Falltür ins Paradies
Mumbai
Erster Blick - 2.10.2009
Juergens Sicht:
Der Anflug auf den Fluhafen erlaubt die ersten Blicke auf den Koloss Mumbai. Zwischen durchaus gepflegten Hochhausansiedlungen breiten sich die groesstenteils mit blauen Plasikplanen abgedeckten Slumbarracken aus, wie Bienenwaben angeordnet, soweit das Auge reicht. Man bekommt eine leise Ahnung davon, was einen hier erwarten koennte. Bei Ankunft im Flughafen wird man kurzfristig nochmal in Sicherheit gewogen. Der International Airport unterscheidet sich kaum von einem mitteleuropaeischen Flughafen.
Nach Zollformalitaeten, Geldtausch und Bezahlen eines Prepaid-Taxis geht es dann durch die Tuer nach draussen...
Tropische Hitze, die Klamotten sind bereits nach Sekunden klitschnass. Wir finden das richtige Taxi. Ein schmaechtiger Fahrer mit einer grossen Narbe auf der Brust unter einem fleckigen Hemd begruesst uns freundlich, laedt unser Gepaeck in den Kofferraum eines uralten, zerbeulten, schwarz-gelben, etwa 50 Jahre alten Taxis und bietet uns die Rueckbank an.
Was nun in den naechsten 1 ½ Stunden geschieht, laesst sich nur unzureichend in Worte fassen. Unter wildem, nie mehr enden wollenden Hupen reiht sich unser Taxi in den chaotischen Verkehr ein.
Wir bekommen nun die Bienenwaben in Grossaufnahme geboten, inklusive des Verkehrs, der in einem Bienenstock herrscht. Allerdings waere ein Bienenstock tatsaechlich nur der millionste Teil dessen, was wir hier erleben. 23 Millionen Menschen muss man auf dieser kleinen Insel namens Mumbai erst einmal unterbringen.
Der Vergleich mit dem Bienenstock bietet sich auch aus einem weiteren Grund an: Was sich dem europaeischen Auge als die urbane Totalkatastrophe schlechthin darbietet, scheint auf gradezu magische Weise zu funktionieren. Mit schlafwandlerischer Sicherheit scheinen die Menschen-, Tier-, Auto-, Motorrad-, Fahrrad-, Kutschen- und Lastkarrenmassen ihre Bewegungen miteinander zu koordinieren, sodass in einem Moment fuer unumgaenglich gehaltene Zusammenstoesse, im letzten Augenblick immer wieder verhindert werden.
Alles, was der Europaeer fuer lebensfeindlich und -bedrohlich einschaetzt, also akuter Gestank und Luftverpestung, kaum ertraeglicher Laerm, unglaublicher Schmutz, absurd-schlechte hygienische und aeusserst beengte wohnliche Verhaeltnisse amalgamieren hier zu einer in allen Farben schillernden Vitalitaets-Lava, die sich Tag und Nacht durch die Strassen der halbverfallenen oder nie fertiggebauten Stadt waelzt.
Bei der Ankunft im Hotel bin ich wie berauscht und nicht mehr ganz bei Sinnen.
Katharinas Sicht:
Die Maschine spuckt uns in die schwuele Hitze Mumbais. 32 Grad und eine gefuehlte Luftfeuchtigkeit von 99%. Innerhalb von Sekunden nassgeschwitzt und seit nunmehr 24 Stunden unterwegs, bin ich dennoch gespannt und voller Entdeckungsdrang.
Nach einer unfreundlichen Abfertigung und ersten Kommunikationsschwierigkeiten - ich finde diese weichen d- und g-Laute hinreissend und vergesse darueber auf das Gesagte zu achten - am Einreiseschalter steigen wir in ein Prepaid-Taxi, das uns zum Bentleys Hotel in Colaba bringen wird.
Schon nach wenigen Augenblicken warden die Verkehrsregeln klar: "Diese Streifen auf und neben der Fahrbahn sind nur Dekoration" und "wer hupt, hat immer Recht" - was dazu fuehrt, dass in Indien ununterbrochen gehupt wird.
Die Einfahrt mit dem Taxi ist wie ein Rausch. Mit weit aufgerissenen Augen sauge ich alle Eindruecke auf, die sekundenweise an mir vorbeischnellen, waehrend Mumbai mich immer tiefer in einen Strudel aus Geruechen, Laerm und bizarren Augenblicken zieht.
Zentimeternah rasen wir an anderen Autos, Rikschas, Motorraedern und Menschen vorbei, doch ich bleibe ganz ruhig, berauscht von all dem Wahnsinn um mich herum.
Mumbai hat mein Herz gewonnen - mit all dem Schmerz, der Freude, der Aufrichtigkeit und dem Wahnsinn, den es mir offen darbietet. Es gibt keine Tueren, keine Fenster und keine Scham. Das pralle Leben in all seinen Facetten:
Neben uns ein Motorrad mit einem indischen Paar - sie im Sari und Damensitz hinten, ein schielender Junge schenkt mir ein Laecheln aus einem roten, rostigen Schulbus, einige Maenner schieben einen zentnerschweren Karren die Strasse hinauf, ein nackter Junge huepft auf einem Bettgestell, das am Strassenrand steht, daneben frisst eine Ziege, begleitet von Hupen und Beinaheunfaellen, eine alte Frau bietet ihre Waren auf einer Decke an - Limonen und Bohnen, eine junge Frau traegt Wasserkanister auf dem Kopf, immer wieder kleine Inseln aus bunten Blumen, die zu Ketten geknuepft werden, etwas weiter liegt ein toter Hund, ignoriert von den spielenden Kindern neben ihm, die sich mit Wasserpistolen nassspritzen, drei Maenner, die mit handbetriebenen Maschinen auf offener Strasse Holz zuschneiden, eine Frau, die einer anderen die Haare schneidet, ein Mann, der sich ueber offenem Feuer am Strassenrand sein Essen zubereitet.
Hier kommt niemand raus - this is Dead End Street.
Aufbruch: | 01.10.2009 |
Dauer: | 12 Monate |
Heimkehr: | 01.10.2010 |
Thailand
Vietnam
Laos
Neuseeland
Chile
Argentinien
Bolivien
Peru
Vereinigte Staaten