Falltür ins Paradies
Sucre, 07.-10.06.2010
Erschoepft von dem langen Fussmarsch mitsamt den Rucksaecken steigen wir in einen der vordersten, wartenden Bussen nach Sucre. Nur fuenfzehn Bolivianos sei der Fahrpreis und der Bus fahre gleich ab. Das kennen wir bereits. Natuerlich wird gewartet, bis der Bus vollbesetzt ist, was etwa eine weitere gute halbe Stunde dauert. Aber wir sitzen und sind gleucklich,uns ausruhen zu koennen. Da nur Bolivianer mitfahren, knoepft der Busbegleiter auch uns nur den lokalen Preis von zehn Bolivianos ab.
Waehrend der Busfahrt daemmere ich immer wieder erschoepft weg. Dazwischen nehme ich umrisshaft die Veraenderung der Landschaft wahr. Sie wird gruener und ueppiger. Da wir wieder in tiefer gelegenere Zonen fahren, lassen wir auch Kurzatmigkeit und Herzrasen hinter uns. Dafuer haben wir nun aufgrund des zunehmenden Drucks leichte Kopfschmerzen.
Etwa eineinhalb Stunden bevor wir Sucre erreichen, betritt ein schnieker, anzugtragender Handelsvertreter mitsamt kofferschleppendem Assistenten den Bus. Dann beginnt eine halbstuendige Verkaufsshow, die unterhaltsamer ist als jeder TV-Verkaufssender. Bei dem angebotenen Zauberprodukt handelt es sich um Zahnbleichcreme. Und da hat der Vertreter offensichtlich den wunden Punkt der mitfahrenden Bevoelkerung erwischt. Denn Zahnverfaerbungen,Sigñoras y caballeros,sind ein weitverbreitetes, nicht zu unterschaetzendes Problem. Rauchen, das Kauen von Coca-Balettern sowie der Konsum von Gaseosas wie Coca Cola sind die Hauptursache. Seine heisere,eindringliche Stimme hallt durch den Bus. Letztendlich ist er sehr erfolgreich, verkauft mindestens fuenfzehn Produkte, wobei nur die ersten zehm Kaeufer die Zugabe einer Top-Zahnbuerste erhalten.
Wie ueberall sind die Vororte der Stadt aermlich, haesslich und dreckig. Noch sind keinerlei Anzeichen der bezaubernden "weissen" Stadt zu sehen. Vom Busbahnhof nehmen wir ein Taxi ins Zentrum zu einem von uns vorher ausgewaehlten Hostel. Das Hostel ist dunkel, dreckig und preislich viel hoeher gelegen als wir es von Bolivien bisher gewohnt sind. Juergen wartet vor dem Gebaeude mit dem Gepaeck, ich suche nach einem anderen Hostel.
Nur einen Strassenblock weiter stosse ich auf das Hostel "San Francisco". Schon die Eingangstuer und der Rezeptionsbereich sind hell und freundlich und wirken hochpreisig. Dann erblicke ich den wunderschoenen Innenhof. In der Mitte befindet sich ein Springbrunnen. Um den rechteckigen begruenten Innenhof ragen weisse Saeulen in die Hoehe, stuetzen die Galerien des ersten und zweiten Stockes. Gekroent wird das Ganze von einer sonnigen Dachterrasse. Ich bin sofort verliebt, doch werden wir uns diesen Luxus wohl kaum leisten koennen.
Ich entschliesse mich, dennoch nach dem Preis zu fragen und suche nach der Rezeptionistin, die ich tellerspuelend in der Kueche finde. Sie nennt mir den selben Preis, den wir im Hostel zuvor schon gehoert haben: 120 Bolivianos (15 EUR). Fuer das, was hier geboten wird, naemlich ein Doppelzimmer mit eigenem Bad und sogar TV, mehr als angemessen.
Wir ziehen ein. Immer noch etwas erschoepft von dem morgigen Fussmarsch und der Busfahrt, ruhen wir uns aus, schauen seit langem mal wieder etwas fern (es gibt sogar einen deutschen Sender, was uns voellig schraeg vorkommt) und essen Empañadas im Bett.
Spaeter essen wir im Mercado, machen wir einen Spaziergang zum "Plaza" und duerfen das "schoene" Sucre erleben. Wir laufen vorbei an der Kirche "San Francisco" und durchqueren einen imposanten, meterhohen weissen Torbogen.
Leider hat das heiss empfohlene italienische Restaurant, das wir aufsuchen, mittlerweile geschlossen und wurde durch ein Salsa-Tanzlokal ersetzt, das nur Getraenke auf der Karte hat. Wir suchen unsere zweite Wahl, ein Eckrestaurant etwa zehn Laufminuten entfernt, auf. Die Einrichtung ist schoen. Antiquitaeten und seltene Schaetze fuellen die zwei kleinen Raeume des Restaurants. Die Preise auf der Karte, aber auch die Gaeste bestaetigen: hier speisen die gehobeneren Schichten.
Links von uns, an einem niedrigen Kaffeetischchen, sitzen vier Damen mittleren Alters, die das suedamerikanische Pendant des "Sex in the City"-Quartetts sein koennten, und schluerfen Cocktails. Im zweiten Raum sieht man einige Anzugtypen im geschaeftigen Gespraech. Das Essen ist mittelmaessig, aber in Anbetracht der Uhrzeit (23 Uhr) bleibt uns keine Wahl.
Am naechsten Tag bestaunen wir die weissen Palaeste und Museen Sucres erneut bei Tageslicht und besuchen anschliessend den Markt. Auf der Dachterrasse des Hostels verspeisen wir die gerade erworbenen Koestlichkeiten.
Wir lernen Amandie und Manon aus Paris kennen, die uns dabei Gesellschaft leisten. Dann besuchen wir passenderweise den "Eifelturm" Sucres, der allerdings eine drei Meter hohe, unspektakulaere Ausgabe des Originals ist. Wir spazieren durch die umliegenden Alleen und geniessen die Sonne.
Ein Museumsbesuch am kommenden Tag laesst uns stundenlang in die Geschichte Boliviens abtauchen. Von fruehzeitlicher Geschichte (archaeologische Funde wie Geschirr, Werkzeuge, sowie Mumien), ueber Kolonialgeschichte (Gemaelde, Moebel, Silberprunk), bis hin zur Kunst des 20. Jahrhunderts wird alles geboten.
Nach dem Museumsbesuch goennen wir uns eine Pause und lassen uns von "Para Ti" verwoehnen. "Para Ti" ist einer von drei Schokoladenlaeden in Sucre. Wir treffen eine kleine Pralinenauswahl und geniessen diese auf dem "Plaza".
Abends lassen wir uns bolivianische Hausmannskost im "Gato Negro" schmecken. "Pique macho" ist ein Ragout aus Paprika, Rindfleisch, Zwiebeln, Wuerstchenstuecken in einer scharfen Sosse, geschichtet auf Papas Fritas, mit Unmengen Ketchup und Mayonnaise garniert. Zugegeben, die bolivianische Kueche ist nicht gerade eine der feinsten, die wir auf dieser Reise kennengelernt haben.
Auf dem Weg zum Hostel geraten wir in einen Studentenumzug. Masken drehen sich wild im Kreis, Fuesse stampfen auf, bevor sie sich vom Boden abstossen und die Koerper der Maskierten in die Luft schleudern. Dazu spielt ein Blasorchester eine uns bereits gut bekannte Melodie und ab und zu streckt jemand eine Plastikpistole zum Himmel und feuert bunte Lichter in die Luft.
An unserem letzten Tag fuehrt uns ein Spaziergang ins hoeher gelegene Viertel "Recoleta". Neben dem Aussichtspunkt liegt das wunderschoene Cafe "Mirador". In Liegestuehlen verbringen wir dort Fruchtsaft schluerfend einen sonnigen Tag.
Wir spielen Schach, lassen uns eine der besten Pastas der Reise schmecken (der Koch ist Italiener). Spaeter brechen wir zum Busbahnhof auf, wo wir zusammen mit Amandie und Manon den Nachtbus nach Cochabamba nehmen.
Aufbruch: | 01.10.2009 |
Dauer: | 12 Monate |
Heimkehr: | 01.10.2010 |
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