In 360 Tagen um die Welt

Reisezeit: August 2006 - Juli 2007  |  von Markus Steininger

Bolivien: Potosí

12.-14.10.06
Als wir am Morgen am "Busbahnhof" von Uyuni kamen, gab es zunaechst eine boese Ueberraschung. In jeder Flota (Busunternehmen) hiess es "todo ocupado". Schliesslich ergatterte ich doch noch zwei Boletos. Im Bus stellte sich dann heraus, dass auf einem der beiden Sitze ein alter Boliviano sass. Wie uns hatte man auch noch zwei anderen Travellern einfach auf Kosten alter Einheimischer die Plaetze doppelt verkauft! Diese Praxis traegt sicherlich nicht zum guten Einvernehmen zwischen lokaler Bevoelkerung und Touristen bei. Zumal auch noch die Einheimischen vom Personal aufgefordert wurden aufzustehen.

Also bezog ich fuer die ersten eineinhalb Stunden einen Stehplatz, bevor mich Marion abloeste. Zum Glueck stieg der alte Mann nach 2 Stunden aus. Denn die vollen sechs Stunden Ruettelpiste bis Potosí zu stehen, waere sicher anstrengend geworden.

In der Hostal Compañia de Jesús fanden wir nur einen Block von der Plaza entfernt fuer 100,- Bs eine schoene Bleibe.

Es ist kaum zu glauben, aber im Mittelalter war Potosí die groesste Stadt ganz Amerikas, groesser als Paris oder Rom! Grundlage fuer diese glanzvolle Entwicklung war das im Cerro Rico vorhandene Silber, das die Spanier gnadenlos ausbeuteten. Heute leben ca. 170.000 Menschen in der hoechstgelegenen Grossstadt der Welt auf 4065 m.

Die Glanzzeit Potosís laesst sich heute noch an den schoenen Gebaeuden im Zentrum erahnen.

Die Polizeistation auf der Plaza 10 de Noviembre erstrahlt in "Schoenbrunner Gelb".

Die Polizeistation auf der Plaza 10 de Noviembre erstrahlt in "Schoenbrunner Gelb".

Nicht alle der unzaehligen und typischen Balkone an den Kolonialbauten Potosís sind so schoen renoviert.

Nicht alle der unzaehligen und typischen Balkone an den Kolonialbauten Potosís sind so schoen renoviert.

Eines der schoensten Buergerhaeuser Potosís mit drei kunstvoll gestalteten Portalen.

Eines der schoensten Buergerhaeuser Potosís mit drei kunstvoll gestalteten Portalen.

Wie in ihrem gesamten Einflussbereich in Suedamerika liessen die Spanier auch hier eine grosse Anzahl von Kirchen errichten. Ganze 36, heute zum Teil verfallene, Iglesias haben mit dazu beigetragen, dass die UNESCO die Altstadt Potosís zum Weltkulturerbe erklaerte.

Die Iglesia San Lorenzo beeindruckt mit einem Portal, das im typischen Estilo Mestizo gestaltet ist. Die indigenen Kuenstler haben ihre wichtigsten Symbole wie Sonne und Mond, Planzen und Gesichter mit eingearbetet.

Die Iglesia San Lorenzo beeindruckt mit einem Portal, das im typischen Estilo Mestizo gestaltet ist. Die indigenen Kuenstler haben ihre wichtigsten Symbole wie Sonne und Mond, Planzen und Gesichter mit eingearbetet.

Zu Beginn des 18. Jahrhunderts entstand die Compañia de Jesús aus rotem Sandstein.

Zu Beginn des 18. Jahrhunderts entstand die Compañia de Jesús aus rotem Sandstein.

Das Silber wurde von den Spaniern auf Schiffe verladen und in die Heimat gebracht. Oftmals fiel die Ladung aber in die Haende von Piraten, wie etwa Francis Drake, der heute noch in Potosí als Held verehrt wird!

Als das Silber zu Ende gegangen war, verloren die Europaeer ihr Interesse am Cerro Rico. Fuer die hier weiterhin lagernden Rohstoffe hatte man keine Verwendung. Im 20. Jahrhundert wurden die Minen zunaechst verstaatlicht, spaeter an Kooperativen der Mineros verkauft. Bis vor einigen Jahren wurde besonders Zinn aus dem Berg geholt. Als der Weltmarktpreis 1986 verfiel, begann man sich verstaerkt dem Zinkabbau zu widmen.

In all den Jahren blieb fuer die Modernisierung der Minen kaum Geld uebrig. Es fehlt weitgehend an Be- und Entlueftungsanlagen. Auch mechanische Transportmittel und Pressluftbohrer sind Mangelware. Trotzdem ist der Berg durchloechert wie Schweizer Kaese. Taeglich arbeiten mehrere hundert Bergleute unter Bedingungen wie vor mehr als einem Jahrhundert. Die meisten von ihnen gehen dieser ungesunden Taetigkeit nach, weil sie als Indigenas mit schlechter Bildung in der Stadt keinen anderen Job finden. Viele beginnen im Jugendalter im Berg und sterben in ihren 30ern an Staublunge.

Diese Arbeitsbedingungen kann man als Tourist in einer mehrstuendigen Tour am eigenen Leib erfahren. Dabei gehen 15% der 10,- USD Tourkosten an die Kooperative. Ausserdem werden kleine Geschenke fuer die Bergleute von den Besuchern am Mercado de Mineros eingekauft und mitgebracht. So gibt es z.B. problemlos Dynamit samt Zuender fur 2,- EUR und eine Flasche 96 prozentigen!!! Zuckerrohrschnaps zum gleichen Preis zu kaufen.

Seit Jahrhunderten ist der Cerro Rico das Arbeitsgebiet fuer Generationen.

Seit Jahrhunderten ist der Cerro Rico das Arbeitsgebiet fuer Generationen.

Bereits der Eingang laesst die technische Ausstattung dieser Mine erahnen.

Bereits der Eingang laesst die technische Ausstattung dieser Mine erahnen.

Nur auf der Ebene des Ein/Ausgangs verkehren kleine Zuege mit Batteriebetrieb. Auf allen anderen Levels muessen die Wagen geschoben werden. Als vor unseren Augen ein leerer und ein beladener aufeinandertrafen, musste der leere staehlerne Bergwerkshunt von den Mineros zunaechst manuell aus den Schienen gehoben und danach wieder zurueckgestellt werden.

Insgesamt vier Maenner sind noetig um einen schwer beladenen Hunt ans Ende des Stollens zu bewegen. Dort wird die Ladung mit manuellen Winden hochgehoben.

Insgesamt vier Maenner sind noetig um einen schwer beladenen Hunt ans Ende des Stollens zu bewegen. Dort wird die Ladung mit manuellen Winden hochgehoben.

Die Verbindungen zwischen den einzelnen Ebenen sind so steil und eng, dass sie nur auf allen Vieren bewaeltigt werden koennen.

Die Verbindungen zwischen den einzelnen Ebenen sind so steil und eng, dass sie nur auf allen Vieren bewaeltigt werden koennen.

Die hohe Temperatur im Stollen und die anstrengende Kletterei trieb mir die Schweissperlen ins Gesicht. Es ist fuer mich unvorstellbar hier taeglich koerperlich schwer arbeiten zu muessen.

Die hohe Temperatur im Stollen und die anstrengende Kletterei trieb mir die Schweissperlen ins Gesicht. Es ist fuer mich unvorstellbar hier taeglich koerperlich schwer arbeiten zu muessen.

Der Besuch der Touristen mit ihren Geschenken stellt eine willkommene Abwechslung im Leben der Mineros (ohne Helm und Mundschutz) dar.

Der Besuch der Touristen mit ihren Geschenken stellt eine willkommene Abwechslung im Leben der Mineros (ohne Helm und Mundschutz) dar.

Der Lohn der Bergarbeiter haengt ausschliesslich von Quantitaet und Qualitaet des gefoerderten Erzes ab. Das durchschnittliche Monatseinkommen von 100,- EUR ist fuer bolivianische Verhaeltnisse hoch. Nach dem Glauben der Mineros ist es vom Dio, dem Gott der Minen, der gleichzeitig auch als Diabolo bezeichnet wird, abhaengig. Daher gibt es in jeder Mine eine eigene Figur, vor der besonders am Freitag Nachmittag geraucht und getrunken wird. Dabei wird immer ein wenig Schnaps fuer Dio und Pachamama (Mutter Erde) auf den Boden geschuettet. War die Ausbeute besonders gut wird auch entsprechend mehr getrunken. War sie schlecht, muss noch mehr getrunken werden, um Dio guetig zu stimmen. Durch diese Logik wird der Alkoholkonsum staendig erhoeht!

Der Bergmann steckt Diabolo eine Zigarette als Opfer an. Seine Wange ist voll mit Cocablaettern, die den ganzen Tag konsumiert werden. Sie vertreiben Hunger und Muedigkeit.

Der Bergmann steckt Diabolo eine Zigarette als Opfer an. Seine Wange ist voll mit Cocablaettern, die den ganzen Tag konsumiert werden. Sie vertreiben Hunger und Muedigkeit.

Deutlich sind die mineralischen Einschlusse im Gesteinsbrocken - zumindest bei Tageslicht - zu erkennen.

Deutlich sind die mineralischen Einschlusse im Gesteinsbrocken - zumindest bei Tageslicht - zu erkennen.

Nachdem das Gestein gemahlen wurde, werden die Minerale auf chemischem Weg herausgefiltert.

Nachdem das Gestein gemahlen wurde, werden die Minerale auf chemischem Weg herausgefiltert.

Zum Abschluss wurden die 21 Touristen noch in den Umgang mit Dynamit eingefuehrt.

Minero Marco S. mit Dynamitstange, Zuender und Zuendschnur.

Minero Marco S. mit Dynamitstange, Zuender und Zuendschnur.

Die Zuendschnuere brennen bereits ...

Die Zuendschnuere brennen bereits ...

... und kurz darauf gibt es in sicherer Entfernung einen gewaltigen Knall.

... und kurz darauf gibt es in sicherer Entfernung einen gewaltigen Knall.

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Mit dem Rucksack Richtung Westen: Südamerika (Argentinien, Bolivien, Peru, Chile), Neuseeland, Australien, SO-Asien (Thailand, Vietnam, Kambodscha, Malaysia, Myanmar)
Details:
Aufbruch: 02.08.2006
Dauer: 11 Monate
Heimkehr: 11.07.2007
Reiseziele: Argentinien
San Pedro De Atacama
Arequipa
Colca Canyon
Bolivien
Neuseeland
Australien
Thailand
Vietnam
Kambodscha
Malaysia
Der Autor
 
Markus Steininger berichtet seit 18 Jahren auf umdiewelt.
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