sieht so aus, als flöge ich um die Welt...?
Neuseeland : 24.04. Christchurch
Ich schlafe ziemlich lange, ist ja das erste Mal seit Queenstown, dass ich das kann. Gegen 8.30 stehe ich auf und gehe frühstücken. Nach dem Frühstück bleibe ich mit meinem Tee noch eine Weile sitzen und schreibe. Das erste Mal seit Längerem kommt auch die Bluetooth Tastatur zum Einsatz und da ich es endlich geschafft habe, sie auf das deutsche Alphabet zu programmieren, komme ich deutlich schneller voran.
Parallel mache ich einen Plan für den heutigen Stadtrundgang. Es gibt viel Kunst und Streetart in Christchurch. Ausserdem will ich die Kathedrale sehen. Dort ist heute auch ein KünstlerMarkt auf dem Vorplatz. Aber der beginnt erst um 4.00pm. In der Küche treffe ich Isi und Anni und frage, ob sie nachher mitwollen? Ja, klar.
Ich gehe mich mal lieber fertig machen, es ist schon 13.00 Uhr. Im Zimmer treffe ich Maxi, er ist wach und will immer noch seine Haare scheren. Ob wir das jetzt machen können? Ich will grad raus, sage ich. Lass es uns danach machen, Du musst Dir auch erstmal mit der Haarschermaschine Deine Haare ganz kurz schneiden. Ja, alles klar, meint er, er muss ohnehin erstmal frühstücken, denn so auf nüchternen Magen, ist das ja nichts.
All good. Ich mache erstmal meinen Spaziergang.
Vom Hostel aus wende ich mich nach rechts und schlendere am Hagley Park entlang, dann biege ich links ab Richtung Cranmer Square. Hier stehen Kreuze zum Gedenken an die Toten der Weltkriege. Da morgen Anzac Day ist (der Gedenktag der australischen und neuseeländischen Truppen, sowie der Soldaten aus Tonga im ersten und zweiten Weltkrieg), sind die Kreuze mit Poppies, mit Mohnblumen geschmückt.
Am Green Roofs Project vorbei, das mir wegen den vielen Blumen gut gefällt, geht es zu den "Commons". Früher war hier wohl ein zentraler Platz mit den entsprechenden Gebäuden. Nun ist es eine große Schotterfläche. Mitten drauf eine Reihe hölzerner Bögen. Kunst des Projektes "gap filler" wie sie überall in Christchurch zu finden ist. Ausserdem gibt es ein paar Gebäude, einen "plant exchange", ein paar Spielmoglichkeiten, z.B. Minigolf und einige sehr liebevoll und individuell gestaltete Imbisswagen.
Ich überquere den Fluß im Victoria Square, auf einer Brücke, die halbseitig gesperrt ist.
Auf der anderen Seite verstehe ich das erste Mal das Ausmaß der Schäden. Zwischen den hohen Bürogebäuden, Hotels usw., die es in jeder Stadt gibt, klaffen Lücken, in denen nichts ist und stehen abrissreife Gebäude. Das ist der Moment, in dem ich, als jemand der Christchurch vorher nicht kannte und deshalb nicht weiß, was an den jeweiligen Orten fehlt, das erste Mal ansatzweise begreife, was das Erdbeben bedeutet hat.
Jetzt begegnen mir die Spuren überall auf meinem weiteren Weg. Das Stadtbild ist geprägt von dem Erdbeben, viel mehr als ich trotz aller Geschichten vermutet hatte. In den Lücken begegnet mir immer wieder ein "gap filler". Am besten gefällt mir der Dance-O-Mat. Auf einer Freifläche ist eine Tanzfläche komplett mit vier Boxen und Diskokugel aufgebaut. An der Seite steht eine umgebaute Waschmaschine. Für einen Dollar kann man 1/2 Stunde Musik auf selbst mitgebrachten Kopfhörern hören. Tanzen in Ruinen, ich habe das Gefühl, das ist ein gutes Bild für den Mut und die Geisteshaltung, der verbliebenen Christchurcher. Die Stadt und ihre Bewohner beeindrucken mich.
Als nächstes will ich mir die Kathedrale anschauen. Auf dem Weg dorthin komme ich an einer kleinen Gasse mit pastellfarben gestrichenen kleinen Häuschen mit Läden in ihnen vorbei. Sind die jetzt neu? Oder so alt, wie sie aussehen und waren schon vor dem Erdbeben da? Ich weiß es nicht und kann es nicht erkennen.
Die Stadt unterstützt Graffito anstatt es zu verbieten, weswegen ich immer wieder an riesigen und tollen Graffiti wie diesem vorbei komme
Gegen 14.00 bin ich an der Rückseite der Kathedrale. Sieht doch so schlimm nicht aus. Ich schlendere langsam zur Vorderseite, wo mir die Spucke wegbleibt. Von vorne ähnelt sie einer Ruine. Wow, das wollen die Leute wieder aufbauen? Unser Busfahrer gestern hat uns davon erzählt, dass es zwei gegensätzliche Meinungen bezüglich des weiteren Schicksals der Kathedrale gibt. Die Kirchengemeinde würde das Gebäude gerne komplett abreissen und eine neue Kirche bauen. Es gibt dagegen Widerstand von Leuten, die die historische Kathedrale unter allen Umständen erhalten will. Aktuell ist das komplette Gebäude umzäunt und man kann vom Baustein aus durch das riesige Loch ins Innere schauen. Auf dem Vorplatz der Kathedrale gibt es einige nette Sitzplätze, ein Schachspiel und Toiletten. Letztere brauche ich nicht, aber ich habe mein Logbuch h dabei und da mittlerweile immer mal wieder die Sonne durch die Wolken kommt, setze ich mich auf eine der Kunstgrasliegen und schreibe. Ab und zu halten ich mir meinen Block vors Gesicht, wenn allzu vorwitzige asiatische Touristen mich fotografieren wollen.
Nach etwa einer Stunde mache ich mich wieder auf den Weg. Vorbei an mehr Gapfiller und Graffito Kunst geht es Richtung Restart Mall.
Die restart mall ist auch so ein "Post Earthquake Projekt", wie ich es für mich nenne. In Schiffscontainern sind Läden untergebracht, auch Fressbuden gibt es hier.
Die Restart mall ist ganz spannend, hier in der Nähe ist auch das Earthquake Museum, aber dafür habe ich heute keine Zeit. Ich muss nämlich noch einkaufen. Ich will heute abend ein Abschiedssteak essen. Dann muss ich packen für morgen, Maxis Haare scheren, Laura, die ich in Taupo im Hostel getroffen habe, wollte vorbeikommen und wir wollen zusammen mit den anderen zum Künstlermarkt. Ich bin ziemlich beschäftigt an meinem letzen Tag in Neuseeland.
Auf dem Weg schaue ich kurz in ein großes Einkaufszentrum, auch nicht anders als in Deutschland. Ich kaufe beim Pak'n Save meine Sachen fürs Abendessen und vorsichtshalber nochmal OBs und Shampoo, das bekomme ich in Fiji vermutlich nicht so einfach, zumal ich ja 6 Tage auf den Inseln verbringe.
Zurück zum Hostel. Ich komme nochmal an dem Graffito von gestern abend vorbei. Eigentlich wollte ich mir die Streetart Austellung am YMCA anschauen, aber irgendwie sehe ich nicht, wo das sein soll. Naja, Street Art habe ich ja nun genug gesehen, denke ich und gehe zurück ins Hostel.
Ich packe die Sachen in den Kühlschrank und treffe Isi und Anni. Maxi wartet wohl schon ungeduldig. Also gehe ich ins Zimmer. Maxi ist da und bereit zu allen Schandtaten. Na gut, Du scherst dir schonmal die Haare und ich gehe schnell duschen. Ich brauche nicht lange, da ich ja beschlossen habe, dass ich meine Haare erst wieder in wärmeren Gefilden, sprich Fiji, waschen werde. Auf dem Weg in die Dusche fragen Isi und Anni, ob sie nachher zuschauen können? Na, das wird ja ein Gaudi.
Ich bringe eine Schüssel mit warmem Wasser aus der Küche mit. Maxi hat sich geschoren und ist bereit. Anni und Isi machen es sich als Zuschauer bequem und ich fange an. Es geht überraschen gut. Maxi ist auch ein genügsamer Kunde. Am Ende ist sein Kopf tatsächlich glatt und kahl und nur eine Stelle blutet, wo ich einen kleinen Pickel erwischt habe. Ausserdem haben wir das komplette 8-Bettzimmer unterhalten.
Wir machen uns fertig für den Markt, spätestens um 8.00 wollen wir dort sein, denn er geht nur bis 10.00.
Laura, mit der ich schon die ganze Zeit schreibe, sollte eigentlich schon hier sein. Wir warten und warten auf Laura. Ich frage, wo sie ist? "Direkt vor dem Hoste. " Ich gehe raus. Nein, bist du nicht. Sie ist beim anderen YHA gelandet, obwohl ich ihr einen Screenshot von googlemaps mit den Straßennamen geschickt habe.
Kein Problem, dann bist du gleich hier, einfach zum Park, rechts und wieder rechts. Ich stehe an der Straße. Ein Auto kommt um die Ecke. Es wird langsamer. Das muss sie sein. Ich hüpfe, winke, deute in die Straße auf einen freien Parkplatz und laufe vor. Das Auto fährt an der Straße vorbei. Die drei Typen, die drin sitzen, gut gucken mich mit riesen Augen an. Kein Wunder.
Ich gehe wieder rein. "Ich habe dem falschen Auto gewunken. Wo bist Du?" Es kommt keine Antwort und wir sind alle ziemlich ungeduldig. Es ist schon fast 9.00. Viertel nach 9.00 ist sie dann da und hat ihren Gastvater mitgebracht. Wir machen uns alle bekannt und dann geht's endlich los. Ich würde am liebsten so schnell wie möglich laufen. Aber die anderen schlendern vor sich hin. Wieder eine von diesen Situationen. Soll ich Hütehund spielen? Nein.
Als wir am Platz vor der Kathedrale ankommen, ist alles leer und still. Sieht auch nicht so aus, als wäre hier jemals ein Markt gewesen, obwohl das heutige Datum im Internet angegeben war. So eine Enttäuschung.
Einige aus der Gruppe haben die Kathedrale noch gar nicht gesehen und sind jetzt überrascht. Lauras Gastvater erzählt uns, dass die Polizei, die direkt nebenan ist, immer wieder Leute aus den Ruinen holen muss, die dort fotografieren und sich umschauen wollen. Wie blöd kann man sein?
Was jetzt? Vielleicht etwas trinken gehen? Maxi und ich sind nicht so überzeugt, weil wir noch nichts gegessen haben, aber wir laufen den anderen hinterher. Wir wandern herum, irgendwie weiß keiner so genau, wohin. Ich schlage, die Straße mit den Kneipen und Clubs vor, die wir gestern auf dem Rückweg vom Pak'n Save gesehen haben. Da ich da heute nochmal dran vorbeigekommen bin, finde ich sie auch bestimmt wieder. Während wir in die Richtung gehen, entscheidet die Gruppe, lieber einen Videofilm auszuleihen und zurück ins Hostel zu gehen. Die Videothek müsste hier in der Nähe sein. Wir sind fast an den Clubs und Bars, wir können schon die Schlange vor einem der Clubs sehen. Maxi und ich überlegen, ob wir uns spaßeshalber anstellen. Beide in Backpacker Klamotten, er frisch geschoren und barfuss. Wie die wohl reagieren würden?
Wo ist eigentlich die Videothek? An der Straße sind wir schon vorbeigelaufen. Wieso sagt denn keiner was? Es ist ein ziemliches Hin und Her. Drehen wir also um und gehen zurück. Dabei fällt mir ein Käfig mit Steinen am Straßenrand auf. Auf den Steinen stehen Botschaften. So etwas habe ich heute schon in groß auf dem Platz vor der Kathedrale gesehen, da ging es wohl um irgendwas politisches. Ich lese die Inschrift auf diesem. Er ist einer 24 Jährigen gewidmet, die in dem Gebäude, das hinter uns stand, umkam. Da wird mir nochmal klarer, was das Erdbeben bedeutet und wo die Stadt heute ist. Hier ging ein junges Leben zu Ende, hier stehen wir, manche im selben Alter und hinter uns gehen andere junge Leute aufgedresst feiern. Irgendwie unfair. Aber eben Leben.
Wir machen uns auf die Suche nach der Videothek. Leider will die grad schließen und Neuseeländer verstehen da keinen Spaß, also bekommen wir keinen Film.
Wir gehen trotzdem zurück ins Hostel, verabschieden uns von Lauras Gastvater und setzen uns in den Aufenthaltsraum. Maxi und ich kochen erstmal. Mein Steak ist wirklich riesig. Das schaffe ich heute alles gar nicht. Naja, kann ich ja morgen noch zum Lunch essen. Laura und ich trinken eins der Bier während ich esse. Wir überlegen, ob es nicht lustig wäre, zwei Monate zusammen zu reisen. Ein Monat in Deutschland und ein Monat in Kolumbien.
Irgendjemand wirft einen weiteren Zeichentrickfilm an. Laura wird irgendwann von ihrer Gastmama, die vermutlich grad von der Arbeit kommt, abgeholt.
Der Rest bleibt auf den Sofas hängen. Ich quatsche mit Maxi. Pegida und deutsche Innenpolitik sind das Thema. Der Arme kommt meist nicht zu Wort. Ich rege mich immer noch über zu viele Dinge zu sehr auf. Es ist schon fast 1.00, ich sollte ins Bett. Am Ende Verquatschen wir uns total und kommen erst um 3.00 ins Bett. Nicht ohne dass Maxi noch seinen geschorenen Kopf bei Facebook postet.
Aufbruch: | 11.01.2015 |
Dauer: | 5 Monate |
Heimkehr: | 28.05.2015 |
Thailand
Indonesien
Australien
Neuseeland
Fidschi
Vereinigte Staaten
Mexiko
Deutschland
Malaysia
Singapur