Falltür ins Paradies

Reisezeit: Oktober 2009 - Oktober 2010  |  von Katharina L.

Nong Kiao, 09.01.–12.01.2010

"Die perfekte Geschwindigkeit zum Flanieren gleicht der, in der man eine Schildkroete an der Leine durch Paris spazieren fuehrt." So oder so aehnlich sagte es einmal Walter Benjamin. Und genau mit dieser Gelassenheit scheint die Zeit in Nong Kiao zu verstreichen, scheinen die Uhren ihre traegen Zeiger langsamer kreisen zu lassen.

Ich bezweifle, dass es in der hiesigen Sprache ueberhaupt eine Uebersetzung des Wortes "Hektik" gibt.

Eine staemmige Betonbruecke verbindet die beiden Ortsteile, die im Schosse einer gewaltigen, in dichtem Gruen versinkenden Bergkulisse liegen. Im Tal fliesst die gruenblaue Lebensader des Ortes, der Nam Ou.

Sein Wasser loescht den Durst der umliegenden Kraeuter- und Gemuesegaerten. Schlanke Holzboote tragen Waren und Menschen ueber seine schwachen Wellen.

Frauen in Sarongs stehen huefttief im Wasser, waschen ihre bernsteinfarbenen Koerper und die Kleider ihrer Familien im kalten Fluss. Am sandigen Ufer toben Kinder. Goldene Silhouetten, die wilde Spruenge in die untergehende Sonne wagen.

Schwerfaellig taucht der gelbrote Ball in den Nam Ou. Dann ist es dunkel. Sterne und pelzige Nachtfalter teilen sich den Himmel. Die Luft, in der ein schwacher Geruch von Verbranntem haengt, kuehlt angenehm ab. Das schrille Zirpen der Grillen, Hahnenkraehen und Gekostimmen erfuellen die Nacht und begleiten uns in den Schlaf.

In den blauen Morgenstunden verschleiern dunstige Nebelboegen den noch schlaftrunkenen Ort mitsamt der umliegenden Berge, die als schwache Umrisse in weiter Ferne treiben.

Der Frieden einer langen einsamen Strasse laedt uns zum spazieren ein. Erbarmungslos wirft die Sonne harte Schatten auf den erdigen Weg. Pulvriger Sandstaub legt sich auf Pflanzen und Menschen. Langsam nehmen auch unsere Koerper seine Farbe an. In den Baumkronen leuchten die Blaetter im Gegenlicht. Mitleidig spenden sie uns kurz etwas Schatten.

Nach einer Stunde erreichen wir ein kleines abgelegenes Dorf mit dem Namen B. Hat Shao - wie wir spaeter herausfinden. Nackte Kinder mit prallen, staubbedeckten, kleinen Baeuchen winken uns froehlich quietschend SABAY DEE.

Auch ihre Eltern begruessen uns zum groesstenteil neugierig und freundlich. Dennoch fuehlen wir uns wie Eindringlinge in ein friedliches Paradies, dessen Unberuehrtheit wir nicht zerstoeren moechten, und kehren um.

Bei unserer Rueckkehr ist Nong Kiao in das warme orangene Licht des Sonnenuntergangs getaucht und alles scheint noch mehr zu strahlen. Junge Maedchen fuehren ihre bunten Sonnenschirme spazieren. Freundliche Augen, mit der Waerme einer liebenden Grossmutter, blinzeln uns aus einem faltigen Gesicht an.

Stolze Jungen tragen triumphierend das frisch gefangene Abendessen der Familie nach Hause. Die Huehner, die nichts von ihrem bevorstehenden Schicksal ahnen, blicken uns stumm und ausdruckslos an. Glitzernde Wassertropfen spritzen in alle Richtungen, waehrend gebueckte Frauen dunkelgruene Flussalgen ausklopfen, bevor sie sie sorgfaeltig auf ihren Daechern zum Trocknen auslegen.

Nach drei Tagen steigen wir wehmuetig, diesen verzauberten Ort zu verlassen, in unser Holzboot, das uns wiegenden Schrittes in den naechsten sieben Stunden den Nam Ou hinab nach Luang Prabang tragen wird.

Wir gleiten durch immer wechselnde Blau- und Gruen-Nuancen, die mal schaeumend gegen das Boot klatschen, mal ruhig vor sich hinfliessen. Schroffe Felsen, grobe Steinbrocken, sattgruene Landschaften, geschaeftige Menschen und kugelige Wolken ziehen an und ueber uns vorbei. Einmal setzen wir auf einen scharfkantigen Felsen auf, der ein langes schrilles Kratzen an der Unterseite des Bootes ertoenen laesst und unsere Herzen kurz zum Stillstand bringt. Ein anderes Mal ist das Wasser zu seicht und die komplette Besatzung, dreiundzwanzig Personen, muessen aussteigen und sich zwanzig Minuten am Ufer entlang durchs Dickicht schlagen.

Dann duerfen wir wieder zusteigen und der kuehle Fahrtwind trocknet die dicken Schweisstropfen auf unseren Gesichtern. Am Ende des Tages empfaengt uns Luang Prabang mit einem orangenen Sonnenuntergang, der sich wie dickfleussiger Sirup ueber den Fluss und die Stadt legt.

© Katharina L., 2009
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Die Reise
 
Worum geht's?:
1 Jahr: Indien – Thailand – Laos – Vietnam – Neuseeland – Chile – Argentinien – Peru – USA
Details:
Aufbruch: 01.10.2009
Dauer: 12 Monate
Heimkehr: 01.10.2010
Reiseziele: Indien
Thailand
Vietnam
Laos
Neuseeland
Chile
Argentinien
Bolivien
Peru
Vereinigte Staaten
Der Autor
 
Katharina L. berichtet seit 15 Jahren auf umdiewelt.