Einmal um die ganze Welt...
Australien und die große Freiheit...: Der schwarze Montag
So ne' blöde Kuh...
17.06.2013
Tennant Creek und der schwarze Montag
Gemütlich starten wir im Laufe des Vormittags unser nächstes Ziel Tennant Creek an, denn unser "Alwyn" benötigt immer noch ne' Werkstatt.
Irgendwie ist unsere Stimmung heute, trotz Sonneschein, nicht die Beste. 500 km "stille Messe", na prima. Walter fährt und ich lese. Irgendwo im Nirgendwo machen wir Rast an einem schönen Roadhous. Es ist leider zu früh, um zu bleiben.
In der Dämmerung erreichen wir Tennant Creek, alle Werkstätten haben zu, Walter kauft noch schnell etwas zum Abendessen ein und wir fahren zum Tanken.
Nachdem in Tennant Creek der Hund begraben ist, haben wir uns entschieden, noch ein Stück näher an Alice Springs zu fahren, denn das sind wieder 600 km und für morgen eine Tagesstrecke.
Es ist bereits dunkel und ich habe ein wenig Schiss, denn wir sind noch nie im Dunkeln auf dem Highway gefahren.
Nach 30 und ca.60 km sehe ich Ausfahrten, doch Walter reagiert heute nicht.
Nach ca. 100 km reduziert er die Geschwindigkeit, da er Kühe rechts im Gebüsch sieht.
In diesem Moment sehe ich ca. 10 m vor mir eine dunkelbraune, riesige Kuh mitten auf unserer Spur von links kommend und ich sage zu Walter:" da vor uns eine Kuh.....", schließe die Augen, krall mich irgendwo fest und fühl mich in diesem Augenblick schon tot!
Es vergeht zwischen dem Satz und dem Aufprall keine Zehntelsekunde, ich glaube meine Gehörgänge habe ich auch zugekniffen, denn ich höre weder den Knall noch sonst irgendwas.
Als ich die Augen und Ohren wieder öffne, ist alles still um ums herum, ich sehe meinen völlig verzweifelten Mann neben mir und sage zu ihm:" mein Bein, mein Bein tut so weh und du, ist dir was passiert?" Er sagt: "Nein, komm raus hier, ich helfe dir" und springt, aus dem nicht mehr vorhandenen Fenster, da seine Tür von innen nicht aufgeht. Dann möchte er meine Tür öffnen, doch das geht auch nicht nicht. Dann läuft er zurück und öffnet seine von außen, um mich da heraus zu bekommen.
Uns laufen beiden die Tränen herunter, über unsere Dummheit und aus Mitleid und was weiß ich nicht alles.....
Ich komme aus dem Bus nicht raus, meine Beine, vor allem das Rechte ist eingeklemmt und habe höllische Schmerzen unterhalb des Knies und merke , wie die Wade anschwillt.
Meine Gedanken malen mir die schlimmsten Verletzungen aus. Die Folgen der jahrelangen Arbeit auf der Unfallchirurgie machen sich bemerkbar.
Dann leide ich manchmal an Platzangst und die Gedanken, hier ewig nicht weg zu kommen und heraus geschnitten zu werden, machen mich hysterisch. Da wir auf der Gegenfahrbahn stehen, bekomme ich noch mehr Panik, denn wenn ein Roadtrain uns übersieht, nein, nicht daran denken, bitte nicht!
Walter versucht alles, um den Bus wieder aufzubiegen, damit ich raus kann, doch vergeblich. Es ist alles voller Glasscherben, auch mein Sitz geht weder zurück noch raus.
Ich sehe Lichter auf uns zu kommen und schreie wie am Spieß, ich habe so Angst um mein bisschen Leben, das ist unglaublich.
Unsere Stirnlampen sind mit eingeklemmt, Sicherheitswarnwesten haben wir keine. Walter versucht ein Flashlight mit dem rechten Scheinwerfer herzustellen, da die Warnblinklichter auch nicht mehr gehen...........
Es ist ein PKW und drei Leute steigen aus, zwei Frauen und ein junger Mann. Emma, die Schlankere von beiden kommt zu mir und versucht mich zu beruhigen, es gelingt ihr nur bedingt.
Sean und Walter versuchen weiterhin das Auto auf zu biegen, doch es nutzt nix, "Alwyn" ist tot. Nicole holt derweil per Telefon alle Hilfe herbei, Polizei, Feuerwehr, Notarzt usw.
Dann fragt sie mich, was ich für Musik mag und macht ne' "ABBA"-CD ins Autoradio, um uns abzulenken. "Every People in Australia like ABBA". Na die sind vielleicht mal gut drauf, die Aussis, mir wäre jetzt ne' kurze "Ohnmacht" lieber, muss aber trotzdem lächeln, denn allein schon die Idee finde ich genial.
Ein weiteres Auto mit Wohnwagen stoppt, noch ein PKW und ein cooler Motorradfahrer. Alle versuchen ihr bestes, um mich zu befreien, auch zu dritt ziehen sie an der Front, doch es gelingt nicht, Alwyn ist maus-hie. Der Motorradfahrer verschafft mir ein wenig Erleichterung, indem er von innen versucht, alles mit seinen Beinen herauszudrücken und einen dicken Ast zur Stütze aufbaut.
Es dauert ungefähr eine Stunde bis die Polizei kommt und den "Stuward- Highway" absperrt. Nochmals geschätzte Stunden später ( nein, es waren keine 10 Minuten) kommt endlich die Ambulanz mit einer sehr lieben Notärztin und 2 Sanitäterinnen. Sie sieht mich und meinen leicht angebeulten Kopf und gibt nur vorsichtig Medikamente. Als sie jedoch merkt, das ich klar bei Verstand bin und die Schmerzmittel nicht zum Herausschneiden aus dem Bus dienen, steigt sie mit stärkeren Mitteln ein. Ja, ich merke wie sich meine Verkrampftheit löst und wie sie Stück für Stück von Alwyn aufbrechen und mich sehr sanft herausholen, eine Wohltat...!
Währenddessen erklären Sean und Emma, das wir bei ihnen wohnen können, denn wir sind ja nun obdachlos. Sie laden alles vom Bus in ihr Auto und begleiten uns noch bis ins Krankenhaus.
Die Feuerwehr zieht Alwyn an den Straßenrand und die Polizei erschießt die Kuh, die alle Beine gebrochen hat.
Im Hospital in Tennant Creek angekommen, fühle ich mich gut aufgehoben. Es ist klein und familiär, so wie das ganze Städtchen. Ryan der Pfleger und Dr.John tun ihr Bestes. Nachdem ich ihnen erzählt habe, das ich Krankenschwester bin, fragen sie mich auf was ich denn tippe?
Ich schlage (englisch, deutsch und letztendlich doch in latein) Schienbeinbruch mit Kreuzbandriss vor und ein zu beobachtendes Compartmentsyndrom und wir lachen alle drei, denn so ist es auch. Allerdings mit den Bändern können sie nicht bestätigen, da sie weder CT noch MRT haben.
Sie tippen zusätzlich noch auf Gehirnerschütterung und so bleibe ich auf der Überwachungsstation, genauso wie Walter, der einen Riesenschock hat.
18.06.2013
Nachdem mir Ryan in dieser Nacht stündlich in die Augen gefunkelt und immer wieder meine scheinbar(trotz rauchen) doch noch gut funktionierenden Fußpulse abgetastet hat, beobachte ich hinterm Vorhang, wie im Outback die Klinik erwacht.
Der gleiche Schichtwechsel in der Früh um 6.00 Uhr. Übergaben gibt nur zwischen Tür und Angel, denn schließlich kann ja jeder lesen und dokumentiert wird alles, vom Medikament bis zum Pups.
Ein äußerst netter, indischer Sozialarbeiter stellt sich vor und quatscht uns zu......wir bitten ihn langsam zu sprechen, denn es wäre wichtig für uns alles zu verstehen.
Eine junge freundliche Schülerin bringt uns Frühstück, Tablettsystem...2 kalte, geröstete Toastbrote, Butter u. Marmelade. Eine Tasse Milch und noch eine mit Kaffee, dazu noch Cornflakes, alles ok.
Wieder eine andere resolute, aber lustige Schwester passt mir Gehstützen an und baut eine Mecronschiene an mein Knie. dann wühlt sie im Rucksack, den Walter mitgebracht hat und fängt fürchterlich an zu lachen. Na was ist denn nun wieder?
" Men the are all the same, he has forgot your clothes!" Achso, ja da hat sie recht, ich kann schlecht nur im Slip nach Hause gehen, da hat sie Recht. Sie verpasst mir ein himmelblaues Nachthemd mit Kragen, Modell 60er Jahre....Jesus, gut das mich hier keiner kennt. Dann gibt sie mir noch ein paar Tabletten mit und sagt ich solle viel Kiwis essen. Ich schau auf die Packung Paracetamol mit Codein, nette Mischung, na Hauptsache es hilft.
Ein Arzt telephoniert mit Alice Springs und erklärt mir alles, ich kapier kein Wort....zu viel Morphin...hat mir ein paar graue Zellen weggeblasen, ausgerechnet die mit englisch...
Irgendwie sollen wir in 2 Wochen nach Alice Springs zur Computertomographie, häää...wieso CT und nicht Kernspinh und "why operation at the bone???" Ich dachte es ist nichts gebrochen?
Walter sieht schrecklich müde aus, aber sie lassen uns nicht gehen, naja der Sozialarbeiter ist echt lieb und äußerst bemüht, telefoniert auch gleich mit dem ADAC und bestellt den Abschleppdienst für Alwyn.
Ich beobachte noch, wie die Schwestern selbst die Betten abziehen und putzen und bin erstaunt. Soll ich mal was sagen, ich könnt hier sofort mitarbeiten, denn ich fühl mich hier irgendwie pudelwohl.
Dann endlich kommt Sean und holt uns ab. Wir fahren in unser neues zu Hause. Das ist wirklich nett von den Beiden, da können wir uns mal wieder eine dicke Scheibe abschneiden.
Emma ist auch schon da und hat etwas Essen gemacht, anschließend richten sie unser Zimmer gemeinsam her. Zwei Hunde begrüßen uns auch freundlich schwanzwedelnd. Sie haben ein großes Haus mitten im Aboriginie- Bezirk und sind beide sehr engagiert in der Arbeit mit sozial Schwachen. Nach dem Essen verlassen sie uns wieder und gehen zur Arbeit. Ich geh gleich ins Bett und Walter guckt sich noch ein wenig um.
Dann überlegt er sich, am Abend für alle zu kochen....nichts besonderes, nur etwas zur Anerkennung. Und im Garten will er auch helfen....das ist lieb von meinem Mausbiber.
19.06.- 25.06.2013
Jeder Tag ist gleich, ich mag das. Ich stehe voll auf Rituale und so stören wir ihren Ablauf nicht und sie nicht unseren. Beide gehen morgens ab 8 zur Arbeit, Emma kümmert sich um die Hunde, kocht sogar das Futter selbst. Sie ist äußerst umweltbewußt, vor allem mit dem wohl so kostbarem Wasser. Sean kümmert sich um gute Musik und Unterhaltung und Walter kocht fast jeden Abend. Ich häkele derweil ein Jäckchen fürs Baby, das die beiden im Dezember erwarten und kümmere mich um die Wäsche und verbringe Stunden im Internet, herrlich!
Abends kommt noch Jaine vorbei, eine ältere , manchmal sehr betrunkene Aborigine, die einfach zu Hause abhaut, wenn es ihr zu bunt wird. Oft erzählt sie von ihren Enkelkindern, die sich wohl etwas anders entwickeln im noch immer diskriminierten Australien. Sie ist sehr stolz, das die Kinder dem Sumpf aus Nichtsnutzigkeit und Alkohol hoffentlich eines Tages entfliehen.
Dieses Mal wollte ich Australien hautnah erleben, mit allen verschiedenen Ansichten über die indigene Kultur und das zwischenmenschliche Miteinander der Weißen und der Aborigines. Auf den Unfall hätten wir locker verzichten können, aber so nah ans Geschehen wären wir ohne ihn nicht gekommen. Aber das erzähle ich ein anderes Mal.
Mittlerweile wohnen jetzt auch noch Chiqua (eine Zwergpudeldame) und Cene der Hund vom Nachbar Paul bei uns. Er bringt auch gleich für Walter seine 12saitige Gitarre mit, da kann er ein wenig üben, meint Paul.
Sean war mit uns noch bei den Devil Marbles, für Walter interessant, mir war es zu anstrengend. Auch eine Akrobat- Musik Show haben wir besucht und mittlerweile standen wir in der Zeitung.
Ein paar Aboriginie- Mädels kommen am Sonntag zum Frühstück und erzählen uns, während sie mit Walter Pancakes backen und mit Emma Fruchtsalat zubereiten, sie hätten unseren Unfall im Fernsehen gesehen.
Mensch Meier, jetzt wird das "german caple" noch ganz bekannt im Outback,
Emma finde ich cool, denn sie rennt am Wochenende ewig im Schlafanzug rum, egal wer zur Tür rein kommt und es kommt allweil wer......Tja, nicht umsonst fühlen wir uns wie daheim.....oder? Das ähnelt unserem Leben in Deutschland, wie eine australische Kopie.
In diesen Tagen denke wir viel darüber nach, warum das alles passiert ist und wer so etwas inszeniert und bis zum happy end Regie führt. Da gibt es wohl doch einen über uns, der auf uns aufpasst, da bin ich mir nun wirklich sicher, denn soviel Glück im Unglück, das kann nur von oben kommen! Witzigerweise hat derjenige, welcher auch immer, mein Heimweh weggeblasen.
Also was soll's, gesund werden und weiter gehts!
"Die Eier der Regenbogenschlange" oder die "Teufelssteine", alles Ansichtssache...aber trotzdem ein Naturwunder....
Aufbruch: | 21.08.2012 |
Dauer: | 20 Monate |
Heimkehr: | 01.05.2014 |
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