Mittelamerika

Reisezeit: Juni 2023 - Januar 2024  |  von Beatrice Feldbauer

Bonanzo-Party

Daniel, der Taxifahrer, der mich gestern zurück zum Hotel gebracht hat, hat mir vom Partyschiff erzählt, das Abends in der Bucht von Acapulco kreuzt. Das fand ich ganz interessant und hab bei ihm gleich eine Reservation gemacht. Taxifahrer sind immer gut mit Tipps und ich wollte ja heute vor allem Schreiben. Da ist es gut, am Abend noch ein wenig raus zu kommen.

Nach einem leichten Frühstück setze ich mich also hin...

Ich hab mich entschlossen, die letzten Wochen vorläufig zu ignorieren und wieder aktuell zu schreiben. Das liegt mir besser, auch wenn im Moment nicht viel los ist.

Zugegeben, es bleibt nicht nur beim Schreiben, hab im Moment ein spannendes Buch, bei dem ich nicht weiss, wie es ausgeht. Und dann ziehe ich noch mein Mittagsschläfchen ein. Also bringe ich den Tag ohne weitere Probleme durch.

Zum Sonnenuntergang gibts Spaghetti Bolognese. Ich dachte an ein leichtes Nachtessen, aber das ist in Mexiko nicht möglich. Die Portionen sind riesig und oft mit dicken mastigen Sossen - oder mit ganz viel Käse darüber. Hat allerdings sehr gut geschmeckt und die Pasta war perfekt al dente.

Dann fahre ich mit dem Taxi hinunter an den Quai, wo die Bonanza liegt. Sie scheint eben erst von der ersten Tour zurück gekommen zu sein, das Schiff ist noch voller Menschen, die jetzt noch den letzten Tanz beenden und dann aussteigen. Es dauert nur fünf Minuten, dann darf ich mit den ersten an Bord gehen - und staune.

Dass da soeben gut 300 Leute gefeiert haben, sieht man nicht. Bereits sind alle Stühle wieder richtig aufgestellt, der Boden sauber, keine Spuren einer Party mehr zu sehen. Nur die Männer, die Getränkeflaschen an Bord tragen, sind noch eine ganze Weile beschäftigt.

Es gibt zwei Decks, zwei Bühnen und vor lauter Leere weiss ich gar noch nicht, wohin ich mich setzen soll. Also gehe ich ganz hinauf und geniesse den ruhigen Abend mit dem Mond, der voll und rund eben hinter den Wolken hervor gekommen ist.

Langsam trudeln die Leute ein, voll wird es wohl für diese Fahrt nicht, aber am Schluss werden es gegen 100 Leute sein. Es hat also genügend Platz.

Der DJ, der im zweiten Deck Musik auflegt erklärt die Spielregeln. Im Ticketpreis sind freie Getränke dabei. Es gibt Bier und Süssgetränke im Offenausschank, Rum, Tequila, Whisky und Gin können ebenfalls frei an der Bar geholt werden. Minimalbezug sind 100 Drinks, ruft er durchs Mikrofon. Nein, nicht Maximal, Minimalbezug.

Ausgeschenkt wird in Plastikbechern und da bittet er, dass diese möglichst mehrmals benutzt werden sollen und unbedingt in den Abfallkübeln entsorgt werden müssen. Auf keinen Fall darf Plastik im Meer landen, weil es da jahrhundertelang nicht verrottet und ausserdem den Meeresbewohnern schadet. Dieser Punkt scheint DJ Pedro speziell wichtig zu sein, er wiederholt diese Anweisung später noch zweimal. Im Übrigen spielt im Deck eins eine Liveband und oben sorgt DJ Pedro für gute Stimmung. Später wird es noch eine Live-Show geben und jetzt heisst es Schiff Ahoi, wir stechen in See.

Das Publikum ist sehr gemischt. Viele junge Frauen in Partystimmung setzen sich gleich in die erste Reihe bei der Bühne. Ein paar Männergruppen in verschiedenem Alter, viele Paare, aller Altersstufen und einige Familien mit kleinen Kinder, sogar Babys.

Nachdem ich eine Weile unten bei der Liveband gesessen bin, wechsle ich in die zweite Etage. Die Bässe der Liveband waren da unten so laut und so stark, dass der ganze Boden fibrierte, mitsamt den Tischen und Stühlen, die am Boden fest verschraubt sind. Sie müssen wohl so laut spielen, um die Musik des Diskjockeys zu übertönen. Ich hole mir an der Bar ein Bier und setze mich oben auf einen der Klappstühle bei der Bühne.

Wir sind unterdessen draussen in der Bucht, neben uns die Silhouette von Acapulco, über uns der Mond. Neben uns ein paar Möven, die wahrscheinlich die Mücken fangen, die vom Licht des Schiffes angelockt worden sind. Das Schiff hat leichten Seegang, denn wir sind knapp ausserhalb der Bucht. Nach einigem Zögern füllt sich die Bühne mit Paaren aller Altersstufen. Mexikaner lieben das Feiern. Sie lieben Partys. Frauen tragen blinkende farbige Diademe in den Haaren, kurze Röcke, während die Männer eher in schwarzen Hosen und farbigen Hemden eine gute Figur machen. Oder sie stossen ihre runden Bäuche stolz vor sich her, während sie für die Familie Getränke besorgen.

Inzwischen fängt die Show an. Ein Tanzpaar zeigt einen Showtanz und ein Sänger lädt die Damen ein, mit ihm die bekannten Lieder mitzusingen.

Ein paar Reihen vor mir fällt mir ein älterer Mann auf. Auch er allein mit sich und völlig zufrieden. Dass er tatsächlich einen Minirock trägt und ein leichtes Oberteil im gleichen Schlangenleder-Design fällt mir erst mit der Zeit auf, als er auf die Bühne geht. Gedankenverloren macht er ein paar Schritte, scheint die Stimmung zu geniessen, während rund um ihn immer mehr Paare dazu kommen. In seinen kurzen weissen Socken mit den schwarzen Halbschuhen, den behaarten Beinen und Armen, seinem modischen weissen Haarschnitt gibt er tatsächlich eine eigenartige Figur ab.

Aber er hat seinen Frieden. Bis ein junger attraktiver Mann kommt und mit ihm tanzen will. Unwirsch weist er ihn ab, lässt sich nicht auf die Schultern klopfen und bleibt bei seinem in sich gekehrten Tanzen. Worauf der Mann abzieht und sich in der Nähe zu seinem Kollegen setzt.

Da ich ganz in der Nähe sitze, kann ich die Szene gut beobachten. Auch, dass der junge Mann später wieder zum Älteren kommt, sich offenbar entschuldigt und die beiden mit der sich treffenden Faust Frieden schliessen. Doch dann kommt der Junge und setzt sich neben den Mann, was diesem mit seinem abgewandten Oberkörper definitiv nicht behagt. Doch so langsam kommen die beiden ins Gespräch und als das klappt, holt der Junge seinen Kollegen dazu und der ältere Mann sitzt jetzt zwischen den beiden. Es wird ein wenig getrunken, dem Sänger, der inzwischen auf der Bühne steht und dem die jungen Mädchen schmachtende Blicke zuwerfen wird ebenfalls zugewunken, die Stimmung ist locker.

Und plötzlich fliegen die Fäuste.

Ich habe gar nicht verstanden worum es ging. Hatte eben noch ein Video vom Sänger gemacht, als ein dritter Mann zu der Gruppe vor mit trat und einem der anderen auf der Schulter klopfte. Der drehte sich um und schlug zu, worauf auch der zweite sich einmischte. Ich bin so perplex, dass ich überhaupt nicht mitbekomme, worum es geht. Rund um mich liegen die Klapp-Stühle auf dem Boden, mein Bier, das ich auf einen gestellt hatte, fliegt im hohen Bogen weg und ich suche mein Handy. Das hatte ich aber bereits in der Handtasche versorgt. Also versuche ich, schnellst möglichst, mich über das Chaos der Stühle in Sicherheit zu bringen, denn am Boden neben mir, liegen inzwischen gegen 10 Männer. Es sind aber vor allem die Angestellten, die Matrosen, die versuchen, die Situation zu deeskalieren und die Kontrahenden zu trennen.

Kurz darauf setzt die Musik wieder ein, die Männer sind verschwunden, der Sänger abgetreten und die Party geht weiter. Ich hole mir noch einmal ein Bier, setze mich etwas weiter weg. Der Mann im Minirock sitzt weiterhin am gleichen Ort, unbeteiligt, als ob nichts gewesen wäre. Später geht er wieder auf die Bühne und gibt sich der Musik hin. Also gar nichts passiert. Hitzköpfe, Alkohol und Musik ergibt wohl eine eigene Stimmung.

Pünktlich um elf Uhr legen wir am Quai an, wo die Taxifahrer auf Gäste warten.

Zur Quebrada, sage ich, worauf mich der junge Taxifahrer verständnislos anschaut.
Das geht jetzt nicht.
Nein, warum nicht?
Die springen jetzt nicht mehr, es ist zu spät.
Ich will doch nur in mein Hotel, die Clavados hab ich doch längst gesehen.
In dem Fall geht es selbstverstänlich
, lacht jetzt mein Taxifahrer und fährt mich ohne weitere Verzögerung zu meinem Hotel.

Es war ein schöner Abend, auch wenn ich mir etwas mehr Show und weniger Party vorgestellt hatte. Und auf die Extra-Schlägerei-Show hätte ich verzichten mögen, aber hey, das ist eben Mexiko. VIVA MEXICO!

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Am Start einer neuen Reise ist meist noch alles ganz klar. Nur das erste Ziel: Guatemala und später im Jahr eine Hochzeit in Mexika. Es wird also einmal mehr eine sehr lange Reise mit vielen Überraschungen. Ich freue mich über virtuelle Mitreisende und werde wie gewohnt über meine Erlebnisse berichten.
Details:
Aufbruch: 09.06.2023
Dauer: 7 Monate
Heimkehr: Januar 2024
Reiseziele: Guatemala
Mexiko
Der Autor
 
Beatrice Feldbauer berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
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