Mittelamerika

Reisezeit: Juni 2023 - Januar 2024  |  von Beatrice Feldbauer

Mariachis

Ich suche einen Waschsalon. Bisher habe ich keinen gesehen, aber ich war ja auch nur in der City, im Zentrum unterwegs, vorbei an den glänzenden Auslagen der Geschäfte. Waschsalons sind meist eher etwas abseits. Also gehe ich der Strasse hinter dem Hotel entlang und irgendwo frage ich eine Frau, die gerade den Gehsteig vor ihrem kleinen Imbiss wischt. Gibt es in der Nähe eine Lavanderia?

Sie muss einen Moment überlegen und zeigt dann in eine Richtung. Ja, da müsste eine sein, ein paar Blocks weiter. Zuerst geradeaus bis zur grossen Farmacia, dann links abzweigen, ein paar Blocks weiter, da müsste eine sein. Ganz genau weiss sie es nicht, aber ich bedanke mich und finde bald die grosse Apotheke. schwenke links ab und komme in ein Quartier mit Pneuhändlern. Es ist immer wieder interessant, wie in diesen Städten die gleichen Betriebe auch alle am gleichen Ort sind. Die Konkurrenz muss daher gross sein. Wo man in unseren Ortschaften und Städten eher auf eine gute Durchmischung achtet, gibt es hier ganze Strassenzüge mit ähnlichen Geschäften mit gleichen Angeboten. Hier sind es Pneuhändler.

Hier werden die Verkaufswagen mit Nüssen und Süssigkeiten bereit gestellt, die dann im Zentrum auf den Plätzen stehen.

Hier werden die Verkaufswagen mit Nüssen und Süssigkeiten bereit gestellt, die dann im Zentrum auf den Plätzen stehen.

Plattfuss

Plattfuss

Die Pneus stapeln sich auf den Gehsteigen, in den offenen Werkstätten, auf abgestellten Lieferwagen. Neugierig wie ich nun mal bin, will ich gern wissen, was mit den offensichtlich längst abgelaufenen Reifen passiert und frage einen Mann, der dabei ist, das Aufladen seiner Altpneus zu überwachen.

Werden die Pneus entsorgt? Weggeworfen? Nein, erklärt mir Arturo - natürlich stelle ich mich ziemlich bald vor und erfahre daher auch den Namen meines Gesprächspartners. Die Pneus werden weiter verkauft. Sie werden für Fahrzeuge benutzt, die nicht auf die Strasse kommen. Landwirtschaftliche Fahrzeuge, Baumaschinen zum Beispiel. Oder sie werden wieder aufgummiert und können wieder für Autos verwendet werden.

Ist immer interessant, nachzufragen.

Arturo, der Pneuhändler

Arturo, der Pneuhändler

mechanische Werkstatt

mechanische Werkstatt

Ich gehe weiter, mein Bündel Wäsche unter dem Arm. Die Strassen sind ruhig, Die Bilder an den Wänden bestehen eher nur aus Schriftzügen. Nichts künstlerisches, nichts nettes. Auch die Bilder sind eher derb, grell.

Am Strassenrand sind Autos mit platten Reifen abgestellt. Da ist noch einige Arbeit für die Pneuhändler.

Es sind einfache kleine Gewerbe, die sich hier angesiedelt haben. Keine Restaurants, höchstens mal ein Imbiss. Und bei so einem frage ich nach drei Blocks noch einmal nach der Wäscherei. Doch, es gibt sie, die nächste Strasse rechts bis zur Avenida, da muss sie sein. Ich bedanke mich, gehe weiter, kann ja nicht mehr weit sein, jedenfalls ist die Richtung noch immer richtig.

Ersatzteilhändler

Ersatzteilhändler

Gummi-Händler

Gummi-Händler

Automechaniker... resp. Pneuwechsel

Automechaniker... resp. Pneuwechsel

Plattfuss

Plattfuss

Nach den Pneuhändlern kommen die Elektrogeschäfte. Keine Hochglanzläden, eher Gebraucht-Geräte werden hier verkauft. Dafür alles kreuz und quer vermischt. Und bestimmt würde man hier noch die eine oder andere Ergänzung oder ein Ersatzteil für die heimische Anlage finden. Die Strassen sind schmal, meist Einbahnstrassen mit parkierten Autos auf einer Strassenseite.

Viele Häuser machen einen verwahrlosten Eindruck. Verschiedene Farbanstriche kann man erkennen, Mauerwerk hinter abgefallenem Verputz. Leere Fenster mit Gittern davor. Verriegelte Türen, die den Eindruck machen, dass sie längst nicht mehr geöffnet wurden.

Irgendwo entdecke ich einen Mann auf einer Leiter. Er soll wohl einen Defekt im Kabelgewirr einer Stange reparieren. Ich hoffe nur, dass er weiss, was er genau macht, Wie man da die Übersicht behalten kann, ist mir ein Rätsel. Vielleicht zieht er ja nur ein zusätzliches Kabel ein, da muss er sich um die anderen nicht kümmern.

Nach einem Häuserblock bin ich an der Avenida und kann auf der anderen Seite den Waschsalon erkennen.

Nur noch über die vierspurige Avenida, dann habe ich die Wäscherei erreicht. Hat also alles gestimmt mit den Angaben. Das ist nicht immer selbstverständlich Manchmal bekommt man auch Informationen, weil man freundlich sein will, weil man helfen möchte. Heute war alles ok.

Eine junge Frau nimmt meine Wäsche entgegen In zwei Stunden könne ich sie abholen. Oder später, sie würden bis acht Uhr Abends arbeiten.

Bezahlen soll ich später, 100 Pesos - 5 Franken. Sie füllt die Wäsche gleich in eine der riesigen Maschinen und ich verabschiede mich. Merke erst später, dass ich nicht einmal meinen Namen angegeben habe. Ich bin immer wieder überrascht, wie diese Wäschereien ihre Aufträge im Griff haben.

Ich mache einen Vermerk in mein Maps.me, um den Ort später wieder zu finden und entdecke, dass ich geradeaus direkt vom Mariachi-Platz gelange. Das ist super. Erstens für meine schlechte Orientierung und ausserdem will ich sowieso noch einmal dahin. Als ich an einem der ersten Tag dort war, war da gar nichts los. Keine Musik, keine Restaurants offen, kaum Leute. Vielleicht habe ich jetzt mehr Glück.

Nach ein paar Häuserblocks, vorbei an Pneuhändlern, Autos mit platten Reifen, geschlossenen Rolläden mit farbigen Schriftzügen über Fenster und Mauern, komme ich in eine belebtere Strasse. Es ist noch früh, knapp vor elf Uhr, die Marktstände werden erst aufgebaut. Die Stadt erwacht spät. Überall wird Material transportiert, Waren ausgelegt, aufgehängt. Die Stände füllen sich mit farbigem Plastikspielzeug, Kleidern, Plüschtieren in allen Formen und Farben und Souvenirs. Wer das wohl alles kaufen will? Das Angebot ist riesig und dabei ist das nur eine unbedeutende Gasse in der Nähe des Mariachi-Platzes.

Auf dem Platz ist auch heute nichts los, kaum jemand unterwegs um diese Zeit. Aber immerhin sitzen ein paar Musiker zusammen an einem Tisch. Warten wohl auf Kundschaft, auf jemanden, der sie zu einem Song engagiert.

Ich setze mich an einen Nebentisch, bestelle einen Kaffe bei der Frau, die soeben ihre kleine Küche geöffnet hat und bekomme eine Tasse heisses Wasser vorgesetzt. Und der Kaffee?

Der steht vor dir, sie zeigt auf das Glas Instantkaffee und die Zuckertütchen daneben. Nun denn, ich schöpfe zwei knappe Löffel in meine Tasse und merke sofort, dass der Kaffee ungeniessbar ist. Viel zu stark, es ist eben die stärkste Sorte Instant, die da steht. Also bestelle ich noch eine Flasche Wasser und warte der Dinge, die da kommen.

die kleine Küche

die kleine Küche

Natürlich hat man mich am Nebentisch sofort entdeckt und schon kommt einer der Musiker, fragt, ob ich sie hören möchte. Doch irgendwie passt es mir nicht, dass ich dann die einzige Zuhörerin bin, ich will noch etwas warten. Es sollten doch mindestens noch ein paar Passanten unterwegs sein.

Ich warte ziemlich lange, sehe den Geschäften zu, die auf der anderen Strassenseite öffnen. Auch hier unter den Arkaden räumen ein paar Leute ihre Sachen vor die Ladentüre. Zwei Polizisten drehen mit ihren Segways eine Runde über den Platz und verschwinden wieder.

Auch ich verlasse den Platz jetzt. Zu wenig los. Aber ich werde wieder kommen, zeige ich den etwas entäuschten Musikern an. Der eigentliche Grund, dass ich jetzt gehe, ist eine junge Frau, die soeben mit ihren beiden Töchtern über den Platz gelaufen ist. Die beiden sind weiss gekleidet. 15 jährige Prinzessinnen sind in der Regel in bunten Kleidern, weiss ist den Bräuten vorbehalten.

Ich folge der kleinen Gruppe und komme zur Kirche am Ende des Platzes. San Juan de Dios heisst sie, sie war mir an ihrem erhöhten Platz schon bei meinem ersten Besuch auf dem Platz aufgefallen. Damals war das Tor geschlossen, jetzt ist es weit offen und es treten immer wieder Leute ein.

Ich folge und sehe, dass noch andere weiss gekleidete Mädchen da sind. Ich frage einen Fotografen, der in der Kirche genau wie ich ein paar Fotos von Altar und Kuppel schiesst, dazwischen aber immer wieder die Besucher ablichtet, war für ein Event statt finde.

Erste Kommunion. Aha, also weisser Sonntag. Jedenfalls wird das bei uns so genannt und findet an einem Sonntag statt. Heute ist aber Samstag.

Vor der Kirchentüre steht ein Gabentisch und die Kinder bekommen je ein Geschenk. Ein Korb mit Lebensmitteln, vor allem Oel und Teigwaren kann ich erkennen. Aber auch eine Rolle WC-Papier findet sich unter der Plastikfolie. Daneben Weinflaschen. Da laufen also diese jungen Mädchen mit vollen Weinflaschen in die Kirche, ich muss wieder einmal schmunzeln. Zum einen ist Weintrinken nicht sehr verbreitet hier, zum anderen scheinen mir die Mädchen doch noch etwas jung für den Alkohol.

Aber Geschenk ist Geschenk.

Ich bleibe noch eine Weile da, sehe zu, wie ein junges Mädchen die Kirchenglocke läutet, indem sie am langen Seil zieht, das hinauf in den Kirchturm führt. Doch das Läuten der Glocke bedeutet noch lange nicht, dass die Messe gleich beginnen würde. Mittag ist vorbei, inzwischen ist der Pfarrer eingetroffen, hat ein paar Leute begrüsst, plaudert vor dem Tor. Es haben alle Zeit, nur mir wird langweilig, ich gehe zurück zu den Musikern.

Inzwischen sind hier etwas mehr Leute unterwegs. Die Tische sind besetzt, Leute sitzen beim Frühstück und als wieder einer der Musiker zu mir kommt, erkundige ich mich nach dem Preis für die Musik. Zwei Songs und ich möchte ein Video aufnehmen.

Ich sollte noch ein Lied wünschen, doch da ich noch keine Ahnung von den Songs habe, schlagen sie Guadalajara vor. Das ist bestimmt so etwas wie ihre Hymne.
Sie holen ihre Instrumente, die sich irgendwo an der Mauer deponiert haben. Zwei Geigen, drei verschieden grosse Gitarren. eine Trompete. Sie legen sofort los und es ist unglaublich, wie schnell sie eine sehr spezielle Atomsphäre schaffen. Ihre Stimmen sind kräftig und mehrstimmig, die Trompete wechselt mit den Geigen ab.

Ich bin begeistert und würde gern noch länger zuhören. Doch auch der zweite Song ist bald vorbei. Noch eine Gemeinschaftsfoto, dann werden die Instrumente zurück gelegt. Cristian, der schon vorher mit mir gesprochen hat und dem ich den abgemachten Preis überreiche, fragt, ob ich ihm das Video schicken würde. So wechseln wir also Nummer und Facebook-Kontakt. Ich soll ihn und die Tierra de Jalisco Mariachi gern auch im Facebook markieren. Und mich auf jeden Fall melden, falls ich eine Band für einen speziellen Event brauchen würde. Damit wird es wohl nichts,

Ich verabschiede mich von den 6 Musikanten, wünsche viel Erfolg heute und gehe zurück ins Hotel. Heute habe ich weiter keine Pläne, ausser dass ich später meine Wäsche abhole.

Die Frau erkennt mich sofort, übergibt mit meine Wäsche, schön gefalten in einem Plastiksack. Sie musste keinen Moment überlegen, wer ich sei und auch der Preis bleibt.

Beim Einnachten treibt mich der Hunger auf die Strasse. Ich hab Lust auf ein richtiges Stück Fleisch. Habe mich in den letzten Wochen vor allem von Ceviches und Calamares ernährt, weil all die mit pickanten Sossen servierten Empanades und die Burittos und Tortillas nicht ganz nach meinem Geschmack sind.

Auf dem Platz vor der Kathedrale ist wie immer viel los, die Restaurants auf dem Platz sind gut besetzt und unter den Arkaden findet noch immer das Tequila-Festival statt, mit unzähligen Anbietern von verschiedenen Tequilas und Likören.

Auf einer grossen Bühne treten Musik und Tanzbands auf. Ich sehe eine Weile zu, gehe dann aber weiter. Es ist Zeit ich habe richtig Hunger. Also steuere ich das Restaurant Los Ilustres mit der Terasse auf der anderen Seite des Platzes an.

Pina de Vallarta
weisser Tequila mit Ananas und Sternanis, Agavenhonig und Zitronensaft mit etwas Bitteraroma.

Pina de Vallarta
weisser Tequila mit Ananas und Sternanis, Agavenhonig und Zitronensaft mit etwas Bitteraroma.

Es ist ein feines Lokal, die Bedienung ist perfekt, die Preise etwas hoch, doch das habe ich erwartet. Das Rib-Eye-Steak ist dann leider doch schon über den Punkt gebraten, aber alles kann man eben nicht haben.

Dafür war der Tequila-Apero sehr fein und auch das Glas Rotwein schmeckt wunderbar.

Während des Essens bricht ein regelrechter Regenschauer über die Stadt herein, aber als ich später auf dem Heimweg bin, hat der Regen fast aufgehört und ich komme nur wenig angefeuchtet im Hotel an.

alles ist frisch gewaschen.

alles ist frisch gewaschen.

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Am Start einer neuen Reise ist meist noch alles ganz klar. Nur das erste Ziel: Guatemala und später im Jahr eine Hochzeit in Mexika. Es wird also einmal mehr eine sehr lange Reise mit vielen Überraschungen. Ich freue mich über virtuelle Mitreisende und werde wie gewohnt über meine Erlebnisse berichten.
Details:
Aufbruch: 09.06.2023
Dauer: 7 Monate
Heimkehr: Januar 2024
Reiseziele: Guatemala
Mexiko
Der Autor
 
Beatrice Feldbauer berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
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