Falltür ins Paradies

Reisezeit: Oktober 2009 - Oktober 2010  |  von Katharina L.

Bangkok II, 26.11.-01.12.2009

26.11.2009

Das monotone Rauschen des Ventilators erfuellt den Raum. Langsam komme ich zu mir, bin froh, dass Juergen mich aus meinen wirren Traeumen der letzten Schlafphase geweckt hat. Im Traum befand ich mich in New York, traf A., der ploetzlich blind war und mir, in einem Taxi sitzend, davon klagte. Ich war so hilflos, konnte nichts tun.
Ich schuettle mich und blicke mich im Zimmer um: sechs Quadratmeter, kein Fenster, zwei zusammengeschobene Betten, ein winziger Nachttisch und ein an die Wand geschraubter Ventilator. Unsere Klamotten liegen auf dem Boden verstreut. Alles in allem wirkt der Raum wie eine komfortable, sehr saubere Gefaengniszelle. Anfangs skeptisch, dann vom Preis ueberzeugt doch einen Versuch wagend, sind wir mittlerweile sehr zufrieden mit unserem kleinen abgeschlossenen Mikrokosmos, in den wir uns jederzeit zum "Erden" zurueckziehen koennen.

Air Asia oeffnet erst um 11 Uhr ihre Filliale bei der Khaosan Road. Wir beschliessen, in der verbleibenden Stunde fruehstuecken zu gehen und streunen durch die umliegenden Gassen, um uns moeglichst weit vom Touri-Strich Khaosan Road zu entfernen. Dann schenkt uns der Zufall ein
fantastisches gruenes Curry mit Reisnudeln in einer gemuetlichen Suppenkueche. Jeder Gast bekommt zum Verfeinern des Gerichtes ein grosses Tablett mit Yeera-Kraut, Gurken, Weisskohl, gruenen Bohnen,
Zitronenmelisse und Sojasprossen - natuerlich alles in roher Form. Also fangen wir an wild zu experimentieren und wirklich alles schmeckt so grossartig zusammen - selbst die zuletzt druebergestreuten Erdnuesse, die als Standardgewuerz auf jedem Imbisstisch stehen, ergaenzen den
Geschmack perfekt. Die Suppenkoechin ist freudig ueberrascht von unserer Begeisterung, kommt drei-, viermal zu uns, um zu fragen, ob alles in Ordnung sei und sich jedesmal ein "mmh, it's so delicious" abzuholen. Kugelrund und gluecklich verlassen wir den Imbiss, um alles fuer unseren Flug nach Ho-Chi-Ming-Stadt zu regeln.

Ein langer Spaziergang fuehrt uns ueber schmale Stege entlang kleiner Kanaele durch eine labyrintaehnliche Holzhuettensiedlung. Als wir wenig spaeter die forensische Abteilung des Siriraj Hospitals betreten und uns eine mit Mundschutz bekleidete Frau hinter einer Glasfront ernst anblickt, klingen in meinem Kopf nur die Worte:" Meine Name ist Dana Skully und das ist mein Kollege Fox Molder...". Doch Juergen kommt mir zuvor und schon weist uns ein junger Mitarbeiter den Weg zum Kriminalmuseum.
Der Museumsbesuch, der Anblick von Leichenfotos, konservierten Kindermoerdern und Tsunami-Reportagen ist absolut verstoerend fuer mich. Ich weiss nicht, was ich erwartet hatte, aber ich bin sehr froh, als wir auf das naechste public boat springen und ich Ablenkung in einer Schifffahrt auf dem Chao Praya durch das abendlich daemmernde Bangkok finde.

Blicke aus dem Skytrain

Blicke aus dem Skytrain

27.11.2009

Es ist kalt, die Sitze sind hart, das Licht ist klinisch grell. Gelenkig wie ein futuristischer Metall-Wurm schnellt der Sky Train kantig durch das ueberirdische Strassennetz Bangkoks. Der Blick aus seinem Inneren offenbart uns Wolkenkratzer, montroese Anzeigetafeln, unendliche Golfplaetze, noch mehr Wolkenkratzer, riesige Shoppingmalls, Spielzeughaeuser...
Immer wieder steigen wir aus, lassen uns vom Ausblick beeindrucken oder treiben durch die umliegenden Strassen und fahren dann weiter.

Gegen Nachmittag steigen wir beim Central World, der groessten Shoppingmall Suedost-Asiens und Hongkongs, aus. Die Hitze ausserhalb des Sky Trains trifft uns hart. Wir brauchen einen Moment, um uns zu akklimatisieren. Dann bemerken wir die Weihnachtsdekorationen und die weihnachtliche Musik, die aus den Lautsprechern der Sky-Train-Gaenge und jeder Shoppingmall schallt. In T-Shirts und kurzen Hosen, irritiert von der Weihnachtsstimmung, lauschen wir Klassikern wie "Rudi the rednosed rendeer" und "last christmas".

who of them is rudi?

who of them is rudi?

Dann verlaufen wir uns in den unendlichen Weiten des Central Worlds. Waehrend Juergen durch mehrstoeckige Buchlaeden streift, mache ich einen Abstecher in die Welt japanischer Feinkost und lande dann in der obersten Etage auf einem Markt, auf dem Jugendliche jeden Freitag selbstdesignte Produkte verkaufen. Ich bin voellig verbluefft von der Ideenfuelle und Professionalitaet, die mich dort erwartet.

Wir lassen den Tag mit einem Kinobesuch im Siam Paragon, einem Edel-Shopping-Center (Gucci, Chanel, Valentino, Kenzo, Ferarri und Co) ausklingen. Waehrend des Werbeblocks erheben sich ploetzlich alle
Anwesenden im Kinosaal. Dann faellt mir wieder ein, was ich im Reisefuehrer gelesen habe. Ich stupse Juergen an, es ihnen gleichzutun. Wir erheben uns und und machen ernste Gesichter, waehrend der Koenig von der Leinwand zu uns spricht. Im Kino essen wir einen Rieseneimer Popcorn. Das Abendessen verschieben wir danach auf den naechsten Tag.

28.11.2009

Wir verbringen den ganzen Tag auf dem Chatuchak Weekend Market. 27 Hallen gefuellt mit Kleidung, Essen, Kunsthandwerk, Kitsch, Tieren, Moebeln... und natuerlich Menschenmassen, die sich durch die kleinen Gaenge draengen.

Abends ist Juergen der Meinung, dass mein anstrengendes Bangkok Programm der letzten Tage ihn so ausgelaugt habe, dass er nun ein, zwei Bier trinken muesse, da er sonst nicht einschlafen koenne. Ich lasse mich schnell ueberzeugen und unsere Odyssee durch Strassenkneipen, Rock 'n' Roll Cafes und Seven Elevens beginnt. Zu letzt landen wir vor einem kleinen CD-Laden und hoeren ein paar Live-Musikern zu, bis die Polizei die "Versammlung" aufloest. Gerade als wir gehen wollen, hoeren wir jemanden unsere Namen rufen und ploetzlich stehen Uta und Stefan vor uns. Die Freude ist gross. Natuerlich muessen wir alles austauschen, was wir die letzten Tage erlebt haben und so vergeht die Zeit wie im Flug. Ein Baum voller vorwurfsvoll kraehender Haehne und stummer Hennen scheucht uns ins Bett. Die Uhr zeigt 5 Uhr. Auf dem Weg kurz noch einen Abstecher in den 24h-Seven-Eleven - die Elektrolytspeicher wollen ja schliesslich auch wieder gefuellt werden - dann ab in die dunkle Schlafzelle.

29.11.2009

Wir schlafen lange, troedeln ewig, mailen noch ein bisschen und schaffen es dann doch noch gegen 18 Uhr im hoechsten Wolkenkratzer Bangkoks, dem Bayoke II Tower, anzukommen. Auf der Weltrangliste ist der Bayoke II Tower mit seinem 300 Metern und 85 Stockwerken zwar nur Platz 27, uns beeindruckt er dennoch zutiefst.

Auf der Plattform stehend breitet sich das naechtliche Bangkok wie ein pulsierender Organismus vor uns aus. Lichtstreifen fliessen wie zaehe Lava ueber mehrspurige Strassen, trennen sich, um zwei Kreuzungen spaeter wieder aufeinanderzutreffen. Ein dramatischer Himmel haengt ueber der Stadt, ganz so als wolle er die unzaehligen Wolkenkratzer am hoeher Wachsen hindern. Doch die wilde, ueber die ganze Stadt verstreute Armee von Riesen bietet ihm trotzig und mit einem Arsenal von Lichtern die Stirn.

Ganz im Kontrast dazu gestaltet sich die Innenausstattung der Plattform. Um die zahlreichen Gaeste bis zum Letzten zu unterhalten, gibt es eine Vielzahl von Fotokulissen. Juergen und ich stuerzen uns in den Spass, knipsen und filmen wie die Verrueckten.

strangers on a bus

strangers on a bus

Abends treffen wir uns noch einmal mit Uta und Stefan, die ihren letzten Abend in Bangkok verbringen. Nach einem guten Dinner in einem Flusslokal am Chao Praya, treibt es uns in die Brick Bar. Und ploetzlich befinden wir uns inmitten tobender thailaendischer Twens, die literweise Schnaps in sich reinkippen, zur Live-Musik tanzen und lauthals mitsingen. Der ganze Saal vibriert. Es fuehlt sich an, als sei man mitten in einer Traube aus springender bunter Flummis geraten. Die Atmosphaere ist absolut ansteckend. In einer Buehnenpause goennen wir uns etwas frische Luft und landen dann in einer Plastikstuhl-Gehsteig-Kneipen - nicht ohne vorher jedoch den Kauf des Tages getan zu haben: einer bombastischen Herzbrille. Uta und ich sind uns einig: Die hat Stil! Wir haben einen so schoenen letzten Abend mit Uta und Stefan und es fliessen jede Menge Lachtraenen.

shaking glasses I

shaking glasses II

kissing glasses

30.11.2009

Obwohl es gestern nicht spaet war, ist die elfte Stunde des Tages verstrichen, bevor wir uns auf den Weg zum Wat Pho machen.

Die Tempelanlage beeindruckt mit massiven steinernden Torwaechtern,
kunstvoll verziehrten Chedis und Pavillions, kleinen Wegen umrahmt von einer wunderschoenen Gartenanlage mit steinernden Tierfiguren und einem kleinen Wasserfall und vor allem einem 45 Meter grossen liegenden Gold-Buddha, der den Eingang des Buddhas ins Nirwana symbolisiert.

Leider bleibt der Tag nicht so schoen wie er begonnen hat. Ganz im Gegenteil wird die Nacht eine ziemliche Tortour fuer Juergen, der wohl etwas Verdorbenes gegessen hat und sich nun mit Durchfall und Uebelkeit plagt.

01.12.2009

Ruhe, Ruhe, Ruhe. Juergen geht es wieder bestens.

© Katharina L., 2009
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Die Reise
 
Worum geht's?:
1 Jahr: Indien – Thailand – Laos – Vietnam – Neuseeland – Chile – Argentinien – Peru – USA
Details:
Aufbruch: 01.10.2009
Dauer: 12 Monate
Heimkehr: 01.10.2010
Reiseziele: Indien
Thailand
Vietnam
Laos
Neuseeland
Chile
Argentinien
Bolivien
Peru
Vereinigte Staaten
Der Autor
 
Katharina L. berichtet seit 15 Jahren auf umdiewelt.