Mittelamerika
Der grosse Markt
An dieses Frühstück könnte man sich gewöhnen. Im Cafe Condesa gibt es eine ganze Auswahl an verschiedenen Varianten und immer gehören Früchte und Eier dazu. Was wäre Lateinamerika ohne Hühner und Eier. Ich weiss allerdings nicht, ob auch die Einheimischen ihr tägliches Ei bekommen. Die Armut in diesem Land ist noch immer gross.
Das würde man allerdings nicht vermuten, wenn man auf den Markt geht. Das Angebot dort ist überbordend.
Auf dem Weg zum Markt komme ich am Mc Donalds vorbei. Als ich das erste Mal hier war, gab es ihn noch nicht, zu gross waren die Auflagen für den Riesenkonzern. Er glaubte wohl, er würde sich schon behaupten und mit seiner üblichen grossen Werbe- und Farbenpräsenz einfahren. Doch Antigua, die alte Stadt, die zum Unesco Welterbe gehört, hat sich durchgesetzt. Ganz diskret hängt das goldene Symbol über der Türe, hinter der die Big Macs verkauft werden. Man muss schon genau hinsehen, um ihn nicht zu verpassen. Genau gleich der Burger King auf der anderen Strassenseite. Auch hier gibt es nur das Symbol neben der Türe.
Ganz toll hat Starbucks das Problem gelöst. Beim letzten Mal habe ich ihn noch gar nicht gesehen, vielleicht weil er mir einfach nicht aufgefallen ist. Es gibt einen wunderschönen Innenhof mit Blumen und bequemen Sitzen und an den Wänden im Lokal gibt es fantasievolle riesige Wandgemälde von Frauen in typischen Kleidern mit Kolibri-Köpfen beim Kaffeepflücken.
Die Stadt hält auch für mich immer wieder Überraschungen bereit. Es gibt jedes Mal neue Läden mit vielen farbigen Handarbeiten, riesige Markthallen, in die man durch schmale Gänge gelangt. Modische Boutiquen mit fantasievollen Kleidern, elegante Schmuckläden mit Jade und Silberschmuck. Man könnte hier problemlos sein ganzes Ferienbudget liegen lassen.
Doch ich will mich nicht in den Boutiquen verlieren, ich will heute auf den Markt. Zwar gibt es einen Supermarkt, auch den erkennt man nicht auf den ersten Blick, doch die Menschen hier besorgen das Meiste für den täglichen Bedarf auf dem grossen Markt.
Der Markt ist ein riesiger unübersichtlicher Bereich aus Verschlägen und einfachen Hütten, zusammenhängende Eisenkonstruktionen, mit schwarzer Plastikfolie oder Wellblech überdeckt. An den Decken, die manchmal hoch, manchmal niedrig sind, hängen Glühbirnen. Es ist dunkel da drinnen, aber man findet alles. Alles für den Haushalt, jegliches Plastik und Porzellangeschirr, Kleider, Waschmittel, Seifen, Medikamente, Bettdecken, Wolldecken, Jacken, Jeans. Alles ist vorhanden. Ich suche eine Seifenschale, muss allerdings ziemlich lange suchen, bis ich eine passende finde. Doch das ist ja gerade der Reiz, damit habe ich allen Grund, alle Stände zu durchstöbern.
Weiter hinten unter den Blechdächern komme ich zum Gemüse- und Früchtemarkt. Ein Markt in Guatemala ist doppelt farbig. Nicht nur das Angebot mit all den frischen exotischen Früchten enthält alle Farben. Zusätzlich dazu sind es die Frauen in ihren typischen farbigen Kleidern. Jede Frau trägt das einheimische Kleid, die typischen Farben ihres Ortes. So kann man, wenn man sich auskennt, an den Kleidern erkennen, woher die Händlerinnen und die Käuferinnen kommen.
Typisch ist der gewickelte lange Rock in eher gedämpften Farben. Schwarz, grau, blau oder braun, aber immer mit eingewobenen Fäden, die jeden einzelnen Stoff einmalig machen. Dazu kommen die kurzen Blusen, die oft seitlich offen sind und mit einem breiten Band in den Jupe gebunden sind. Die Blusen werden Huipiles genannt. Sie können wunderschön bestickt sein, mit Blumen oder Vögeln, oder sie sind farbig gewoben. Es ist ein ziemlich fester Stoff, ich staune immer, wie die Frauen ihre Kleider ertragen an solchen Tagen wie heute, wenn es bis zu 30 Grad heiss werden kann. Die Blusen haben kurze Ärmel und wenn es gegen Abend kälter wird, holen die Frauen gestrickte Jacken aus ihren grossen Umhängetaschen.
Eigentlich komme ich vor allem auf den Markt zum Fotografieren. Noch immer mögen es die Frauen nicht so sehr, wenn man ihnen mit der Kamera zu nahe kommt, aber gegenüber früher ist es lockerer geworden. Auch sie tragen ihre Handys in den Taschen, auch sie machen ihre Selfies, ihre Fotos mit den Kindern. Manchmal dreht eine den Kopf, wenn sie mich sieht, dann entschuldige ich mich und verspreche, dass ich nicht abdrücken werde, auch wenn sie wieder in meine Richtung schaut.
Quer gemischt gibt es nicht nur frische Produkte. Ganz gross ist das Angebot an verschiedenen getrockneten Bohnen. Weisse und schwarze, Kleine oder grosse. In grossen Säcken oder in kleinen Schalen. Daneben Chili, getrocknet in allen Grössen oder frisch. Kräuter, ganze Berge davon. Und Nüsse. Und, wer hätte das gedacht, es gibt auch ein riesiges Angebot an Tierfutter. Trockenfutter für Hund und Katze. Gleich neben den schwarzen Bohnen und den Säcken voller Reis. Wichtig ist nur, dass man weiss, was man kauft, resp. verkauft. An den Ständen sitzen sowohl Frauen wie Männer, es hält sich die Waage. Käufer sind aber vor allem Frauen.
Bei den frischen Früchten scheinen die Erdbeeren Saison zu haben. Überall findet man sie. Kleine süsse, knallrote Früchte. Daneben natürlich das gesamte Angebot über Ananas, wunderschöne Mangos, riesige Papayas, glänzende Äpfel und Bananen. Jede Sorte Bananen. Von den kleinen süssen bis zu den harten grünen Kochbananen.
Und immer wieder gibt es auch Imbissstände. Kleine Restaurantbetriebe mit farbigen Tischdecken über niedlichen runden Tischen oder lange Tische mit vielen Mixern, wo man sich seinen Smoothie zum Frühstück zubereiten lassen kann. Und selbstverständlich werden überall frische Tortillas gebacken. Diese kleinen Teigfladen, die von Hand geformt auf einer heissen Platte ein paarmal gedreht und dann gleich in Tücher gepackt verkauft werden. Ich glaube, Tortillas isst man nur frisch. Entweder man macht sie selber frisch im Haus oder man geht am Morgen hinaus, um sie zum Frühstück möglichst noch warm zu kaufen. Tortillas werden aus Maismehl gemacht. Zusammen mit den Frijoles, den pürierten schwarzen Bohnen sind sie das Hauptnahrungsmittel Guatemalas.
Langsam arbeite ich mich tiefer hinein in das Gewühl, bekomme etwas Übersicht über das Angebot. Finde den Blumenmarkt und irgendwann, nachdem ich mich etwas durchgefragt habe, auch den Fleischmarkt.
Die Mayagötter haben die Menschen aus Maismehl geschaffen. Das erklärt die verschiedenen Hautfarben. Und auch, warum Guatemalteken immer Mais essen müssen. Sie sind die Nachkommen der Mayas.
Hier hängen die Fleischstücke an Haken an der Decke über der Theke. Der Metzger schneidet nach Bedarf ein gewünschtes Stück weg, legt es auf die Waage, die ebenfalls über der Theke hängt. Dann wird es in einen Plastiksack gesteckt und der Kundin überreicht. Auch Würste hängen da, in Schalen sind getrocknete Fleischprodukte oder bereits marinierte Fleischstücke. Fast wie bei uns.
Auch die Hunde haben den Fleischmarkt für sich entdeckt. Drei liegen brav vor einem grossen Fleischstand und beobachten den Metzger mit seinem grossen Messer. Keinen Mucks geben sie von sich und sie lassen sich auch nicht von den Kundinnen stören, die fast über sie hinweg steigen müssen. Es ist ein stilles Übereinkommen. Niemand stört den anderen oder lässt sich von jemandem aus der Ruhe bringen.
Daneben gibt es die Angebote von Hühnern. Ganze geschlachtete Tiere, oder Teile davon. Zum Beispiel Hühnerbeine. Oder einzelne Köpfe. Alles ist auf weissen Keramikplatten ausgelegt.
Von irgendwoher höre ich Musik. Eine Gitarre mit einem Sänger. Es ist ein älterer Mann, der bei einer Fleischerfrau vor der Theke steht und singt. Er strahlt, als ich meine Kamera zücke. Applaus ist das Brot des Künstlers. Am Schluss bekommt er sowohl von mir wie auch von der Frau hinter dem Tresen einen kleinen Obolus und bedankt sich mit einem Segensspruch. Que dios te bendiga.
Wir sind zwar weit weg vom Meer, aber das Angebot an frischen und getrockneten Meeresfrüchten ist überraschend gross.
Etwas weiter stosse ich auf einen Stand mit Tieren. Winzige Kätzchen liegen in einem Käfig, ein paar Wellensittiche zwitschern in einem anderen. Und am Boden liegt ein grosser Korb unter dem ein paar Hühner gackern..
Auch Pflanzen werden verkauft. Frisch gezogene Orchideen, kurz vor dem Blühen. Oder andere Pflanzen, die bei uns Topfpflanzen sind, hier aber bestimmt in den Garten gepflanzt werden. Und immer wieder Blumen. Rosen, Lilien, Chrysanthemen. Ich sehe eine Weile dem Blumenbinder zu. Er steckt Rosen zu einem schönen Kranz. Auf Bestellung für eine Beerdigung. Solche Arbeiten werden vor allem auf Bestellung gemacht, meint er und lächelt.
Ich habe mich durch den ganzen Markt gearbeitet. Bin zwischen den Ständen durch und auch in der grossen Halle, wo plötzlich keine Tische mehr da sind, weil die Frauen hier ihre kleineren Angebote auf dem Boden ausgebreitet haben und daneben sitzen. Das ist noch einmal eine ganz andere Atmosphäre, ich nehme an, dass es hier Direktanbieter sind, die nur das anbieten, was sie von ihrem eigenen Stück Land geerntet haben, während andere zugekaufte Waren anbieten.
Plötzlich bin ich wieder draussen, an der frischen Luft. Das heisst, so frisch ist sie nicht wirklich, denn gleich hinter dem Markt befindet sich der Busbahnhof. Hier ist die Sammelstation für alle Busse, die von oder nach Antigua fahren. Es ist ein ewiges Kommen und Gehen. Die einen stehen hier und werden geputzt. Glänzen muss der Chrom an den alten Bussen, die mehrheitlich aus den USA eingeführt wurden, weil sie dort ihren Dienst erfüllt hatten. Hier in Guatemala können sie noch lange durch das Land fahren. Mit ihren starken Motoren und den dicken Abgaswolken knattern sie über die Strassen des Landes.
Sie tragen wunderschöne Namen, heissen Esmeralda, Anamaria, Dorita, Gabriela oder andere schön klingende Frauennamen. Die Chauffeure sind immer Männer, das Transportgeschäft ist fest in Männerhand. Daneben hat jeder Bus einen Adjutanten, dieser lehnt sich aus der Türe, ruft sein Ziel aus und versucht, möglichst viele Passagiere einzufangen. Denn einen Fahrplan gibt es nicht, wenn der Bus zur Hälfte gefüllt ist, wird losgefahren. Angehalten wird da, wo Leute stehen und mitfahren wollen.
Ich schaue dem Treiben eine Weile zu und wende mich dann dem anderen Markt zu.
Hinter dicken Mauern gibt es den Handarbeitsmarkt. Hier werden all die wunderschönen Handarbeiten angeboten, die Guatemala zu bieten hat. All die farbigen Stoffe, die Tischdecken, handgewebten Jupes, die Lederarbeiten, die Holzschnitzereien. Ich bin allerdings weniger an den Angeboten interessiert, aber ich weiss, dass es hier drin zwei schöne ruhige Plätze mit Brunnen und Bänken gibt.
Ich will mich erst ein wenig sammeln, meine Eindrücke verdauen, meine Füsse ausruhen. Augen und Kamera sind wieder einmal übervoll geworden.
Ich hole noch meinen Rucksack bei Ruth ab. Ihr Bruder hat ihn perfekt geflickt und ich brauche vorläufig keinen neuen. Dafür gebe ich ihr meine Handtasche aus Kaschmir mit. Auch die kann ein paar Stiche ertragen, damit ich nicht unverhofft den Henkel verliere.
Später am Abend gehe ich zum Nachtessen in die Posada de Don Rodrigo in der Nähe des Arco. Hier wird zum Essen Marimba gespielt. Es ist das gleiche Instrument, das schon seit Jahren hier steht. Aber es sind nur noch 5 Männer, die daran spielen. Früher standen 10 Männer hinter dem grossen Xylophon mit den riesigen Klangkörpern, die unter den Tasten hängen. Sie spielten jeden Nachmittag im schönen Innenhof und am Abend im Restaurant. Heute scheinen sie nur noch am Abend im Einsatz zu sein.
Nach dem Essen gibt es eine kleine Showeinlage mit ein paar Tänzern unter furchterregenden Masken und farbigen Kleidern. Das Ganze sieht eindrücklich aus, die farbigen wechselnden Lichter verhindern allerdings schöne Fotos. Doch ich glaube, das stört nicht wirklich, die Gruppe Amerikaner am anderen Tisch jedenfalls knipst unablässig und die jüngeren Leute mischen sich kurz in den Tanz. Nachher werden die Masken gelüftet und es gibt noch eine kurze Fotosession mit den Männern und Frauen, die sich unter den Masken versteckt hatten. Eine farbige Touristenattraktion. Auch ich hab natürlich alles versucht, ein paar brauchbare Bilder zu ergattern. Gelungen ist es mir nicht wirklich.
Aufbruch: | 09.06.2023 |
Dauer: | 7 Monate |
Heimkehr: | Januar 2024 |
Mexiko