Falltür ins Paradies

Reisezeit: Oktober 2009 - Oktober 2010  |  von Katharina L.

Vietnamesische Kuechengeschichten

"drive-in" per Moped in der Nudelsuppenkueche

"drive-in" per Moped in der Nudelsuppenkueche

Unsere erste Begegnung mit der vietnamesischen Kueche findet tatsaechlich in Bangkok statt. In unmittelbarer Naehe zur Khaosan Road hat sich hier eine vietnamesische Familie zur Botschafterin der legendaeren Nudelsuppe (pho) erklaert (die genauen Unterschiede zwischen legendaerer vietnamesischer und legendaerer thailaendischer Nudelsuppe zu erklaeren, wuerde meine Kompetenz bei weitem uebersteigen).
In einer Garage stehen vier Klapptische mit bunten Plastiktischdecken. Ihnen gegenueber die kleine Theke, hinter der sich das Wesentliche befindet: eine grosse blaue Plastikschuessel gefuellt mit weissen Reisnudeln und der grosse dampfende Topf mit der Huehnerbruehe.

Davor die Zutatenschuesseln: Pilze, Wachteleier, geroestete Zwiebeln und geroesteter Knoblauch, Fleisch- und Fischbaellchen, Markkloesschen, rohe Zwiebeln, Fruehlingszwiebeln, Ingwer, in Scheiben geschnittene Wuerstchen, Mangold, Wasserspinat und Basilikum.
Die zubereitung ist denkbar einfach. Mit einer Kelle wird Huehnerbruehe aus dem grossen Topf in ein kleines Metallgefaess gefuellt, das ueber offene Flamme gehalten wird. Eine Handvoll Nudeln werden beigefuegt. Nach 30 Sekunden werden, je nach Wunsch des Kunden, die weiteren Zutaten hinzugegeben. Nach weiteren 15 Sekunden kommt alles in die Essschuessel, die an den Tisch gebracht wird. Auf dem Tisch steht das klassische Gewuerzquartett der suedostasiatischen Kueche: Fischsauce (salzig), Limettensaft oder Essig (sauer), geriebene Chilischoten (scharf), Zucker (suess).
Die unterschiedliche und ausgewogene Mischung dieser vier Zutaten stellt das eigentliche Geheimnis des Kochens in dieser Region dar.
Neben den Gewuerzen stehen Staebchen und Loeffel auf dem Tisch bereit. Mit den Staebchen in der rechten Hand macht man sich nun zunaechst ueber die Einlage her und begleitet diesen Vorgang, indem man mit der Linken Bruehe hinzuloeffelt.
Das Geschmackserlebnis ist umwerfend, alle Geschmackssinne gleichzeitig beglueckend.

Nach dieser Einfuehrung freuen wir uns noch ein wenig mehr auf die Reise durch Vietnam. Nach der Ankunft laesst sich feststellen: "pho" an allen Strassenecken. Wir werden hier keinen Nudelsuppenmangel erleiden.

Jede Suppenkueche hat ihr eigenes Geheimrezept...

Jede Suppenkueche hat ihr eigenes Geheimrezept...

... und ihre eigenen Fans

... und ihre eigenen Fans

Als naechstes faellt auf: Vietnam ist Kaffeeland! Vietnamkaffee ist ein Exportschlager - er wird nach Indien, Japan, die USA, China und in viele andere Laender verkauft.
Er wird in einer Tasse serviert, auf der ein kleiner Metallfilter sitzt, durch den der Kaffee frisch aufgebrueht in die Tasse troepfelt.

Mit Ruhe geniessen: Kaffeebruehen auf vietnamesische Art

Mit Ruhe geniessen: Kaffeebruehen auf vietnamesische Art

Vietnamesischer Kaffee ist stark, hat eine sehr schokoladige Note und wird sowohl schwarz - "ca phe den" - als auch mit gesuesster Kondensmilch - "ca phe sura" - heiss oder auf Eis serviert.
Zum Kaffee kann man auf ein breites Sortiment offensichtlich franzoesisch gepraegter Gebaeckkunst zugreifen. Vom Croissant ueber Guglhupfartiges bis zu Apfelkuchen und Schokocremetoertchen ist da alles zu haben.
Der franzoesische Einfluss macht sich auch anderswo bemerkbar: An jeder Strassenecke wird Baguette angeboten, belegt mit Verschiedenem. Als Belaggrundlage dient dabei sehr oft die klassisch franzoesische Schmelzkaeseecke "la vache qui rit" (die rote lachende Kuh) - Colonialisme bizarre. Alles uebrigens konnte die franzoesische Kolonialmacht nicht durchsetzen. Wie uns ein amerikanischer Cafebesitzer in Mui Ne erzaehlte, bleibt die Abneigung vietnamesischer Koeche gegenueber bestimmten westlichen Eigenarten fast unueberwindbar - geschmolzener Kaese!? - Igitt, wie eklig!

Im Gegensatz zur stark zum Frittieren neigenden thailaendischen, praesentiert sich die vietnamesische Kueche in vielen Faellen etwas fettsparender. So sind beispielsweise die in Reispapier gewickelten Fruehlingsrollen mit ihren Minz- und Shrimparomen ihren frittierten Schwestern geschmacklich weit ueberlegen. In Vietnam wird viel gedaempft, wo in Thailand oefters gebraten wird. Selbst die vietnamesische Hamburgervariante, ein mit Fleischfarce gefuellter, gedaempfter Hefekloss, kommt einem da fast vor wie Schonkost.

Gespannt auf den Inhalt

Gespannt auf den Inhalt

Sobald man sich in die Naehe des Meeres begibt (und das ist in Vietnam eigentlich fast ueberall) wird man von Seafood-Koestlichkeiten fast erschlagen. Vom simplen BBQ mit gegrilltem Red Snapper oder Tintenfisch, ueber Muscheln mit Butter und Knoblauch, bis hin zu in Bier gedaempften Shrimps ist das Angebot kaum ueberschaubar und an Frische natuerlich kaum zu ueberbieten.
Apropos Bier: Vietnamesisches Bier schmeckt hervorragend, lokales Bier wird bevorzugt. Ob Saigon Bia, Bia Ha Noi oder Bia Hoi An, man kann kaum etwas falsch machen. Geschmacklich liegt alles so zwischen Lager und Hellem.
Auch den Weinbau haben die Franzosen ins Land gebracht. Die Produktion beschraenkt sich allerdings hauptsaechlich auf ein paar Rote und Weisse in der suedlichen Berggegend um Dalat. Dieser einfache Landwein erinnert mich in seiner Derbheit ein wenig an kroatische Weine.
Immer wieder, auch in der Fleisch- und Fischkueche, begegnet man dem Gewuerzquartett. Beispielsweise bei karamelisiertem Huehnchen und Fisch im Tontopf. Auch hier wird der zu karamelisierende Zucker wieder mit Chili, Limettensaft und Fischsauce kombiniert.

Die Fleischkueche Vietnams ist dabei durchaus abwechslungsreich. Neben Rindern, Schweinen, Huehnern und Schafen werden auch Ziegen, Katzen, Hunde, Froesche, Schlangen, Schnecken und wohl noch so manches mehr vertilgt. Gerade Hundefleisch gilt bei vietnamesischen Maennern als unersetzbarer Proteinlieferant und sollte, wie uns Tony, unser vietnamesischer Fuehrer in Dalat versicherte, mindestens zwei- bis dreimal in der Woche gegessen werden. Wir konnten uns allerdings nicht zum Verzehr durchringen.

Hot Pot in Aktion

Hot Pot in Aktion

Stattdessen hielten wir uns immer wieder an die preiswerten, unzaehligen Strassenkuechennudelsuppenvariationen. Eine vornehmere, das heisst in Restaurants angebotene, Schwester dieser Variationen hat es uns besonders angetan: der "Lau" oder "Hot Pot", wie er fuer Auslaender genannt wird.
Ein grosser Topf, mindestens fuer zwei Personen, wird auf einem tragbaren Gasbrenner mitten auf den Tisch platziert. Im Topf befindet sich, je nach Bestellung, diverses Gemuese plus Huehnchen, Schwein, Rind oder Seafood. Daneben wird eine Schuessel mit weiteren rohen Gemuesen und Kraeutern, sowie eine Schuessel mit Nudeln serviert. Handelt es sich um getrocknete Nudeln, werden diese bei Tisch im Hot Pot in etwa einer Minute weich gegart und dann in die Essschuessel gefuellt. Bereits gegarte Nudeln werden direkt in die Essschuessel gegeben und mit dem Topfinhalt kellenweise uebergossen. Waehrend des Essens wird der Topf immer wieder mit dem frischen Gemuese und den Kraeutern aufgefuellt.
Bei den Desserts haben wir uebrigens die leckeren Bananenpfannkuchen der doch sehr gewoehnungsbeduerftigen suessen weissen Bohnensuppe jederzeit vorgezogen.

Unser Meister hat ein strenges Auge

Unser Meister hat ein strenges Auge

Unser Kuechendiplom erhalten wir dann in Hoi An, in einem privaten Kochkurs beim Meister des "Tropics"-Restaurants. Nach einem gemeinsamen Spaziergang ueber den Markt machen wir uns an unser Vier-Gaenge-Menue klassisch vietnamesischer Kueche:
Gang 1 - Vegetable Spring Roll - wir rollen kleingeschnittenes Gemuese zusammen mit kleinen Glasnudeln und einem Eigelb in Reispapier und frittieren das ganze in Pflanzenoel im Wok.
Gang 2 - Chicken Salad - wir mischen einen minzig-limettigen Huehnchensalat
Gang 3 - Fried Wonton - Wieder Reispapier, diesmal etwas dicker und mit Shrimp gefuellt, darueber ein Gemuese-Soja-Topping.
Gang 4 - gegrillte Makrele im Bananenblatt mariniert in einer Zwiebel-Zitronengras-Rum-Mischung.
Wir sind von unserem Menue ganz begeistert und danken unserem Meister von ganzem Herzen.
Dass allerdings auch in Vietnam manchmal nur mit Wasser - oder in diesem Fall besser mit Sossenbinder - gekocht wird, erfahren wir ausgerechnet an unserem Heilig-Abend-Dinner in Hanoi. Der Loeffel bleibt fast in den Sossen unserer Coq au vin und Coq a l'orange stecken, so klebrig ist die Sosse. Doch ein wenig Rotwein aus unseren Glaesern hineingetraeufelt und schon ist Heilig Abend gerettet. Den Rest erledigt der Barkeeper zwei Haeuser weiter, der uns Black Russian einmal ganz ohne Milch oder Sahne serviert. Salut.

© Katharina L., 2009
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Die Reise
 
Worum geht's?:
1 Jahr: Indien – Thailand – Laos – Vietnam – Neuseeland – Chile – Argentinien – Peru – USA
Details:
Aufbruch: 01.10.2009
Dauer: 12 Monate
Heimkehr: 01.10.2010
Reiseziele: Indien
Thailand
Vietnam
Laos
Neuseeland
Chile
Argentinien
Bolivien
Peru
Vereinigte Staaten
Der Autor
 
Katharina L. berichtet seit 15 Jahren auf umdiewelt.