Mittelamerika
Abschied von Clara
Heute Morgen hat mir Clara klar gemacht, dass sie es leid sei, im halbdunkeln Hotelzimmer zu warten, bis ich endlich wieder zurückkomme. Da nutze es auch nichts, wenn ich sie gelegentlich zu einem Spaziergang in den Park mitnehme. Sie sei nicht nur eine Kuh, sie sei ein Plüschtier, das von einem Kind geliebt werden will.
Das hat mich etwas betroffen gemacht, aber eigentlich musste ich ihr recht geben. Zum Kuscheln mit Kühen bin ich tatsächlich nicht die richtige Person.
Sie meinte, sie würde die nächste Gelegenheit benutzen, um abzuhauen und setzte sich sogar gleich auf eines der parkierten Motorräder vor dem Hotel. Zur Sicherheit schloss ich das Zimmer danach doppelt ab, eigentlich möchte ich sie noch nicht verlieren.
Ich bin nicht die einzige, die an diesem frühen Morgen auf der Suche nach Fotosujets ist. Vor dem Arco findet ein professionelles Shooting mit einer Braut und einem alten Ford statt. Warum die allerdings im Schatten bleiben, entzieht sich meinem Verständnis. Aber wahrscheinlich sind die grossen Kameras besser auf diese Lichtverhältnisse eingestellt, als mein Handy. Vor dem Shooting muss die Braut allerdings noch die Schuhe wechseln. Zum Laufen auf diesem Gelände sind sie nicht geeignet, aber für das Fotos muss alles stimmen - auch wenn man die Schuhe unter dem langen Kleid nicht sieht.
Ich habe meine Kugel dabei und versuche, ein paar Bilder zu machen. Aber es will mir nichts so richtig gelingen. Vielleicht hätte ich sie doch besser zu Hause gelassen.
Viel mehr interessieren mich heute die Pfützen, die vom Regen in der Nacht in den Strassen stehen geblieben sind. Werde richtig süchtig darauf und lasse Seen entstehen vor dem Arco mit blauem Wasser und vor der Kathedarale, der Merced und bei den Marktständen, die neben dem Park aufgestellt worden sind und wo viele Handarbeiten angeboten werden.
Ich muss noch etwas üben, die Kamera gerade zu halten, aber die Bilder werden besser. Einzig wenn das Wasser allzu trübe ist, wird es schweirig.
Bei der Merced kehre ich zu einem kleinen Frühstück in der Cafebar ein und warte auf Luis. Ich war in der Farmacia, habe Medikamente für ihn gekauft, aber er kommt nicht. Vielleicht bin ich noch zu früh. Die Bedienung beteuert mir, dass sie den Mann jeden Tag sieht, aber sie hat keine Ahnung, wann er jeweils kommt.
Also gehe ich zurück zum Hotel und gerate promt in die nächsten Shootings. Ein 15. Geburtstag wird gefeiert, mit Luftballons und einem neuen Sommerkleid. Die Mutter steckt dem jungen Mädchen noch die Haare zurecht, bevor der Vater die Kamera zückt. Auch ich darf einen Bild mitnehmen.
Das nächste Objekt ist ein kleines Mädchen, das mit einem Plüschhund posiert.
Vor der Kathedrale treffe ich noch einmal auf zwei 15-jährige Mädchen. Beide sind gross herausgeputzt aber die Unterschiede sind enorm und ungemein spannend, was sich die Familien ein solches Fest kosten lassen. Wobei das mit dem Fest nicht so klar ist. Als ich dem Mädchen in ihrem rosa Hochzeitskleid ein schönes Fest wünsche, erklärt mir ihre Mutter, das Fest würde erst in zwei Wochen statt finden. Heute ginge es nur um die Fotos.
Wenn ich die Mädchen ansehe, habe ich schon das Gefühl, dass dieser Tag der wichtigste im Leben eines jungen Mödchens ist. Fast wie der Hochzeitstag, einfach ohne Bräutigam.
Am MIttag kommt Rebeca. Wir wollen zusammen in die Macadamia-Pflanzung Valhalla zum Mittagessen.
Das ist ein ruhiger Garten, mit Schattenplätzen unter hohen Macadamia-Bäumen und vielen exotischen Blumen.
Dazu nehmen wir den Bus, denn es sind nur knapp 20 Minuten.
Macadamai-Nüsse haben die härteste Schale, die es gibt, Wenn ich ganze Nüsse kaufe, muss ich sie jeweils mit dem Hammer öffnen. Sie werden hier angebaut, an der Luft getrocknet, bis die Kerne im Innern trocken sind, dann werden sie in speziellen Geräten sortiert, geschält und kommen in den Verkauf im kleinen Laden. Es wird aber auch Kosmetik daraus gemacht, denn die Frucht ist nicht nur die härteste, sondern auch die fettreichste.
Heute allerdings interssieren wir uns nicht für die Produktion und den Laden, ich war schon zu oft hier, hab mir schon Gesichtsmassagen machen lassen, nach denen man sich mindestens 10 Jahre jünger fühlte - und entsprechend aussah. Heute brauchen wir das nicht, wir wollen plaudern. Was es halt alles zu plaudern gibt, wenn man weiss, dass man sich danach wieder lange nicht mehr sieht.
Es ist ein gemütlicher Nachmttag und bei unserem Gespräch kommt mir eine Idee. Könnte ja sein, dass sich Eliza und Ashley über einen neuen Spielkameraden freuen würden. Bei ihnen könnte es meiner Clara gefallen. Rebeca ist begeistert und so stelle ich ihr später, als wir nach Antigua zurück kommen Clara vor.
Valhalla ist auch ein Entwicklungsprojekt. Man züchtet junge Böume, die man dann in abgelegenen Dörfern den Menschen zur Verfügung stellt. Damit können sie einerseits ihre eigene Ernährung ergänzen und anerseits gibt es ein neues Produkt um es auf dem Markt zu verkaufen.
Es hat geklappt, die Sympathie war gegenseitig auf Anhieb da. Wir machten noch einen kurzen Spaziergang durch den Park, trinken einen Kaffee im El Portal, dann schlüpft Clara in den Rucksack von Rebeca.
Sie hat sich noch bedankt für die Reise, die sie weiter gebracht hat, als wahrscheinlich die meisten ihrer Kameradinnen, mit denen sie in der Raststätte in Italien gesessen ist, aber ihr Ziel war eigentlich schon immer, ein Kind kennen zu lernen.
Später am Abend bekomme ich Fotos von zwei glücklichen Mädchen mit einer zufriedenen Clara. Ihr Lächeln ist zurück. Sie wird es geniessen, dass sie von den Mädchen geknutscht wird und viel frische Luft hat. Bin gespannt, ob wir uns wieder einmal sehen werden.
Aufbruch: | 09.06.2023 |
Dauer: | 7 Monate |
Heimkehr: | Januar 2024 |
Mexiko