sieht so aus, als flöge ich um die Welt...?
Neuseeland : 01.04. Auckland
Hu, war das kalt heute Nacht, ich muss später um ein zweites Laken zum zudecken bitten. Den Leihwagen muss ich erst um 10.00 abholen, denn ich soll erst gegen mittag bei Inia sein. Aber ich will ja eigentlich so früh wie möglich, sprich um 8.00 im Kiwi Büro sein. Ach egal, jetzt ist mir endlich mal warm, ich schlafe noch ne Stunde, gegen 9.00 reicht auch.
Dann mache ich mich fertig, Drivers License nicht vergessen und laufe dieselbe Strecke, die ich schon mit Jody und Rens gegangen bin. War das wirklich so lang, ich bin kurzzeitig mal wieder etwas verwirrt und verirrt, finde das Office aber dann. Mit meinem Plan stehe ich da und erfahre, dass es ab 12.04. nochmals einen anderen Busfahrplan geben wird. Dummerweise sind genau die Tage, die ich in der zweiten Hälfte meiner Reise geplant habe, nun nicht mehr möglich. So ein Mist. Ich bin ziemlich genervt. Wieso habe ich denn gestern nicht den neuen Plan bekommen? Jetzt kann ich wieder von vorne anfangen.
Die zweite Nacht in Christchurch, die ich gestrichen hatte, muss ich auf jeden Fall doch machen, denn es gibt keine Möglichkeit am Tag vor meinem Flug dort hinzukommen. Nach ca. 20 Minuten habe ich es dann erneut ausgearbeitet und jeweils die zweite Nacht in Franz Josef und Kaiteriteri gestrichen.
Die freundliche Dame im Office bucht alle meine Busse und rät mir, überall dort, wo ich mehr als eine Nacht bleiben will, auch unbedingt schonmal die Hostels zu buchen, denn Kiwi garantiert nur eine Nacht. Ich verabschiede mich und sie wünscht mir viel Glück, denn ich habe ihr von meinen Plänen für heute erzählt.
Die Autovermietung ist ein Stück die Straße weiter runter und schnell gefunden. Von der sehr freundlichen Angestellten bekomme ich einen weißen Kleinwagen und den Hinweis, doch bitte links zu fahren. Die Strecke habe ich auf Googlemaps, das hat sich ja schon auf Bali bewährt. Die Autovermietung ist ein Stück die Straße weiter runter und schnell gefunden. Von der sehr freundlichen Angestellten bekomme ich einen weißen Kleinwagen und den Hinweis, doch bitte links zu fahren.
Die Strecke habe ich auf Googlemaps, das hat sich ja schon auf Bali bewährt. Aus der Stadt heraus finde ich ganz leicht, denn der Highway 16, dem ich bis quasi vor Inias Haustür folgen werde, beginnt direkt nebenan. Zurück finden sollte auch kein Problem sein, der Highway endet hier. Parken kann man hier oder in der Nähe des Hostels absolut nirgends kostenfrei, aber vielleicht bin ich ja bis 6.00 zurück, falls es etwas später wird, darf ich sogar anrufen und die junge Dame wartet auf mich.
Frohgemut fahre ich, auch hier bald etwas über Limit, auf Australiens Straßen und werfe immer mal wieder einen Blick auf die Route auf dem Tablet. Immer weiter auf dieser Straße bleiben, bis Helensville kommt und da irgendwo rechts abbiegen. In Helensville ist die Route dann leider aus googlemaps verschwunden und auch die Karte lädt nicht mehr ordentlich. Also fahre ich links auf den Parkplatz eines Museums, um mich neu zu orientieren. Aber ohne Straßen und Straßennamen auf maps klappt das natürlich nicht.
Zwei Autos weiter steigt eine ältere Lady aus ihrem Auto und ich frage sie. Sie nimmt mich mit in das Museum, im Garten arbeiten jede Menge ältere Damen an den Blumenrabatten. Niemand kennt die Straße, nur eine wirklich alte Lady erklärt mir, dass ich völlig falsch bin, weil die Straße weiter vor der Stadt ist. Eigentlich ist es auch keine richtige Straße und seit sie damals (sie sagte das genaue Datum, aber ich kann mich nicht mehr erinnern) die Eisenbahn gebaut haben, überdies eine Sackgasse. Oha.
Ich frage nach, ob es eine Bibliothek in der Stadt gibt, denn ich denke, ich muss mich unbedingt neu orientieren. Ja, gibt es, nur finde ich sie nicht, obwohl die Stadt nicht wirklich groß ist und die Damen mir erzählt haben es stünden Kanonen davor. Ich parke in einer Nebenstraße, denn ich bin mit fahren und schauen überfordert. Ich frage eine Dame, die in ihrem Auto sitzt, nach der Bibliothek und sie benutzt ihr googlemaps. Die libary müsste an der übernächsten Straße sein und die Straße, die ich suche, ist wirklich ziemlich weit ausserhalb. Ok, ich mache mich zu Fuß auf den Weg zur libary, die ich überaschenderweise schon direkt an der nächsten Straße finde und das Internet ist super schnell. Ich lade googlemaps neu und markiere nochmal die Route, die allerdings sofort wieder verschwindet, sobald ich nicht mehr online bin.
Ich fahre noch einmal an der Abzweigung vorbei und muss drehen. Die ältere Lady hatte recht, das ist eigentlich keine Straße, sondern eine Schotterpiste.
Hier ist die Hausnummer, dahinter ein Holzgatter. Eine Klingel gibt es nicht. Ich parke das Auto vor dem Tor. So, soll ich da jetzt einfach reingehen? Es bleibt mir wohl nix anderes übrig. Ich sehe eigentlich auch gar kein Haus. Weiter hinten steht ein einstöckiges Gebäude, von dem ich vor allem die Veranda sehe, auf der jede Menge unterschiedliche Möbel stehen.
Während ich noch unschlüssig, was ich tun soll, den Weg hinauf gehe, höre ich, wie jemand meinen Namen ruft. Auf der Veranda steht ein großer Mann mit Dreads im schwarzen T-Shirt. Das könnte Inia sein, bislang habe ich ihn ja nur auf Fotos im Internet gesehen. Fahr das Auto rein, sagt er und deutet auf die Fahrspur, die direkt zu dem Häuschen führt. Ich tue wie geheißen und steige dann aus.
Mach bitte das Tor zu, die Kühe kommen sonst rein. Äh, ja ok. Die Begrüßung hatte ich mir anders vorgestellt. Ich will den Weg wieder runter gehen, da sagt er noch, schön dass Du da bist. Wie hast Du es gefunden? Denn die Wegbeschreibung, die er mir geschickt hatte, konnte ich nicht öffnen. Das war das Letzte, was er gestern von mir gehört hat, denn heute war ich noch nicht online. "Ehrlich", sage ich zu ihm, "niemand kennt Dich hier". "Ja", sagt er, "genauso will ich es haben. Niemand soll mich finden, wenn ich es nicht will."
Später erklärt er, dass er in seinem Studio in Auckland nicht mehr arbeiten konnte, zuviele Leute kamen täglich vorbei. Viele sogar mit dem Ansinnen, quasi vom Fleck weg, sofort ein Tattoo zu bekommen und möglichst billig. Was natürlich zeigt, dass sie keine Idee haben, was ein Ta Moko überhaupt ist. Die Muster werden individuell für den Träger entworfen und erzählen seine Geschichte. Eine Tätowierung bekommt bei den Maori zudem nur, wer sich als würdig erweist. Vor allem die Gesichts-tättowierungen sind eine große Ehre und nur den Chiefs oder großen Kriegern vorbehalten.
Es gibt eine Diskussion zu dem Thema, ob Pakeha, andere Menschen, überhaupt ein Ta Moko bekommen dürfen. Viele Maori sehen es als eine Möglichkeit, ihre Kultur lebendig zu halten und weiter zu geben, nachdem die Tättowierungen lange in Verruf geraten waren als etwas abseitig und Gangsymbol. Allerdings nur, wenn der Träger sich der Bedeutung auch bewusst ist und nicht nur ein hübsches Muster will. Aber natürlich gibt es auch kritische Stimmen. Kopieren ist verpönt und die Gesichtstättowierungen sind strikt nur den Maori selbst vorbehalten, die Gemeinschaft entscheidet, wann jemand würdig ist.
Ich habe Inia vor Wochen die erste email geschrieben und ihm erklärt, warum ich gerne ein Ta Moko hätte. Die Hintergründe, die den Zeitpunkt für mich zu einem Besonderen machen, die symbolische Bedeutung des Tattoos und auch der Stelle, wo ich es haben will. Als Inia geantwortet hat, habe ich mich sehr gefreut, denn es ist ein bisschen so, als würde ich mit Andy Warhol darüber reden, ob er meine Wand bemalt. Inia ist berühmt und auf der ganzen Welt unterwegs. Er hat u.a. Rihanna tätowiert, für Robbie Williams hatte er keine Zeit, also hat das ein Kollege gemacht.
Wer mehr über Inai und seine Arbeit erfahren will:
http://www.mokoink.com
http://m.spiegel.de/reise/fernweh/a-904719.html#spRedirectedFrom=www&referrrer=https://www.google.co.nz/
Und nun bin ich hier und schließe erstmal das Gatter, wir wollen ja nicht von Kühen überrascht werden. Als ich zurück komme, ist die Veranda leer, also gehe ich in den Vorraum und von dort rechts in den Hauptraum.
Wow, der Raum erschlägt mich förmlich, zu viele Eindrücke, um sie alle sofort zu verarbeiten. Die Tür durch die ich gekommen bin liegt an der Schmalseite des Raumes. Links sind zwei weitere Türen. In der Mitte der vorderen Hälfte des Raums steht ein Esstisch für 6 Personen.
Rechts an der Wand ist eine lange Ablage, auf der Inais PC, Stereoanlage und auch Plattenspieler steht. Davor lehnen ein paar Speere an der Wand. Dahinter in der rechten Ecke des Raumes füllen CDs und Platten ein Regal.
In der Mitte der Schmalseite gegenüber scheint Inias Arbeitsplatz zu sein. Auf einem kleinen Tischchen stehen die Töpfchen und Spender für die Tinte und es sieht so aus, als ob auch auch zwei, drei der Tättowiermaschienen da liegen.
An der linken langen Wand stehen Vitrinen mit Kunstwerken und Maori Artefakten, auch eine sterile Vitrine zur Aufbewahrung von Arbeitsmaterial steht dort.
An allen Wänden hängen Fotos, sie zeigen Beispiele von Tättowierungen und Gesichtstättowierung und -bemalung. Natürlich gibt es auch Fotos von Inai und seinen Arbeiten. Auch die Trikots der neuseeländischen Rugby Mannschaft, die er gestaltet hat, hängen hier.
Es ist auch eine Art Museum sagt Inai, er wuselt herum, fragt, ob ich Tee will (ja), ins Internet (später) und legt eine neue Platte ( Flughafenmusik) auf. Ich muss erstmal ankommen und vielleicht bin ich nicht die einzige, die erstmal verarbeiten muss bzw. erst fremdelt. Wir trinken Tee und essen meine letzten Oreos aus Australien. Ich bitte um einen Löffel und esse meinen mitgebrachten Joghurt, zum Frühstück hats heute nämlich nicht gereicht.
Dabei reden wir ein bisschen. Inai fragt, wie lange ich schon reise und wie es dazu kam. Auch darüber, wie das Reisen mich verändert hat, reden wir. Inai macht sich Notizen, dann, ab einem Punkt, wandert sein Blick immer wieder zu meinem Rücken. Er macht im Geist die ersten Entwürfe.
Er fängt an zu zeichnen mit rot, direkt auf seine Arbeitsfläche, also mich. Der ungefähre Verlauf des Tattoos steht fest und ich werfe einen ersten Blick in den Spiegel. Die rote Zeichnung beginnt auf meiner Schulter, zieht sich wie ein über die Schulter geworfenes Tuch über meinen Rücken und endet vorne auf meiner Taille.
Ist das nicht zu weiblich? Ich will ein starkes Ta Moko, kein abgewandeltes Motiv für Frauen. Es wird stark, sagt Inai, keine Sorge, aber es folgt Deinen Formen.
Ich vertraue ihm da, ich bin überzeugt, dass er es besser weiß als ich und habe ihm deshalb künstlerische Freiheit gegeben.
Inai nimmt einen blauen Stift und beginnt die Zeichnung von vorn, diesmal detaillierter. Dabei erklärt er mir die Bedeutung. Auf der Schulter habe ich das Symbol für Stärke, die gewundene Form erinnert an einen Babyfarn, um mein Wachstum, meine Entwicklung zu symbolisieren.
Die Formen sind um einen Kreis gruppiert, den sie aussparen, das ist mein Großvater. Auf meinem Schulterblatt folgt ein weiterer dieser Kreise, meine Großmutter. Beide haben mir in meiner Kindheit unwahrscheinlich viel Halt und Liebe gegeben. Zwei Kreise nah zusammen etwas tiefer symbolisieren meine Eltern. Im Verlauf über meinen Rücken folgen drei weitere, zwei nah zusammen auf meinem Rücken und einer fast am Ende des Tattoos auf meiner Seite. Sie symbolisieren meine beiden Schwestern und mich, aber ebenso die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft. Die Formen sind ausgefüllt mit kleinen Wellen, bei den Maori Symbol für Reisen und Veränderung, die aber ebenso für meine Liebe zum Wasser und besonders dem Meer stehen.
Inai findet immer wieder Kleinigkeiten, die er perfektioniert und das Tattoo größer machen. Mir ist es recht, ich hätte gerne etwas großes. Wenn schon denn schon.
Als Inai mit dem Ergebnis zufrieden ist, reden wir über den Preis und die Zeit, die wir brauchen. Es ist jetzt mittag und wir werden heute bis 6 arbeiten. Eventuell muss ich dann morgen wiederkommen. Gut, dass ich den Mietwagen für zwei Tage habe und morgen auch einen Tag Rast in Auckland eingeplant hatte, so müssen wir uns nicht beeilen.
Aber wieviel wird es kosten? Kann ich es mir überhaupt leisten? Etwa 1.200 Neuseeland Dollar mindestens, sagt Inai, das kommt eben auch auf die Arbeitszeit an. Ich bin erleichtert, ich hatte mit einem höheren Betrag gerechnet. Bleibt noch die Frage, wie er zu seinem Geld kommt. Wir entscheiden, dass ich schnell in die nächste Ansiedlung fahre, um das Geld abzuheben. So habe ich auch noch etwas Zeit, um über alles nachzudenken, denn wenn ich Änderungen will, dann wäre jetzt der Zeitpunkt. Lass das Gatter ruhig auf, sagt Inai, Du bist ja gleich wieder da. Kurz bevor ich aufbreche, küsst er mich überraschend auf die Wange. Durch die Arbeit sind wir beide aufgetaut, ich fühle mich mittlerweile wohl und sicher bei Inai, sonst würde ich das nicht durchziehen.
Ich fahre mit meinem kleinen Autochen zur nächsten Ansammlung von Häusern, hebe Geld ab und kaufe zwei belegte Brote und etwas Kuchen zum Lunch, außerdem zwei Kitkat. Hm, hoffentlich ist Inai kein Vegetarierer.
Ist er nicht und freut sich, dass ich Lunch mitgebracht hab. Wir essen erstmal ein Kitkat und mustern das Tattoo nochmal kritisch, Inai verbessert den Part auf der Schulter und macht ihn nochmal größer. Ich bitte ihn, einige der Spitzen auf meiner Seite zu verlängern. Inai überlegt, etwas Blau mit hineinzubringen, wegen den Wellen oder sollen wir es bei schwarz belassen? Mein Trip wird von der Farbe Blau dominiert, dass ist mir schon mehrfach aufgefallen. Mein Rucksack und alle meine Taschen sind z.B. blau, vielleicht weil ich blau mit Freiheit assoziiere. Ich kann mir blau im Tattoo also gut vorstellen.
Dann wären wir eigentlich startklar. Ich weiß, dass sobald es kein Zurück gibt, Zweifel auftauchen werden, ich werde einen Moment der Hyperrealität erleben, ein ogott ich tu es wirklich. Ich war so fixiert darauf, ob Inai sich bereit erklären würde, es zu tun, dass ich gar nicht mehr darüber reflektiert habe, ob ich das eigentlich will.
Will ich das? Die Antwort ist ein klares, starkes Ja. Der einzige Grund, der dagegen spricht, ist, dass es mit meiner Arbeit eigentlich nicht zu vereinen ist. Aber ich habe es satt, mich von meiner Vorstellung davon, was andere von mir erwarten, gängeln zu lassen. Wenn es nur nach mir geht, dann will ich das Tattoo, kann es kaum erwarten und es geht nach mir.
Inai legt seine Hand auf meine Schulter und spricht ein Gebet, dann zieht er die erste Linie auf meiner Schulter. Zu meiner Erleichterung tut es nicht so weh, wie ich befürchtet habe. Inai zieht die Konturen auf meiner Schulter und meinem Rücken. Als er tiefer kommt, muss ich mich hinlegen, damit er arbeiten kann. Auf der Seite tut es, wie erwartet, am meisten weh, aber es ist auszuhalten. Dann setze ich mich wieder auf den Stuhl vor Inai, damit er mit den Details weitermachen kann.
Als er die Schulter fertig hat, machen wir eine Lunchpause. Das erste, was ich natürlich mache, ist vor den Spiegel rennen und Inais Arbeit bewundern. Dann teilen wir die beiden Brötchen und den Kuchen und es geht zurück an die Arbeit.
Ob es am Zeitpunkt liegt oder auch der Stelle, es tut jetzt jedenfalls wahnsinnig weh. Ich versuche, den Schmerz wegzulächeln. Bei den Maori gilt es als sehr unehrenhaft, während des Tättowierens zu schreien oder weinen. Also lächele ich und denke an meinen Großvater und wie wichtig es meinem Vater war, dass wir stark und tapfer waren und verkneife mir jeden Schmerzenslaut. Vor allem die langen Linien fühlen sich an, als schneide Inai mir in die Haut.
Inai hat mir erzählt, wie sein Leermeister den Kriegern Witze erzählte, denn Lachen erleichtert ebenso wie Schreien, ist aber viel ehrenhafter. Lächeln oder Lachen hilft mir auch tatsächlich den Schmerz besser zu ertragen. Für eine Weile zumindest.
Ich muss mich wieder hinlegen und Inai arbeitet sich in die unteren schmerzhafteren Regionen vor. Immer wenn ich zucke oder leise wimmere, was ich ein paar Mal nicht unterdrücken kann, entschuldigt sich Inai. Er kann kaum den Schmerz ertragen, den er mir grad zufügt, so ein lieber Mann ist er.
Als er an meinem Unterbauch ist, versuche ich still zu halten, kann aber nicht. Gut 5 Stunden sind vergangen und wir sind extrem schnell voran gekommen, weil wir nur ein paar kurze Pausen gemacht haben. Aber nun kann Inai nicht mehr arbeiten. Was nun? Zum Glück hat Inai eine Lösung. Er hat ein anästhesierendes Spray, das zwar nicht überall wirkt, aber genug Stellen taub macht, dass ich still halten und er weiterarbeiten kann.
Ich bin sehr froh, dass er es auch für die blaue Kolorierung nochmal auf meinem gesamten Rücken aufträgt.
Dann ist es soweit, ein paar letzte Korrekturen und es ist fertig. Vielleicht eins meiner besten Stücke sagt Inai und ich bin stolz wie Oskar.
Ich stehe vor dem Spiegel und bewundere das Kunstwerk, das nun meinen Rücken ziert und mir kommen die Tränen. Inai nimmt mich in den Arm und freut sich mit mir. Du bist so ein guter Kunde, lächelst und lachst, wenn Du Schmerzen hast und jetzt, wo Du glücklich bist, weinst Du. Er cremt das ganze Tattoo ("it's huge") nochmal mit Vaseline ein, dann kommt Frischhaltefolie drüber und ich ziehe vorsichtig meine Sachen wieder an.
Ich kann mich kaum trennen, muss aber los, denn ich will den Sonnenuntergang an einer Stelle erleben, die Inai mir empfohlen hat und jetzt ist es schon fast 7.00. Inai öffnet mir noch das Tor, ein letztes Winken und ich fahre davon.
Was ich hier nicht rüberbringen konnte, ist die Spiritualität der Erfahrung. Über lange Strecken haben Inai und ich nicht geredet. Er hoch konzentriert, für mich war der Prozess des Tättowierens fast Meditation.
Auf dem Weg zum Strand verfahre ich mich total. Der Himmel ist schon rot und ich bin an einer ganz falschen Bucht. Soll ich einfach nach Hause fahren? Aber ich möchte gerne sehen, wo die Gannots, von denen Inai mir erzählt hat brüten. Als ich die Gannot Kolonie gefunden habe, muss ich mich beeilen, um den Ausblick noch rechtzeitig vor Sonnenuntergang zu erklimmen. Mein Rücken pikst und sticht, aber das ist es wert. Der Sonnenuntergang ist wunderschön und ich bin glücklich.
Die weißen Punkte auf dem Stein sind Gannots, sie können bis zu 30 Meter tief tauchen, um zu jagen und durchbrechen die Wasseroberfläche mit mehr als 100 m/h
Ich fahre problemlos zurück nach Auckland, aber leider gibt es einfach keine kostenfreien Parkplätze. Ich weiß auch nicht, wie gefährlich es ist, sich einfach irgendwo hinzustellen. Am Ende fahre ich, weil ich müde bin und einfach nur eine Lösung will, ins Parkhaus direkt am Hostel. Für 15 $ die Nacht ein teures Vergnügen. Schnell kaufe ich noch Bebanthen und Frischhaltefolie, um das Tattoo morgen versorgen zu können.
Im Hostel sitze ich noch eine Weile im Gemeinschaftsraum, aber schaffe vom Holunderwein, den ich zur Feier des Tages trinke, nur die Hälfte. Dann gehe ich mit langem T-Shirt über dem immer noch eingewickelten Tattoo ins Bett. Ausserdem nehme ich mir die Wolldecke vom Bett über mir, die scheinbar alle anderen Betten, ausser meinem zu haben scheinen.
Aufbruch: | 11.01.2015 |
Dauer: | 5 Monate |
Heimkehr: | 28.05.2015 |
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