Mittelamerika
Santiago Atitlan
Ich bin jetzt schon bald zwei Wochen in Santiago. Langsam gewöhne ich mich ein. Weiss, wohin ich zum Essen gehe, wie weit es bis zu den beiden Hotels ist, die in der Nähe sind. Auf dem Markt kaufe ich ein par Früchte für mein Frühstück, manchmal bringt mir David einen Kaffee am Morgen und ein Gebäck aus der nahen Bäckerei. Manchmal gehe ich aber auch in sein Kaffe zum Frühstück. Dann gibt es Eier und Frijoles. Früchte und Kaffee.
Oder ich gehe im Laufe des Tages auf einen Kaffee oder einen Schwatz. Es gibt so viel zu erzählen, David möchte mir am liebsten sein ganzes Leben erzählen und ich weiss, dass es sich lohnen würde, dieses Leben aufzuschreiben. Aber ich glaube, es ist noch zu früh, seine Erfolge werden noch kommen. Ausserdem glaube ich, dass sein Buch von Anfang an in Spanisch oder Englisch geschrieben werden müsste.
Im Moment ist David und seine Familie schwer beschäftigt, den Grossauftrag aus den USA fertig zu stellen. 1000 Armbänder mit dem Namen eingewoben, sind eine ganze Menge. Freunde haben die Hauptarbeit gemacht, aber den Finish will David selber machen. Auch Anna, die im Restaurant angestellt ist, macht mit.
Gestern hat er ausserdem erfahren, dass eine ganze Bestellung von 100 Stück einen Schreibfehler hat. Sie wurden falsch bestellt und auch nach zwei Kontroll-Foto schicken, nicht erkannt. Erst jetzt, kurz vor dem Versand, hat sich der Auftraggeber gemeldet. Zum Glück waren es die beiden letzten Buchstaben, die verwechselt wurden, meinte David und machte sich an die Korrekturen.
Ich bin indessen immer noch dabei, meinen Schreibplatz zu finden. Das Internet in der Unterkunft ist extrem instabil. Der Garten ist wunderschön und es gibt einige Tische mit Stühlen. Aber leider blendet es am Morgn so stark in meinen Bildschirm, so dass ich trotz gutem Netz, nicht arbeiten kann. Oder die Stühle stehen schief im Gelände, so dass ich nach zwei Stunden meinen Rücken spüre. Das muss ja auch nicht wirklich sein.
Ein guter Platz wäre Davids Restaurant, aber da komme ich nicht zum Schreiben, obwohl das Internet hervorragend ist.
Es kann sein, dass sich das Restaurant innert Minuten füllt. Dann sind alle komplett beschäftigt und ich überlasse meinen Tisch den Gästen. So wie heute morgen, als eine ganze Gruppe Männer zum Frühstück kam. Pastoren seien es, hat mir Raquel nachher erzählt. Es gäbe einen kirchlichen Anlass in diesen Tagen in Santiago. Das ist auch der Grund, warum ich Santiago heute für ein paar Tage verlasse. Mein Bungalow war bereits vorher für diese Tage reserviert.
Es war spannend zu sehen, wie ruhig und konzentriert Raquel das Frühstück zubereitete. David verteilte die Teller. Frühstück heisst, dass alles frisch zubereitet wird. Auch der Orangensaft wird nicht vorher auf Vorrat gemacht, sondern frisch gepresst. Natürlich von Hand und dann durch ein Sieb gefiltert. Es brauchte etwas Erklärungen, denn bis alle ihr Frühstück hatten, dauerte es seine Zeit. Doch am Schluss waren alle zufrieden und versprachen, morgen wieder zu kommen.
Manchmal nehme ich ein Tuctuc vor dem Haus und fahre in den Ort. Gehe auf den Markt, ins Cafe Rafa zu einem feinen Cappuccino und beobachte das Geschehen auf der Strasse. Endlos fahren die Tuctucs da vorbei. Die grossen Busse, die ihre Abgase direkt in die Kaffeetassen verteilen, die wenigen Autos und die kleinen chinesichen Taxis.
Einmal kam mir sogar der Probigua-Bus entgegen. Probigua ist die Spanisch-Schule in Antigua, in der ich meine Spanisch-Stunden genommen habe. Es ist gleichzeitig auch ein Projekt, das sich für Schulbibliotheken im ganzen Land einsetzt. Mit dem Bus werden die Dörfer angefahren, der Bus bleibt vor den Schulhäusern, die noch keine Bibliothek haben, für eine Woche stehen und die Kinder können die Bücher, die im Bus sind, lesen. Es waren gleich zwei Busse. Im einen waren die Spanischschüler, die aus der ganzen Welt kommen. Es gibt immer wieder Ausflugsmöglichkeinte, so dass man während den 2 oder 3 Wochen Spanisch-Schule das Land und das Projekt kennen lernen kann. Ich war so baff, als ich den Bus sah, dass ich gar nicht dazu kam, ihn zu fotografieren. Konnte nur winken, denn anstelle des Adjudanten des Busses, hing der Schulleiter aus der offenen Türe und winkte mir zu.
Den zweiten Bus konnte ich mit der Kamera festhalten.
In der Nähe des Cafe Rafa lebt Juana. Sie hat mir schon vor ein paar Tagen angeboten zu zeigen, wie der Tocoyal, der typische Hut von Santiago gewickelt wird. Heute habe ich Zeit und sie zeigt mir wie das geht. Der Hut besteht eigentlich aus einem zwanzig Meter langen Band von ca 3 cm Breite. Mit dem Anfang werden zuerst die Haare eingebunden und um den Kopf gelegt, dann wird das ganze Band um den Kopf gewickelt, bis es komplett aufgewickelt ist. Der Tocoyal ist sehr typisch in Santiago Atitlan. Bilder von alten Mayastatuen zeigen, dass schon die Mayas eine sehr ähnliche Kopfbedeckung trugen. Ob es ein Überbleibsel ist?
Für mich hat Juana einen bereits gewickelten Tocoyal, den sie mir aufsetzt. Nicht aber, ohne mir voher einen wunderschönen Huipil anzuziehen. Und einen Rock umzubinden. Sie besteht darauf, schliesslich will sie sich ein gutes Trinkgeld verdienen. Für die Fotos ist ihr kleiner Sohn zuständig, er übernimmt auch gleich das Sprechen, denn sie spricht eher wenig spanisch. Und Tsutuchil verstehe ich nun mal gar nicht.
Beim Weitergehen achte ich mich auf die Kopfbedeckungen der Frauen und merke, dass der Tocoyal nicht mehr so oft getragen wird. Ist vielleicht auch zu aufwändig, ihn jeden Morgen frisch zu binden. Viel öfters tragen die Frauen ein Tuch auf dem Kopf. Gegen die Sonne und als Schutz, wenn sie etwas auf dem Kopf tragen müssen. Einen Korb, die Einkaufstasche oder was auch immer sie nicht in den Händen tragen wollen.
Auch die Kleider sind nicht mehr so einheitlich wie sie vor ein paar Jahren noch waren. Eine Verkäuferin hat mir erklärt, dass man heute mehr Abwechslung mag. Dass man auch Kleider aus anderen Dörfern trägt. Die Mode hat sich geändert, meinte sie, aber wichtig ist, dass es traditionelle Kleider sind.
Typisch für Santiago sind die gestreiften Stoffe mit den handgestickten Vögeln. Es gibt auch solche, die mit Maschinen bestickt sind. Bei denen sind die Vögel noch viel sorgfältiger und detaillierter ausgearbeitet. Ein solcher Huipil geht natürlich ganz schnell ins Geld. Die Preise gehen ab 150 Dollars und sind nach oben offen. Oft werden auch alte, getragene Huipiles angeboten.
Gestern habe ich ein gutes Restaurant entdeckt. Zwar war ich der einzige Gast, aber die Crevetten mit Knoblauch schmeckten wunderbar. Und die Ausssicht hinunter auf die Strasse mit den vielen Elektrodrähten fand ich ganz besonders spannend. Werde da bestimmt wieder einkehren.
Aufbruch: | 09.06.2023 |
Dauer: | 7 Monate |
Heimkehr: | Januar 2024 |
Mexiko