Mittelamerika
Teeplantage
Die Strasse in der mein Hotel steht, ist eine ganz normale Quartierstrasse. Nichts besonderes, keine Touristenattraktion. Aber man kann hier alles kaufen, was man für den täglichen Bedarf braucht. Es gibt neben Herminias Tienda, in der ich schon am ersten Abend war, noch mehr solcher Quartierläden mit einem breiten Angebot.
In einem dieser Tante-Emma-Läden, gibt es neben dem Lebensmittelangebot auch Gürtel und andere Gebrauchsgegenstände wie Geschirr und Hundefutter. Hier betreibt eine Frau einen eigenständigen Früchte-Laden und ausserdem gibt es noch die Verkäuferin an der Ecke. Sie ist am Morgen dabei, ihren Stand neu aufzubauen. Erdbeeren scheinen Saison zu haben, man sieht sie überall. Und die Lychees mit den weichen Stacheln, die ich mir manchmal als Zwischenverpflegung besorge. Sie begleiten mich schon seit Antigua.
Für das tägliche Wohl gibt es ein paar einfache Restaurants mit 4-5 Tischen. Gekocht wird am Strassenrand, damit man sich gleich vergewissern kann, was das Angebot ist. Frittierte Hühnerteile oder Frijoles mit scharfer Tomatensosse und Tortillas.
Auch Kleiderläden gibt es. Sogar einen, in dem alles für 5 Quetzales zu haben ist. Das Angebot ist riesig und wahrscheinlich ist das meiste second hand, denn 5 Quetzales sind gerade mal gut 50 Rappen.
Im kleinen Kiosk visavis des Hotels sucht Leandro eine Aushilfe. Er meint, wenn ich mehr Zeit hätte, würde er es mit mir probieren. Er verkauft alles, um die Energien wieder aufzufüllen. Para energiarze, wie er sagt.
Es gibt auch einen Schuhladen, ich hätte am ersten Tag gar nicht so weit gehen müssen, um neue Flipflops zu kaufen.
All dieses Angebot befindet sich innnerhalb von 200 metern. Am Ende der Strasse kommt dann noch ein kleiner Markt dazu. Hier gibt es einen Handyladen, in dem für alle Marken Handyhüllen verkauft werden. Und jede Menge elektronisches Zubehör.
Ich warte auf Ezequiel, der mich heute zur Teeplantage bringen soll. Ich habe mich gegen die Kaffeeplantage entschieden, die bestimmt auch interessant gewesen wäre. Doch Kaffee habe ich schon öfters gesehen. Tee scheint in Guatemala nur hier in Coban angebaut zu werden.
Es ist eine Cooperativa, erklärt mir Sandra, die junge Frau, die mir die Plantage zeigen wird. Insgesamt arbeiten auf den Feldern und in der Produktion 480 Menschen.
Es ist heiss heute, die Sonne hat trotz vieler Wolken eine enorme Kraft. Darum drückt mir Sandra einen Schirm in die Hand. Ausgerechnet mir, als ob sie wüsste, dass ich nächstens wieder einen Schirm brauchen werde. Doch ich lehne ab, bin überfordert mit Sonnenschirm und Kamerabedienung.
Leuchtend grün stehen die Teepflanzen in Reih und Glied. Dazwischen stehen ein paar Bäume. Nicht weil der Tee speziell Schatten brauchen würde, wie das beim Kaffee der Fall ist, wie mir Sandra erklärt, sondern wahrscheinlich weil die Bäume schon immmer da waren. Und da die Ernte ausschliesslich manuell passiert, stören sie auch nicht, respektive spenden den Arbeitern willkommenen Schatten.
Die Teesträucher sind einen guten Meter hoch und geerntet wird ausschliesslich von Hand. Alle 2 - 4 Wochen, je nach Wachstum.
Tee ist eine aufwändige Arbeit. Immer die obersten drei frischen Blätter werden gesammelt. Jeder Arbeiter hat seinen Bereich, für den er zuständig ist. Das Wachstum wird überwacht und regelmässig gehen die Arbeiter zur Kontrolle durch die Felder. Leider wurden die Felder, durch die wir heute gehen, vor zwei Tagen abgeerntet. Darum ist heute niemand am Arbeiten. Bezahlt werden die Arbeiter nach Libras. Ich glaube eine Libra ist ungefähr ein halbes Kilogramm. Dafür bekommt der Arbeiter 3 Quetzales. Ein guter Arbeiter kann bis zu 90 Libras im Tag ernten. Doch ich glaube, das hat er nicht täglich, sondern eben nur, wenn die Pflanze wieder nachgewachsen ist.
Den Rest der Zeit müssen die Teegärten gepflegt werden. Erde lockern, jäten. Einige Arbeiter sind ausserdem noch in der Abpackerei beschäftigt.
Die eigentliche Teeproduktion passiert maschinell im grossen Gebäude beim Eingang der Cooperative.
Der Tee wrid dort getrocknet, fermentiert, zerschnitten und abgepckt. Der Ablauf dauert 1-2 Tage. Leider kann die Produktionshalle und die Abpackstation nicht besucht werden. Alles passiert da unter hygienischen Vorschriften. Man müsste einen weissen Anzug anziehen, doch der Bereich ist für Besucher verschlossen, erklärt Sandra.
Schade, dabei hätte mich gerade dieses Thema sehr interessiert.
Wir streifen durch die Plantage, Sandra zeigt mir die verschiedenen Pflanzenarten, wobei ich nicht ganz verstehe, ob diese separat verarbeitet werden. Denn die Pflanzen stehen beieinander. Da die kleinen dunkelgrünen Blätter sind schwarzer Tee, die grösseren hellen Blätter sind der weisse Tee und die Büsche dort drüben sind grüner Tee.
Wenn der Tee nicht dauernd abgeerntet würde, könnten die Pflanzen bis zu drei Meter hoch werden. Doch sie werden auf dieser Höhe behalten, so dass sie einfach geerntet werden können. Einmal im Jahr werden sie allerdings richtig zurück geschnitten, so dass sie wieder austreiben können.
Die Blumen, die einen leichten Duft verströmen sind eine Kamelienart. Die Samen, die sich daraus entwickeln, werden gesammelt, um neue Pflanzen zu ziehen.
drei verschiedene Pflanzensorten: weisser Tee (vorne) grüner Tee hinten links und schwarzer Tee hinten rechts.
Nebst der Teeplantage betreibt die Cooperative eine kleine Landwirtschaft. Mit Kühen und Milpas und einigen Obstbäumen.
Auf den Pflanzungen arbeiten die ganzen Familien. Nein, die Kinder nicht, beruhigt mich Sandra, als ich nachfrage. Die gehen in die Schule, es gibt auf dem Gelände eine eigene Schule. Auch eine Krankenstation wurde eingerichtet, mit einer Krankenschwester.
Ganz kann sie mich nicht überzeugen, denn ich stelle mir vor, dass die Kinder ihre Eltern bei der Arbeit begleiten und mithelfen. Bei dem Preis für eine Libra Teeblätter kann jede Hand gebraucht werden.
Nach einer guten Stunde sind wir zurück beim Hauptgebäude, wo ich noch einen Blick in den Laden werfen soll. Warum gibt es zwei verschiedene Verpackungen, will ich wissen, was ist der Unterschied?
Der Unterschied ist nicht der weisse, grüne oder schwarze Tee, die neue Verpackung wurde einzig für die Verkäufe an Ausländer, respektive für den Export entwickelt, sie ist attraktiver. Bis die alten Verpackungen aufgebraucht werden, werden noch beide angeboten.
Ich melde mich bei meinem Taxifahrer und bekomme als während ich warte, noch eine heisse Tasse Tee. Ich frage Sandra ob ich den Schirm kurz ausleihen darf, den sie noch immer mit sich trägt, was sie etwas irritiert.
Doch mir ist in den Sinn gekommen, dass ich nächstens wieder ein Schirm-Selfie brauchen werde.
Den Rest des Nachmittags verbringe ich in einer kleinen Cafeteria in der Nähe des Hauptplatzes mit gutem Wifi Anschluss und versuche mit dem Blog etwas weiter zu kommen. Allerdings bin ich so weit im Rückstand, dass es mir immer schwerer fällt, den Anschluss nicht zu verpassen.
Zum frühen Nachtessen spaziere ich noch etwas weiter und gehe in die schöne Pizzeria mit dem Holzofen. Die Pizza schmeckt sehr fein, auch wenn es wie immer hier in Lateinamerika viel zu viel Käse darauf hat und sie entsprechend sehr schwer wird.
Am nächsten Tag, es ist mein letzter, habe ich gar keine Pläne. Ich bummle zum Hauptplatz, werfe einen Blick in die Kirche, wo die Kirchenbänke jetzt am richtigen Platz stehen. An den Stirnseiten der Bänke stehen die Figuren aller Heiligen schön aufgereiht. Es scheint, das sie heute bereits einen Spaziergang durch die Stadt gemacht haben. Es ist Feria, es gibt täglich Prozessionen, aber ich habe noch keine gesehen. Aber ich höre dauernd das Knallen der Raketen. Ob die dazu gehören, oder einfach so in den Himmel geschossen werden, weiss ich nicht.
Gestern auf dem Heimweg von der Teeplantage sind wir an einem grossen Kirmes-Platz vorbei gefahren. Da stand ein grösseres Riesenrad und verschiedene andere Bahnen. Doch weil es wieder anmal anfing zu regnen, fuhren wir vorbei. Jetzt habe ich keine Lust hinzugehen, denn der Platz ist ziemlich weit ausserhalb des Zentrums und das Taxi möchte ich dafür nicht aufbieten. Tuctucs gibt es übrigens in Coban keine.
Vor der Kirche begegne ich ein paar Männern, die einen grossen Gegenstand mitschleppen. Schon meine ich, einen Sarg zu erkennen, als ich merke, dass es eine Marimba ist. Hinter ihnen laufen ein paar wild bekleidete Gestalten daher. Vielleicht haben sie eben noch in der Kirche gespielt. Oder sie waren Teil einer Prozession. Sie sind auf der anderen Strassenseite, ich mag sie nicht fragen und gehe in meine Cafeteria. Habe meinen Laptop dabei, möchte noch ein wenig schreiben.
Mein Besuch in der Orchideenfarm im Jahr 2004 lässt mir allerdings keine Ruhe. Ich hatte bereits gestern meinen Taxifahrer danach gefragt. Aber er, wie auch die Leute an der Rezeption im Hotel wussten nichts von einer anderen Orchideenfarm ausser dem Orquigonia.
Ich chatte mit meiner Freundin Irma, die damals dabei war. Sie kann mir ein Foto des Ortes senden, allerdings ohne genauen Ort oder Namen. Sie weiss nur noch, dass die Farm an der Strasse zwischen Coban und der nächsten Ortschaft Carcha gewesen sein muss. Sie hat damals Tagebuch geführt und daher muss es an dieser Strecke gewesen sein. Es sind nur kurze 10 km zwischen den beiden Ortschaften, der Ort mit so vielen Orchideen kann doch nicht einfach so verschwunden sein, die Pflanzen werden doch nicht entsorgt worden sein.
Die Sache lässt mir keine Ruhe, ich speichere das Bild vom Gewächshaus, das sie mir schickt in mein Handy und rufe Ezequiel an. Da er bereits von meinen Vorlieben für Orchideen weiss und ich ihn ausserdem auch bereits danach gefragt habe, scheint er mir die richtige Person zu sein.
Er hat auch schon eine Idee, denn anscheinend hat er mit seinem Vater darüber gesprochen. Doch leider entpuppt sich der Vorschlag seines Vaters als normales Blumengeschäft. Also fahren wir in die nächste Ortschaft und sehen uns jedes Schild am Strassenrand genau an.
Vor der Kirche von Carcha steige ich aus und sehe mich um. Ich spreche einen Strassenarbeiter an, und der schlägt mir vor, mit einem Mann zu sprechen, der da auf einer Bank sitzt. Adalberto heisst der Mann und er freut sich, mit mir zu sprechen. Er studiert das Bild und findet ebenfalls, dass so eine grosse Pflanzensammlung nicht einfach so verschwinden kann.
Vielleicht war da etwas Ausgangs Dorf, meint er dann und versucht sich an den Mann zu erinnern. Er erklärt Ezequiel zwei mögliche Orte und drückt uns die Daumen, dass wir das Treibhaus finden werden. Irgendjemand in der Nàhe müsste doch etwas davon wissen.
Doch dann entpuppt sich sein erster Tipp als eine Schule, die seit ein paar Jahren hier steht. Im Büro weiss niemand etwas von Orchideen. Wir fahren weiter, kommen auf Nebenwege, auf nicht befestigte Dorfstrassen, wir fragen Leute, die zuföllig auf der Strasse gehen, doch da ist niemand, der etwas weiss. Eigentlich liebe ich solche Suchaktionen, bei denen man nicht weiss, was dabei heraus kommt, doch muss man immer damit rechnen, dass eben nichts dabei heraus kommt.
Adalberto würde gern helfen. Seine Familie stamme übrigens aus Deutschland, erzählt er mir stolz. Düsseldorf.
Wir kommen noch in eine grosse Gartenpflanzenfirma und ein kleines Blumengeschäft, das ein paar einzelne Orchideen führt.
Das sind aber keine einheimische Pflanzen? frage ich nach, die scheinen aus Thailand zu kommen. Ja, meint die junge Verkauferin. Die kommen ursprünglich aus Finnland oder Thailand, so genau weiss ich das nicht. Ich muss schmunzeln und erkläre ihr, dass Finnland wohl kaum in Frage komme, denn das Land liegt im Norden von Europa. Doch wenn man keine Ahnung hat wo Europa liegt, ist diese Auskunft nicht sehr hilfreich Jedenfalls tut es ihr leid, dass sie uns nicht weiter helfen kann. Sie meint noch, die Orchideen könnten heute zu einem Hotel gehören, da es einige neue Hotelanlagen gegeben hat.
Doch ich habe jetzt genug von der Sucherei. Die Orchideen sind verschwunden, der alte Mann bestimmt schon lange gestorben. So wie leider auch unser damaliger Chauffeur, Thomas aus Antigua, mit dem ich damals oft unterwegs war. Er scheint den Ort gekannt zu haben War wahrscheinlich schon damals ein Geheimtipp.
Wir brechen die Suche ab und fahren zurück nach Coban. Interessant war der Nachmittag trotzdem.
Auch dass ich fünf Tage in Coban geblieben bin, hat sich gelohnt. Normalerweise kommt man hier höchstens für eine Nacht her. Es ist nur Durchgangsort auf dem Weg nach Semuc Champey. Da ich auf meiner Reise genügend Zeit habe, habe ich mir vorgenommen, länger an den einzelnen Orten zu bleiben. Es gibt immer irgend etwas zu entdecken und wenn es auch nur das ganz normale Alltagsleben der Menschen ist.
Morgen fahre ich noch einmal zurück an den Atitlan-See, nach Panajachel.
Aufbruch: | 09.06.2023 |
Dauer: | 7 Monate |
Heimkehr: | Januar 2024 |
Mexiko