Mittelamerika
Insel Roqueta
Ich bin vor zwei Tagen hier angekommen. Puerto del Cielo, Tor zum Himmel nennt sich das Hotel im Untertitel. Das mag mit den Clavadistas zu tun haben, die hier fast vom Himmel springen. Sie sind tatsächlich direkt unterhalb des Hotels. Jeden Mittag um ein Uhr ist die erste Show, die zweite ist am Abend bei Sonnenuntergang. Zu diesem Zeitpunkt kommen auch sehr viele Schiffe und Jachten her und sehen sich das Spektakel vom Wasser aus an. Andere kommen ins Restaurant, aber am besten sieht man es von der Aussichtsterrasse zu der man über viele Treppen hinkommt
Am zweiten Tag gehe ich am Mittag da hinunter, denn ich will das Spektakel aus der Nähe sehen. Es sind nicht viele Leute da, aber sie jubeln den braungebrannten Männern zu, als diese die lange Treppe heruntersteigen. Sie klettern den Felsen hinunter und springen von Felsvorsprüngen in 5-10 Metern Höhe ins Meer, das zemlich turbulent ist. Immer wieder krachen die Wellen an die Felsen. Trotzdem bin ich etwas enttäuscht, als ich sehe, dass die Männer da unten das Bad und die Beachtung geniessen. Sie schwimmen, winken und werden beklatscht.
Lassen sich da sechs junge Männer beim Baden beobachten? Doch ich habe zu früh geurteilt, jetzt steigen sie auf der gegenüberliegenden Seite in die Wand ein. Barfuss und ohne weitere Hilfsmittel, klettern sie behände in die Höhe. Da wackeln mir beim Hinsehen schon die Knie.
Dann sind sie oben, stehen auf einem schmalen Felsband und lassen sich nach und nach ins Wasser fallen. Der letzte steigt ganz hinauf, winkt noch ein wenig, konzentriert sich und stürzt dann kopfvoran mit einem Salto hinunter ins schäumende Wasser. Dabei müssen sie aufpassen, dass sie den Abstand zum Felsen haben, denn dieser ist nicht ganz gerade abfallend. Eindrücklich, tatsächlich.
Fotografieren ist übrigens auch aus dieser Perspektive nicht ganz einfach. Jedenfalls mit dem Handy. Die braungebrannten Körper heben sich von den rotbraunen Felsen nur leicht ab. Und der Absprung geschieht unvermittelt, nachdem der Taucher sich eine Weile konzentriert und aus allen Richtungen die Anfeuerungen entgegen genommen hat.
Seit 1934 findet diese Show jeden Tag statt. Obwohl das ganze bestimmt sehr gefährlich ist, gab es noch nie einen Toten Unfälle schon, auch ziemlich gravierende, wie ich im Internet nachgelesen habe. Angefangen wird schon mit 11 Jahren, um den grossen Vorbildern nachzueifern. Ich bin beeindruckt.
Abgesehen von der Show der Clavadistas und dem täglichen Frühstück und Nachtessen, habe ich in diesen zwei Tagen nichts unternommen. Ich will unbedingt an meinem Blog arbeiten. Ich hinke so weit hinterher, dass das Aufholen immer schwieriger wird. Und wenn ich hinaus gehe, überdecken die aktuellen Begegnungen und Entdeckungen sofort wieder die Erinnerungen. Darum blieb ich vor allem im Hotelzimmer am Computer.
Heute aber ist es Zeit, etwas zu unternehmen. Wohin ich genau will, weiss ich noch nicht, als ich in ein Taxi einsteige. Habe mir aber vorsorglich das Badekleid unter den Kleidern angezogen. Für alle Fälle. Vorläufiges Ziel: Zocalo von Acapulco. Der liegt direkt auf der anderen Seite des Hügel, auf dem ich wohne. Am Meer. Dort entdecke ich die Ausflugsboote. Eines davon ist die Tormenta. Sturm heisst das auf deutsch, was mich etwas irritiert. Wohin die wohl fährt?
Zur Insel Roqueta, die ausserhalb der Bucht von Acapulco liegt. Ich höre zum ersten Mal davon, aber ich verspreche der Frau an der Kasse, dass ich zurück kommen werde, wenn das Schiff um elf Uhr zur ersten Fahrt ablegt. Ob da überhaupt jemand kommen wird, im Moment ist der Quai noch leer, kaum jemand unterwegs.
Ich flaniere zum Zocalo wo grosse Dekorationen aufgestellt sind. Mir kommt es schon wieder wie Weihnachten vor. Nicht nur, weil die Deko grün - weiss - rot ist, nein, es hängt auch eine Glocke über dem Tor und oben thront ein Eingel. Nur die beiden grinsenden Mexikaner auf beiden Seiten der Säulen zeigen mir, wo ich bin.
In einem Café am Platz bestelle ich ein grosses Früchte-Frühstück mit Joghurt und Granola und einen Cappuccino.
Als ich kurz vor elf zum Quai zurück komme, sieht die Situation schon ganz anders aus. Mindestens 20 Leute warten darauf, einsteigen zu können und bis wir wirklich starten, ist das Schiff fast voll. Jedenfalls im oberen Teil sind 40 Personen.
Der junge Kapitän erklärt, dass die Passagiere auf beiden Seiten auf den Bänken Platz nehmen und kein Ungleichgewicht des Schiffes bestehen darf. Ausserdem sollen wir unbedingt sitzen bleiben und nicht durch das Schiff flanieren. Er wird dabei so dramatisch, dass am Schluss alle fast freiwillig die Rettungswesten anziehen, die bereit liegen. Ich hasse die Dinger, aber nach diesen ganzen Instruktionen ziehe auch ich sie mir über. Er hat das sehr gut gemacht, denn ich nehme an, es sind die Vorschriften, aber er hat nicht reine Befehle ausgegeben, sondern ziemlich dramatische Erklärungen dazu abgegeben.
Was ich gebucht habe ist nicht nur eine einfache Fahrt zur Insel, es ist eine Besichtigungstour mit Erkärungen und das macht unser Kapitän witzig. Nur schade, dass ich die Gegebenheiten und Personen, von denen er erzählt, nicht kenne. Einzig Ricky Martin ist mir vage ein Begriff, er scheint hier in der Nähe zu wohnen und im Jachthafen sein Schiff zu haben.
So fahren wir durch die Bucht von Acapulco und hören den launigen Erklärungen des Kapitäns zu. Das abgefackte Hotel stellt er als sein eigenes Haus vor. Tatsächlich ein Schandfleck. So wie auch die verfallenen Ruinen, die unten am Ufer stehen und wo früher ein Vergnügungshotel war. Sogar Voladores seien hier aufgetreten, die hohe Stange kann man noch erkennen, ansonsten hat dieser Teil Acapulcos seine besten Zeiten hinter sich.
Oben einem Felsen stehen zwei Männer. Es sind die Clavadistas, die eigens für uns ins Wasser springen werden. Einer ist eben von unserem Boot ins Wasser gesprungen, der andere gehört zu einem anderen Ausflugsboot. Es sind knapp 20 Meter wo sie stehen und mit einem eleganten Sprung ins Wasser eintauchen. Kurz darauf steht der junge Mann wieder an Bord und sammelt sein Trinkgeld ein.
Jetzt nähern wir uns der Insel und der Kapitän macht uns auf die Virgin del Mar aufmerksam, einer Marienfigur in den vorgelagerten Felsen. Jetzt sollen wir durch den Glasboden im Schiff sehen, den hatte ich schon ganz vergessen. Durch den Boden im grünen Wasser sollte man jetzt eine versunkene Virgin sehen, aber trotz aller Anstrengung kann ich nichts erkennen.
Später kommt noch einmal der Glasboden zum Einsatz. Er muss ja einen Sinn haben, schliesslich verkauft man den Ausflug mit diesem Glasboden-Argument. Ein Taucher taucht unter das Schiff und tatsächlich schwimmen bald darauf ein paar farbige Fische unter der Scheibe. Wie das der Taucher erreicht hat, habe ich nicht verstanden, hätte auf die Attraktion auch verzichtet, denn so eindrücklich waren diese Fische nicht. Vielleicht ist das Wasser zu anderen Zeiten klarer und die Fische besser sichtbar.
Wir nähern uns jetzt dem Strand und der Kapitän erklärt, was man hier machen kann, ausser schwimmen und sich im Restaurant verpflegen natürlich. Es gibt eine Tauchschule, man kann schnorcheln und vor allem empfiehlt er die Bananenboote. Sie seien speziell sicher, mit zusätzlichen Stabilisatoren. Man sollte die grosse Rundfahrt machen, er hat auch gleich die Tickets dazu. Bis wir am Schiffssteg anlegen, hat sein Adjudant jeden Passagier noch einmal angesprochen und es scheint, dass einige das Angebot angenommen haben.
Es ist ein kleiner Strand, bei dem wir ankommen. Die Kellner der verschiedenen Strandbeizen holen die Passagiere ab und versuchen sie zu ihren Tischen zu führen.
Ich halte mich etwas zurück, mag es nicht, wenn ich manipuliert werde und sehe mich bei den Verkaufsständen um.
Später setze ich mich unter einen der Sonnenschirme, bestelle eine Limonade und einen grossen Crevettencocktail.
Ich mache ein paar Züge im warmen Meer und komme mit dem Souvenirveräufer ins Gespräch. Er hat Figuren aus Muscheln auf sein Boot geladen, das er durch das Wasser stösst. Immer ausserhalb der Wellen, so dass sie sicher stehen. Er will wissen, woher ich sei, wie lange ich bleibe. Wobei ich die Frage nach dem Woher immer so nett finde. De donde nos visitas - von woher besuchst du uns? werde ich sehr oft gefragt. Er lädt mich ein, mich auf sein Boot zu setzen, er würde mich zu dem Ort fahren, wo ich schnorcheln könne. Ich bedanke mich, hab etwas Mühe mit dem Atmen. Bedauernd verabschiedet er sich.
Ich sitze noch eine Weile am Strand, lasse mich von den Wellen hin und her schieben. Auch einen Spaziergang dem Wasser entlang mache ich, bis ans Ende des Strandes, wo Felsen stehen. Er ist schnell abgelaufen, doch mir ist das ganz recht, denn ich will meine Sachen nicht zu lange unbeaufsichtigt lassen. Auch wenn ich die Frau am nächsten Tisch gefragt habe, ob sie einen Blick darauf werfen würde. Sie ist mit ihren Kindern und ihrem Hund Dragula da und daher ziemlich beschäftigt.
Es kommen jetzt immer mehr Ausflugsboote, doch der Strand bleibt angenehm leer. Aber die Verkäufer von Imbissen nehmen zu. Wie der Donatverkäufer seine schokoladeüberzogenen Donats sicher durch den heissen Nachmittag bringt, bleibt mir ein Rätsel. Die Frau mit der grossen Platte verkauft Quesadillos und eine andere kleine Snacks: Manis, Erdnüsse und gegrillte Heuschrecken.
Den Mann, der unter einem Sonnenschirm frische Austern öffnet, habe ich leider zu spät entdeckt, die hätte ich meinen Crevetten vorgezogen, auch wenn diese sehr gut geschmeckt haben.
Ich bleibe bis zum Schluss, bis nach vier Uhr das Schwesterschiff der Tormenta zur letzten Rückfahrt am Steg anlegt.
Bis das Schiff loslegt sehe ich den kleinen Jungs zu, die im Wasser schwimmen und mit Pfiffen und eigenartigen Geräuschen die Aufmerksamkeit der Passagiere auf sich ziehen wollen. Sie betteln darum, dass man ihnen eine Münze ins Wasser wirft, damit sie diese einsammeln können.
Es war ein wunderbarer Nachmittag, ich fühle mich entspannt, als wir zurück zum Hafen fahren. Mit einem Taxi fahre ich zurück zum Hotel und ruhe mich eine Weile im kühlen Zimmer aus.
Später sehe ich der Sonne zu, wie sie heute tatsächlich im Meer versinkt und für einmal nicht nur hinter Wolken verschwindet.
Den Abend beschliesse ich mit einem kleinen Snack im Restaurant, sehe den Clavadistas zu, die ihren letzten Absprung in völliger Dunkelheit mit Fackeln in den Händen machen. Es war ein erfüllter Tag.
Aufbruch: | 09.06.2023 |
Dauer: | 7 Monate |
Heimkehr: | Januar 2024 |
Mexiko