vollen Taschen, die im Gepäcknetz über den Köpfen verstaut werden und dort manchmal abenteuerlich schaukeln. Solange sie nicht herunterfallen besteht kein Bedarf, sie richtig zu befestigen.

im kleinen Shuttle-Bus

im kleinen Shuttle-Bus

Probleme mit Kinderwagen gibt es keine, denn sowas braucht es in dieser Stadt nicht. Kinder werden lange herumgetragen, auch wenn sie längst laufen könnten. Und Bebes sind eh am besten im Tuch auf dem Rücken untergebracht. Die Sitze sind eng, denn eigentlich sind die Busse ausrangierte Schulbusse aus den USA, aber da die Menschen in Guatemala klein sind, passt das ganz gut. Obwohl, es gibt relativ viele korpulente Menschen. Die Hauptnahrungsmittel Maismehl und Frijoles gehören nicht gerade zu einer gesunden reichhaltigen Ernährung, gewährleisten höchstens den täglichen Kalorienbedarf. Aber irgendwie kommen alle Passagiere immer unter. Ich versuche, ein Video zu machen, denn diese Holperfahrten gehören ins Thema Abenteuer.

Als ich mir das Video später ansah, merkte ich, dass die ganzen Unebenheiten und das Gehopse gar nicht so wahr genommen werden, eine Freundin meinte gar, so eine Fahrt wäre wunderbar bequem, sogar mit Musik. Das kommt daher, dass meine Kamera das Geschüttel mitmacht und man als Zuschauer nichts spürt, wie man dauernd vom Sitz gehoben wird und aufpassen muss, nicht zum Sitz-Nachbarn gestossen zu werden. Eigentlich ist so eine Fahrt eher mit einer Runde im Schüttelbecher zu beschreiben.

essbare Blumen

essbare Blumen

Kinderwagen?  - nein danke!

Kinderwagen? - nein danke!

Nach einer halben Stunde steigen wir aus. Wir sind in einem kleinen Dorf. Hier kauft Rebeca in der Regel auf dem kleinen Markt ein. Es gibt hier alles. Sogar einen kleinen Supermarkt, eine Bank und einen Spielplatz für die Kinder. Wir gehen kurz in die Kirche, dann nehmen wir einen Shuttlebus, einen 10-Plätzer Ford mit Schiebetüre und 10 Minuten später steigen wir irgendwo aus. Ein schmaler Weg führt durch einen kurzen Waldabschnitt zu einem Quartier, wo alle Häuser im Anfangsstadion stehen. Mauern mit leeren Fenstern, Gitter davor, gestampfter abschüssiger Boden, eine Neubausiedlung.

Hier konnte sich Rebeca zusammen mit ihrer Schwester vor ein paar Jahren ein kleines Grundstück kaufen. Sie haben es aufgeteilt und leben nun in ihren Häusern, die langsam am Entstehen sind, Wand an Wand. Rossio ist es, ihre jüngste Schwester, die nebenan mit ihrem Mann und den beiden Kindern lebt. Rossio, die kleine Schwester, von der ich früher Zeichnungen mit vorgedruckten Comicfiguren bekommen habe, ist heute eine stämmige Frau, ich würde das scheue Mädchen nicht mehr erkennen. Aber ihr Lachen ist geblieben. Sie freut sich, genauso wie die beiden Töchter, Elisa und Ashley. Besuch aus der Schweiz. Wann hat man schon sowas?

Der erste Blick in den späteren Wohnraum zeigt eine moderne Atmosphäre. Das kommt vor allem dank dem weissen Beton-Block, unter dem sich der Wassertank verbirgt. Es war baulich anders nicht möglich, meint sie. Der Block kann als Tisch verwendet werden, es braucht dazu nur noch hohe Stühle. Von hier geht es hinauf zur Terrasse, die einen freien Blick über einen Wald und weit hinten zum Vulkan Fuego bietet. Heute ist der Himmel etwas verhangen, aber das Grün der Bäume tut den Augen gut.

Kurz gesellt sich Andrew, ihr Mann zu uns. Auch er ist Lehrer, er unterrichtet Englisch, ebenfalls online. Sein Arbeitsplatz ist im Schlafzimmer. Rebeca hat ihren in der Küche unter der Treppe eingerichtet. Dies ist bis jetzt der einzige Raum, der gegen aussen ganz abgeschlossen ist. Der Wohnraum ist gegen oben noch offen, das Dach besteht noch nicht lange. Darum ist in der Küche alle noch etwas improvisiert, denn alles was sie und ihr Mann besitzen, muss jetzt in diesem Raum unterkommen.

Mein Mann ist viel organisierter als ich, erklärt sie, sie sei die Chaotin in ihrer Beziehung. Auch dass ihr Mann zuerst nicht begeistert war, hier aufs Land, so weit weg von der Stadt zu ziehen. Heute gefällt es ihm sehr gut hier und eigentlich möchte er überhaupt gar nie mehr fort von hier. Nicht einmal wenn sie irgendwo eingeladen sind, mag er das Haus verlassen.

Wie muss das für ihn sein, er der von der Karibikinsel Barbados kommt, hier am Fusse des Vulkanes inmitten von Zentralamerika mit seinen grauen Regenzeiten. Leider hat er nicht viel Zeit für einen längeren Schwatz. Wahrscheinlich ist er tatsächlich am liebsten für sich. Und ausserdem hat er grad einen Schüler in der Leitung. Dass die beiden aber glücklich sind zusammen, kann man in ihren leuchtenden Augen lesen.

Für Rebeca ist ihre Familie sehr wichtig. Rossio mit ihrer Familie im Nebenhaus, eine andere Schwester mit ihrem Sohn nicht weit weg davon. Da sie selber keine Kinder hat, sind ihre beiden Nichten für sie das Wichtigste.

Heute hat sie gekocht. Schon bevor sie am Morgen mit dem Bus losgefahren ist, hat sie das Pepian aufgesetzt. Einen Hühnereintopf mit viel Tomaten, extra viel Chili, Knoblauch, Zwiebeln, Kartoffeln und Karotten. Dazu gibt es Reis.

Er schmeckt fein, das Fleisch ist so weich, dass es vom Knochen fällt, die Sosse ist mit vielen Gewürzen wunderbar abgeschmeckt und wir vertilgen tatsächlich den ganzen grossen Topf, den sie gekocht hat. Es sind aber auch alle gekommen, auch der Schwager, der ein wenig von seiner Arbeit erzählt. Er arbeitet bei der Stadtverwaltung von Antigua. Jeden Morgen fährt er mit seinem Motorrad noch bevor die Busse fahren, in die Stadt, wo er einer der Angestellten ist, die für die Reinigung zuständig sind.

Was ich vor ein paar Tagen gesehen hatte, ist Alltag. Jeden Morgen ab vier Uhr wird die Stadt geputzt. Alles muss sauber sein, wenn die Stadt gegen sieben Uhr erwacht, wenn die Händlerinnen kommen, die Touristen, der Markt anfängt. Ich bin beeindruckt. Es sind doch immer wieder die inneren Bilder, die korrigiert werden müssen. Bilder von schmutzigen Strassen, Abfallbergen. Immer wieder erkenne ich, dass alles gar nicht so ist, wie wir uns das vorstellen, wenn wir nur halbe Informationen aus unbekannten Gegenden bekommen.

Die Zeit vergeht wie im Flug, bald ist es Zeit, in die Stadt zurück zu kehren. Rebeca bringt mich zur Strasse, wo der grosse Bus vorbei fährt und auf unser Handzeichen anhält. Platz hat es nur noch einen, ganz zuhinterst. Ich versuche also, im fahrenden holpernden Bus mich bis dahin zu quetschen, ohne rechts und links die Passagiere zu sehr zu stupsen und geniesse dann die Aussicht von ganz hinten. Das ist noch einmal eine ganz andere Sicht, als bei der Herfahrt wo ich vorne gesessen bin.

Alle Sitze sind besetzt, aber es steigt doch immer wieder jemand zu. Dann versucht der sich zwischen die eng nebeneinander stehenden Bänke in die Mitte zu quetschen. Wichtig ist nur, dass niemand steht, wie bequem man sitzt, ist Nebensache. Irgendwie klappt es immer. Es steigen Leute aus, andere steigen ein, bis wir zurück in Antigua sind, haben alle wieder einen eigenen Sitzplatz.

Am Abend fand übrigens auf dem Platz ein Wahlkampfanlass statt. Ich habe davon nicht viel mitbekommnen, weil ich nach dem Tag ziemlich müde war und mich ins Zimmer zurückgezogen habe. Da ich kein direktes Fenster nach draussen habe, blieb der Lärm draussen und ich konnte gemütlich ein Buch lesen.

PS Das Dessert mit den Äpfeln habe ich mit meinen mitgebrachten Schokoladetafeln gleich gekippt. Das war zwar nicht vorgesehen, aber nicht zu verhindern.

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Am Start einer neuen Reise ist meist noch alles ganz klar. Nur das erste Ziel: Guatemala und später im Jahr eine Hochzeit in Mexika. Es wird also einmal mehr eine sehr lange Reise mit vielen Überraschungen. Ich freue mich über virtuelle Mitreisende und werde wie gewohnt über meine Erlebnisse berichten.
Details:
Aufbruch: 09.06.2023
Dauer: 7 Monate
Heimkehr: Januar 2024
Reiseziele: Guatemala
Mexiko
Der Autor
 
Beatrice Feldbauer berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
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