Mittelamerika
Geburtstag
Komm um zehn Uhr ins Restaurant, wir laden dich zum Essen ein. Es soll ein besonderer Tag werden, hat mir David gestern gesagt.. Und auch, dass ich die Badehosen einpacken soll.
Es ist mein Geburtstag, ich bin gespannt, was wir unternehmen werden.
Als ich eintreffe, kommen David und Raquel soeben vom Markt zurück und danach ist Raquel intensiv in der Küche beschäftigt. Es soll ein Picknick geben.
Nun ist ein Picknick nicht wirklich sehr typisch in Südamerika. Jedenfalls nicht so wie wir uns das vorstellen. Da man hier kaum kalt isst, müssen Spesen vorbereitet werden, die auf einer Kochstelle fertig gemacht werden können. Raquel und Anna, eine ihrer Angestellten packen Kartoffeln in Folie ein, marinieren Fleisch, schnipseln Gemüse.
Das Restaurant bleibt heute geschlossen, David hat das so organisiert, dass heute die Elektriker einen Ventilator an der Decke installieren. Man muss sich immer verbessern, meint er und da wir heute auswärts gehen, sei das der ideale Moment, um die Elektriker zu engagieren.
Bald ist alles verpackt, in Körben und Säcken und wir können los.
Wir fahren also mit dem Tuctuc zum Hafen von Santiago und dort wartet ein Boot auf uns. Nicht das Publico, ein privates Boot, das uns an einen einsamen Ort am See bringt. Ein Bootssteg, ein sehr gepflegtes Grundstück mit schattigen Bäumen, verschiedenen Blumen, einem frisch gemähten Rasen, einer Feuerstelle unter einem Dach und einem Fussballplatz. Weiter oben gibt es sogar ein Häuschen mit einer Toilette.
Bevor wir in das Boot einstiegen, musste Raquel noch etwas besorgen. Ich konnte mir schon vorstellen, was es war, aber ich übersah die grosse Schachtel, die sie vorsichtig im Boot deponierte, geflissentlich.
Eigentlich ging ich ja davon aus, dass die Torte zum Dessert aufgetischt wird, aber das ist in Lateinamerika nicht so. Die Torte gehört an den Anfang des Festes. Es ist tatsächlich eine wunderbare Geburtstagstorte, die Raquel extra für mich besorgt hat und natürlich wird sie zusammen mit einem vieltönigen Geburtstagsständchen, zu dem Anna die Musik aus dem Handy beisteuert, zelebriert.
Interessant ist auch, wie Anna die Torte dann aufschneidet. Sie schneidet zuerst ein grosses Loch in die Mitte und danach kann der Rest in sehr einfachen handlichen Stücke aufgeteilt werden. Raffinierte Schneidetechnik.
Ich hab auch noch was zu meiner Feier beizutragen. Seit Antigua habe ich diese Flasche Fruchtwein in meinem Koffer. Ich finde es zwar eher ein Likör, so süss wie er ist. Aber das ist genau das richtige, um auf meinen Geburri anzustossen, und auf diesen speziellen Tag, den wir gemeinsam verbringen. Alkohol ist sonst hier kein grosses Thema. Nicht dass man keinen trinken würde, aber in Davids Familie wird selten Alkohol getrunken. Ich bestelle zum Essen gelegentlich ein Glas Wein, der meistens aus Chile, manchmal auch aus Spanien kommt.
Nachdem wir also die wichtigsten Zeremonien hinter uns haben, kümmern sich die beiden Frauen um die Küche. Sie müssen den halben Fleischmarkt aufgekauft haben, es hört überhaupt nicht mehr auf, was Raquel da aus ihrem Korb holt. Pouletstücke und Rindfleisch. Dazu die Kartoffeln in der Folie, gefüllt mit Käse und ein paar Peperoni.
Anna zerstampft ein paar gedämpfte Tomaten vom Grill und bereitet eine richtig schmackhafte Sosse zu.
Inzwischen klettern die Jungs auf die Bäume oder spielen Fussball, während ich mich auf die Suche nach Blumen mache.
Das Essen ist fantastisch, Raquel und Anna richten die Teller an und man sieht schon, dass sie das im Restaurant täglich machen. Auch etwas Salat gehört dazu. Seit David in der Schweiz war, gehört in der Familie regelmässig etwas Salat auf den Teller. Das kennt man hier ansonsten nicht.
Ganz wichtig für David ist übrigens auch, dass wir kein Plastik- oder Kartongeschirr dabei haben. Er versucht alles, um Plastik zu vermeiden. Auch seine beiden Buben sind darin sehr bewusst. Wenn sie in die nahe Bäckerei gehen, nehmen sie ein Tuch mit in das sie die Brötchen wickeln, um keinen Plastiksack zu bekommen.
Nach dem Essen ruhen wir noch etwas aus, schwimmen ein paar Züge im See bis David meint, es wäre Zeit zurück zu kehren. Einer der Elektriker hat angerufen, sie wären bald mit der Arbeit fertig. David muss zurück, um sie zu bezahlen. Auf Rechnung geht hier nichts, es wird alles sofort beglichen.
Es war ein wunderschöner Tag am See. Wir haben ihn alle sehr genossen und werden ihn in Erinnerung behalten. Mein letzter Geburtstag mit einer 6 vorne. Ich weiss, das ist nur eine Zahl, aber die Zahlen werden eben doch immer höher.
Verändert hat sich bisher nichts aber irgendwo gräbt sich die Idee eben doch fest.
Nachdem ich zurück im Zimmer bin, ziehe ich mich eine Weile zurück, das ist ja auch ein Privileg, das man im höhreren Alter hat. Es darf dann und wann eine Siesta eingebaut werden.
Später gehe ich zu einem kleinen Nachtessen ins Hotel Los Olivos. Es ist nur gut 600 m von meiner Unterkunft entfernt und liegt direkt am See.
Mit einem Teller Pasta und einem feinen Glas Rotwein beschliesse ich den heutigen Tag, starte in ein neues Lebensjahr.
Das alte Taxi fährt zwar keinen Meter mehr, aber man darf sich hinein setzen und einen Kaffee trinken. Oder man kann sich sogar das Essen auf dem Rücksitz servieren lassen.
Aufbruch: | 09.06.2023 |
Dauer: | 7 Monate |
Heimkehr: | Januar 2024 |
Mexiko