Mittelamerika
Markttag
Guten Morgen Freunde. Die Papageien bekommen jeden Morgen ihr Frühstück, wenn ich auch auf dem Weg zum Restaurant bin. Darum gehören hier auch jeden Tag ein paar Bilder von ihnen hin.
Heute ist Sonntag. Markttag in Chichi.
Es scheint heute tatsächlich mehr Leute zu haben, als alle Tage vorher. Auch vor der Calvaria-Kapelle sind bereits ein paar Menschen dabei, ihre Feuerriten abzuhalten. Da es in der Nacht geregnet hat, sind ein paar Wasserlachen vor der Kapelle liegen geblieben. Das bringt mich natürlich dazu, einen fotografischen kleinen See zu kreieren.
Mein nächster Gang geht in die Fleischabteilung, die ich erst gestern Abend entdeckt hatte. Ob die schon früher hier war? Ich kann mich nicht erinnern, dass ich so viele Fleischhändler in der Nähe der Kirche gesehen habe. Die Auslagen sehen frisch und sauber aus. Sie sind unter einem richtigen Dach, auch wenn die Wände offen sind und eine Marktatmosphäre herrscht. Nachdem ich mich hier umgesehen habe, lasse ich mich auf den Markt ein.
Es sind viel mehr Stände da heute, das fällt mir schon bei den ersten Schritten auf. Und sie bieten wie immer die ganze Vielfalt an. Nur leider hört das ewige, Amiga, que buscas? überhaupt nicht mehr auf. Ich würde gerne stehen bleiben, würde gern etwas genauer hinsehen, aber langsam gehen mir bei allem Verständnis für die Händlerinnen ihre ewigen Zurufe auf die Nerven.
Schön sind sie trotzdem, die Tischtücher, die Läufer, die Farben, die aufwändigen Handarbeiten, die in den Häusern, versteckt von der Öffentlichkeit von den Frauen - bestimmt sind es vor allem Frauen - erschaffen wurden und hier auf dem Markt angeboten werden.
Weil ich mich gestern mit dem Tod etwas befasst hatte, fallen mir heute die Totenköpfe auf. Wer kauft sich sowas, und wozu. Soll das ein Schmuck für den Schreibtisch sein. Ein Briefbeschwerer zum Beispiel? Etwas makaber sind sie schon, diese verzierten Totenköpfe, die in allen Grössen angeboten werden.
An einem anderen Stand finde ich die kleinen Sorgenpüppchen. Die hatte ich hier schon immer gekauft. Im Dutzend werden sie angeboten. Da muss ich zugreifen, denn ich habe die immer hier in Chichi gekauft. Wahrscheinlich kann man sie auch an anderen Orten in Guatemala kaufen, aber hier werden sie gemacht uns sind aus Erfahrung am Günstigsten. Früher wurden sie von kleinen Mädchen verkauft, die mir durch den ganzen Markt nachgelaufen sind. Heute gibt es diese Verkäuferinnen kaum mehr. Nur noch zwei erwachsene Frauen laufen mir zeitweise hinterher. Immerhin, die Kinderverkäuferinnen gibt es kaum mehr.
Auf der KIrchentreppe ist der Blumenmarkt heute viel umfangreicher als die letzten Tage und oben beim Portal sammeln sich die Leute, vor allem Männer zum gemeinsamen Weihrauch-Kessel-Schwenken. Die Kirche schenke ich mir, hab in den letzten Tagen oft genug gegen das verbotene Fotografierverbot verstossen.
Dafür fällt mir etwas neues ins Auge. Es gibt Hundehalsbänder und Leinen beim Verkaufsstand mit den Gürteln. Hatte nicht meine Schwester erzählt, dass sie gerne so ein Hundehalsband hätte, als ich ihr erzählte, dass ich früher immer schön verzierte Gürtel gekauft hatte, die ich dann beim Sattler zu einem Hundehalsband für meinen Hund kürzen liess. Jetzt gibt es sie fertig zu kaufen.
Also schiesse ich ein paar Fotos und schicke sie in die Schweiz. Wäre das was für deine Nia?
Bis eine Antwort kommt, suche ich einen Geldautomaten. Hätte ich besser gestern gemacht, denn heute kann man die Häuser hinter den Marktständen kaum sehen und ich muss mich durchfragen, bis ich sehe wo eine Bank steht. Doch die Türe ist versperrt. Ein Uniformierter mit einem Gewehr im Anschlag steht da. Komm in zehn Minuten wieder, meint er. Vielleicht wird der Automat neu gefüllt?
Etwas später, ich habe den Marktbereich verlassen, sehe ich die beiden Uniformierten wieder. Einer geht voraus, äugt vorsichtig nach allen Seiten, bevor er aus dem Schutz der Marktstände tritt. Das Gewehr bleibt im Anschlag. Der andere, mit einem offensichtlich schweren Paket auf den Schultern, bleibt dicht vor ihm, als sie die Strasse überqueren und zum in der Nähe wartenden Panzerfahrzeug gehen. Ob sie den Automaten aufgefüllt haben, ich mache einen Versuch und tatsächlich, es funktioniert.
Ich drehe eine Runde in der Gemüsehalle. Auch hier scheint das Angebot grösser zu sein, es sind mehr Marktstände, mehr Händlerinnen und mehr Käuferinnen. Tomaten und Gurken scheinen Saison zu haben, Daneben riesige Radieschen, verschiedene Kürbis- und Gurkengemüse, die ich nicht kenne. Kartoffeln, Zwiebeln, Maiskolben, Kabisköpfe. Es hat von allem viel zu viel. Ausser grosse Karotten. Dass die Früchte nicht hier drin verkauft werden, fällt mir erst auf, als ich mich etwas genauer mit den verschiedenen Gemüsesorten befassen. Die Früchtehändler sind draussen, zwischen den Marktständen mit den Handarbeiten und in der Nähe der Kirche. Dafür gib es hier in der Markthalle viele Blumen. Gladiolen, Chrisanthemen und Rosen.
Inzwischen ist eine Mitteilung meiner Schwester angekommen, mit genaueren Angaben zum gewünschten Hundehalsband. Ich gehe zurück zum Marktstand mit den Gürteln.
Der Verkäufer bei den Gürteln freut sich, dass ich zurück gekommen bin, doch fast scheitert der Kauf, denn die Hundehalsbänder sind nur 2 cm breit. Meine Schwester möchte für ihren grossen Doodle aber ein 3 cm breites Band. Das wären dann eben doch die Gürtel.
Ich kann dir den Gürtel kürzen, du musst mir nur die Masse geben, meint der Verkäufer, als er das Dilemma erkennt.
Na dann, los. Was jetzt abläuft ist ein richtiger online-Handel. Ich fotografiere Gürtel und sie erklärt, was ihr gefällt. Der grüne, nein, nicht so viel Violett, eher blau, der ganz rechts mit den eckigen Verzierungen. Es geht hin und her und am Schluss sind wir uns einig und José kommt zum Zug. Er hat sein Werkzeug dabei, kappt den langen Gurt, versetzt die Schnalle, arbeitet mit seiner Lochzange und Hammer und am Schluss bekomme ich zwei wunderschöne Hundehalsbänder und das erst noch zum normalen Preis eines Gürtels.
Grüsse in die Schweiz, meint Jose, als ich mich von ihm verabschiede. Der ganze Kauf hat eine halbe Stunde gedauert. So liebe ich es, auf den Markt zu gehen.
Ich hab noch einen weiteren Wunsch einer Freundin, den ich gern erfüllen möchte, nur habe ich bei keinem Stand das Gesuchte gefunden. Also frage ich bei einem Händler, der Steine anbietet, wo es denn Weihrauch zu kaufen gäbe.
Da hinten, hinter diesen Ständen , da bekommst du Weihrauch, meint er. Tatsächlich, etwas versteckt hinter einem Stand mit wunderschönen Tischdecken entdecke ich einen Stand mit Kerzen, grossen Puros und all den Dingen, die man für die Huldigungen in der Kirche und dem Friedhof braucht. Hier gibt es auch Weihrauch. Wieviel willst du? eine Unze? zwei?
Ich hab keine Ahnung, wieviel eine Unze ist, sie legt zwei Gewichte in ihre Waagschale und schöpft feine Weihrauchkiesel in die andere. Fünf Unzen, das sollte reichen.
Jetzt ist mein Bedarf an Markt gedeckt, ich brauche nur noch einen Schirm, denn morgen fahre ich zurück an den See. Mal sehen, ob ich einen schönen farbigen Schirm finden kann.
Bein Schirmhändler zeige ich meine Schirmgalerie und erkläre dem verdutzten Verkäufer, dass ich nur einen Schirm für ein Selfie ausleihen möchte. Er findet die Idee witzig und hilft mir, den richtigen zu finden. Einen, bei dem das Sujet auch von der Innenseite her sichtbar ist.
Jetzt hast du ein Recuerdo von Chichi, meint er und hängt Schirm wieder zu den anderen, die an einer Stange am Marktstand hängen.
Heute fahre ich also zurück. Zurück an den See nach Panajachel. Mario hat mir einen Fahrer geschickt, der pünktlich vor dem Hotel steht. Wir fahren fast ohne Stopp durch nur einmal, als ich sehe, dass da ein Mirador angeschrieben ist, bitte ich Manuel, kurz anzuhalten. Irgendwo in der Höhe geht der Blick weit übers Land. Nebenan bei einem Hotel gibt es sogar eine Terrasse, die hoch über den Abgrund gebaut wurde. Überall gibt es heute diese Foto-Hotspots.
Wir fahre weiter. Als wir bereits in der Nähe des Sees sind und ich aus dem Auto einen ersten Blick auf die heute fast wolkenlosen Vulkane erhasche, bitte ich Manuel, noch einmal anzuhalten. Doch er winkt ab. Eben hat er einen Telefonanruf vom Chef erhalten. Wir sollen durchfahren, es könnte sein, dass die Strasse nach Panajachel jeden Moment gesperrt wird. Es gab Erdrutsche. Und wenn die Strasse gesperrt wird, gibt es nur noch einen riesigen Umweg, der uns mindestens eine Stunde Zeit kosten würde.
Also versuche, ich, die Aussicht aus dem Auto zu erhaschen. Wahrscheinlich hat mein intensives Knipsen mit wenig Erfolg dann aber doch seine Wirkung. Kurzer Halt, 2 Minuten, halte deine Kamera bereit.
Wie der Blitz bin ich aus dem Auto, drücke kurz am schönsten Aussichtspuntk und bin gleich wieder zurück. Es kann weitergehen. Abgesehen von einem kurzen Verkehtsunterbruch bei einem der Erdrutsche erreichen wir den See ohne weitere Zwischenfälle.
Es ist fast wie nach Hause kommen, als ich nach der Überfahrt über den See under kurzen Tuctuc-Fahrt in meiner Unterkunft ankomme.
Spannend, wie vertraut mir mein Zimmer und mein Garten inzwischen geworden sind. Ich melde mich bei David, und wir treffen und später im Bamboo. Er hat mir ein kleines Geschenk mitgebracht. Respektive, er macht es mir auf der Stelle.
Einen von seinen Kugelschreiber, mit meinem Namen in Multicolor.
Aufbruch: | 09.06.2023 |
Dauer: | 7 Monate |
Heimkehr: | Januar 2024 |
Mexiko