Mittelamerika

Reisezeit: Juni 2023 - Januar 2024  |  von Beatrice Feldbauer

Antigua

Carlos hat mich nach dem Frühstück abgeholt. Vorher hat er sich noch erkundigt, ob er seine Frau mitbringen dürfe, er würde gern ein paar Stunden in Antigua verbringen. Selbstverständlich gern, hab ich ihm geschrieben, es ist Sonntag, macht euch einen schönen Tag heute.

Das hat dann leider nicht geklappt. Noch während der Fahrt hat ihn ein Freund angerufen und gefragt, ob er ihn zum Flugplatz bringen würde. Arbeit geht vor, meint Carlos und seine Frau Christina, die auf dem Rücksitz Platz genommen hat, erzählt mir, dass es während der Pandemie sehr schwierig gewesen wäre, weil keine Arbeit, keine Taxifahrten mehr gab. Deshalb wollen sie sich jetzt aufs Arbeiten konzentrieren. Christina ist Nanny. Während 2-3 Tagen hütet sie die Kinder einer Familie in der Hauptstadt. Sie kennt sie seit sie Babys waren. Heute sind die Kinder 10 und 8 Jahre alt und Christina ist zu einer Ersatzmutter geworden. Wohl darum haben die beiden noch keine eigenen Kinder.

Knapp zwei Stunden dauert die Fahrt nach Antigua. Weil heute Sonntag ist, sind ziemlich viele Autos auf der Strasse. Antigua ist auch für Guatemalteken ein beliebtes Ausflugsziel. Ein wenig durch den Park schlendern, irgendwo etwas trinken,

Mein Hotel liegt gleich in der Nähe des Hauptplatzes. Es ist ein einfaches günstiges Zimmer, einmal mehr nur mit einem Fenster zum Korridor. Aber es ist ruhig und in der Nähe meiner bevorzugten Restaurants.
Vor allem das Cafe Condesa ist ganz in der Nähe. Das kleine Lokal mit Tischen und Stühlen im Hof, mit steinernen Bänken und Sonnenschirmen in den runden Tischen war schon bei meinem ersten Besuch hier in Guatemala mein bevorzugter Aufenthaltsort. Noch immer gibt es hier die feinen Liquados, heute nennt man sie natürlich Smoothies. Aus frischen Früchten, mit Wasser, Milch, Yoghurt oder Orangensaft. Und mit den kleinen Snacks und gluschtigen Kuchen. Dahin zieht es mich als erstes.

Im Cafe Condesa

Im Cafe Condesa

Danach bummle ich hinaus auf den Platz. Es ist wie immer, die vielen Händler mit ihren Handarbeiten sitzen überall im Schatten, bieten ihre farbigen Sachen an, andere laufen mit riesiger Hutauswahl von Passant zu Passant. Vielleicht will ja jemand einen der blumen-bestickten Hüte. Dazwischen klingelt der Verkäufer mit seinem Glacestand. Er hat ein Glöcklein und bimmelt unablässig, damit man ihn nicht übersieht. Beim Brunnen stehen ein paar alte Fotografen mit ihren grossen Kameras. Auch sie haben auf Digital umgestellt, aber ich frage mich angesichts all der Selfies und Handys, ob sie überhaupt noch jemanden fotografieren können. Die meisten Fotos werden heute von den Ausflüglern selber gemacht. Ich setze mich auf eine Bank und sehe mich um. Sehe den grossen und kleinen Seifenblasen nach, die der kleine Verkäufer aus seinem Rohr bläst und die vom Wind verteilt werden. Jemand ist mit farbigen Dinos unterwegs, mit denen er die Aufmerksamkeit der Kinder auf sich ziehen will. Ein anderer trägt seine verpackten Zuckerwatte-Knäuel an einem Stecken und sucht Kundschaft. Der Park ist voll Leben.

Eine typisch bunt gekleidete Frau bietet mir Ledertaschen an, was mich zu der Idee mit meinem Rucksack bringt. Ob sie ihn wohl reparieren kann. Bring ihn mit, meint sie, ich werde ihn mit nach Hause nehmen, mein Bruder arbeitet mit der Maschine. Wenn man es machen kann, wird er es richten. Also hole ich meinen Rucksack und Ruth verspricht mir, dass er morgen fertig sein wird.

Ruth, die Verkäuferin

Ruth, die Verkäuferin

Die Kathedrale

Die Kathedrale

Drinnen findet ein Gottesdienst statt, es ist Sonntag

Drinnen findet ein Gottesdienst statt, es ist Sonntag

Es zieht mich weiter. Zum Arco, dem Wahrzeichen von Antigua ist es nicht weit. Der Verkehr wird hier nur einspurig geführt und eine Hälfte der Strasse, direkt vor dem Arco ist abgesperrt. Reserviert für all die Fotografen, die Selfie-Touristen, die einheimischen Ausflugstouristen. Manche kommen mit der ganzen Equipage mit Stativ und grosser Kamera, andere stellen sich mit der Grossfamilie auf, um diesen Tag festzuhalten. Die Touristen kommen vor allem aus den USA. Das ist auch nicht verwunderlich. Von Miami sind es knapp 6 Stunden Flug um herzukommen. Andere Sprachen als Englisch und Spanisch höre ich kaum.

Natürlich brauche auch ich mein Beweisbild und schlendere weiter zur Merced. Sofort klar geworden ist mir, dass meine neu erstandenen Sandalen für die Strassen in Antigua völlig ungeeignet sind. Auf dem groben Kopfsteinpflaster verliere ich den Halt und muss dauernd aufpassen, dass ich nicht von den Sohlen kippe. Morgen werde ich zu meinen Turnschuhen zurückkehren und die Sandalen weiter unten im Koffer deponieren.

Vor der Merced sitzt Luis Arturo, der Schuhputzer. Er sitzt da seit meinem ersten Aufenthalt hier. Damals ging ich ganz in der Nähe in die Spanischschule. Ich kam jeden Tag bei dem jungen Mann vorbei. Damals traute ich mich noch nicht, ihn anzusprechen. Er sass da jeden Tag und wartete darauf, ein paar Quetzales zu verdienen. Später habe ich öfters mit ihm gesprochen und sogar im Namen einer Freundin etwas zu seinem Lebensunterhalt beigetragen. Sie hatte es sich zur Aufgabe gemacht, ihn in seinem nicht einfachen Leben etwas zu unterstützen. Er erkennt mich auch heute sofort, seine Augen leuchten. Seit inzwischen 23 Jahren kennen wir uns, reden ein paar Worte, seine Lage hat sich nicht verändert. Er kommt jeweils mit dem Bus am Morgen, bleibt den ganzen Tag und hofft, wenigstens das Geld für den Transport und etwas Essen zu verdienen. Manchmal schenkt ihm jemand etwas, denn ich bin wohl nicht die einzige, die ihn kennt, die ihm hilft. Er leidet an Epilepsie. Geld für Medikamente hat er nie, aber manchmal wird sie ihm etwas geschenkt. Auch ich will wissen, was er genau braucht, werde in den nächsten Tagen einmal in eine Farmacia gehen. Er lebt allein bei seiner Mutter, die inzwischen kaum mehr laufen kann, wie er mir erzählt. Sie sorgt sich oft um ihn, denn wenn er auf dem Heimweg einen epileptischen Anfall hat, bringt ihn die Feuerwehr ins Spital. Darum hat er jetzt immer einen Notfallzettel dabei, so dass man seine Mutter anrufen kann.

Luis Arturo, trotz schwierigen Lebensumständen hat er immer ein Lächeln übrig.

Luis Arturo, trotz schwierigen Lebensumständen hat er immer ein Lächeln übrig.

Luis Arturo ist längst kein ganz junger Mann mehr. Inzwischen ist er 38. Ein Leben am Strassenrand. Was wird sein, wenn seine Mutter nicht mehr ist?

Die gelbe Merced-Kirche mit der Zuckerguss-Fassade ist wohl eine der originellsten Kirchen. Hinter der Kirche gibt es einen grossen Hof mit der grössten antiken Brunnenanlage des Landes. Dort haben die Mönche früher Fische gezüchtet. Ich lasse den Hof, gehe in die Kirche, wo es angenehme kühl ist. Doch da eine Messe stattfindet, lasse ich es mit einer Foto bewenden und sehe mich noch ein wenig auf dem kleinen Markt um, der immer vor der Kirche stattfindet. Es sind vor allem Verpflegungsstände, die da stehen. Dabei komme ich mit zwei Mexikanerinnen ins Gespräch. Sie waren auf dem Vulkan Pacaya und erzählen voller Emotionen von heissen Füssen, als sie über die Lava gelaufen seien. Auch ihre hübsch gekleidete Yumi war dabei. Allerdings mussten sie sie weiter oben tragen, denn für die kleinen Hundepfoten wurde der Boden bald zu heiss.

Ich gehe zurück, noch einmal unter dem Bogen durch. Gucke in die eine oder andere Boutique, denn Antigua ist ein Einkaufsparadies. Fast jede Türe, jedes Tor führt in einen Verkaufsladen. Oder in einen prächtigen Innenhof eines Hotels. Wenn all die Tore geschlossen sind, kann man sich gar nicht vorstellen, welche Schönheit hinter den dicken hölzernen Toren und dicken Mauern versteckt sind. Hier in der Stadt gibt es zwar auch die grossen Marken, aber sie werden diskret und schön. Sogar ein Mc Donald, ein Burger King oder ein Starbucks sind nur sehr diskret angeschrieben, denn die Vorschriften in Antigua sind sehr streng, was Beschriftung und Plakate angelangt.

Der Innen-Hof des Hotels Posada de Don Rodrigo

Der Innen-Hof des Hotels Posada de Don Rodrigo

Später, als es schon dunkel ist, laufe ich noch einmal durch die Stadt. Versuche Arco und Merced mit Beleuchtung zu fotografieren und kehre in der Fonda de la Calle Real zu einem richtig feinen Nachtessen ein. Ein auf den Punkt gebratenes Rindsfilet, das keinen Vergleich mit unseren Restaurants scheuen muss.

Du bist hier : Startseite Amerika Guatemala Antigua
Die Reise
 
Worum geht's?:
Am Start einer neuen Reise ist meist noch alles ganz klar. Nur das erste Ziel: Guatemala und später im Jahr eine Hochzeit in Mexika. Es wird also einmal mehr eine sehr lange Reise mit vielen Überraschungen. Ich freue mich über virtuelle Mitreisende und werde wie gewohnt über meine Erlebnisse berichten.
Details:
Aufbruch: 09.06.2023
Dauer: 7 Monate
Heimkehr: Januar 2024
Reiseziele: Guatemala
Mexiko
Der Autor
 
Beatrice Feldbauer berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
Bild des Autors