Falltür ins Paradies
Darjeeling, 30.10.-05.11.2009
"Ranukh" fuehrt das Feld an. In der Haarnadelkurve heult der Motor auf als der Fahrer in den zweiten Gang hinunterschaltet. "Black Rain" versucht wieder innen vorbeizuziehen. Mit verbissenem Gesicht klammert sich der junge Fahrer an sein Lenkrad. "Ranukh" kann die Fuehrung um Haaresbreite behaupten. Lachend beschleunigt er aus der Kurve heraus.
Doch in der naechsten Kehre ist es dann soweit. "Ranukh" driftet ein wenig zu weit nach aussen, "Black Rain" quetscht sich innen vorbei. Das Wasser einer grossen Pfuetze spritzt auf.
Auf der Sitzbank hinter "Ranukh" sitzt Herr K. Indischer Geschaeftsmann, Mitte fuenfzig, Glatze, teure Armbanduhr. Er liest Zeitung. Er blickt aergerlich auf, als das Spritzwasser durchs offene Fenster seine Zeitung trifft, blaettert um und liest weiter.
"Ranukh" bleibt "Black Rain" dicht auf den Fersen.
Nach fuenf Minuten macht Herr K. dem Fahrer ein Zeichen. Der gibt Gas, schert nach rechts aus und beschleunigt, bis er mit "Black Rain" auf gleicher Hoehe ist. Er winkt "Black Rain" zu. Der haelt am Strassenrand an, "Ranukh" hinter ihm.
Herr K. faltet seine Zeitung zusammen, oeffnet die Tuer und steigt aus. Er zupft seine Bundfaltenhose in Form und geht gemaechlich nach vorne zu "Black Rain". Er klopft ans Fahrerfenster. "Black Rain" kurbelt das Fenster herunter. Herr K. holt aus und schlaegt "Black Rain" mit der flachen Hand und voller Wucht ins Gesicht.
Im naechsten Moment bricht auf der kleinen, steilen Bergstrasse das Chaos aus. Innerhalb von Sekunden haben die jeweils 10 Insassen von "Ranukh" und "Black Rain" die betagten Mitsubishi-Jeeps verlassen.
Alle reden durcheinander, streiten, schlichten, streiten wieder, gestikulieren wild, manche verstohlen belustigt, manche hellauf empoert.
Die Ohrfeige, in vielen Teilen Indiens ein probates Bestrafungsmittel gegenueber einem Unfallverursacher, der, aufgrund augenfaelliger Armut, nicht schadensersatzfaehig zu sein scheint, wird hier, im stark nepalesisch gepraegten Ghorkaland um Darjeeling, nicht einfach so hingenommen.
Nach langwierigen Auseinandersetzungen, da der Ohrfeiger sich um keinen Preis entschuldigen will, setzen "Ranukh" und "Black Rain" die Fahrt endlich fort.
Eine gute Stunde spaeter erreichen wir die alte Hill Station Darjeeling am Fusse des Himalaya.
Als wir aus dem Jeep steigen, dauert es einen Moment bis wir es bemerken: Kein Mensch spricht uns an, niemand versucht, uns etwas zu verkaufen, uns in ein Geschaeft zu ziehen, uns in ein Guesthouse zu schleppen!
Wir fragen einen Polizisten nach dem Weg. Er antwortet freundlich laechelnd, leise, mit sanfter Stimme.
Und dann: die Strassen sind ja ganz sauber, keine Kuhscheisse, kein Muell, keine menschlichen Exkremente! Wir sind fassungslos: Kann das denn noch Indien sein ...
... dampfende Reisschalen auf bunten Veranden
... Gespenster spielen mit den Stockflecken der gotischen St. Andrews Church
... vom Nebel verschluckte Sonnenaufgaenge
... Death By Chocolate, der eher einem Totschlag mit Sahne gleicht - der Taeter: Glennarys
... saftig gruene Teetaeler umklammert von schroffen, schneebedeckten Bergriesen
... gesenkten Blickes, mit von der Last gestrafftem Stirnband, bahnen sich Traeger ihren Weg durch quirlige Gassen
... kleine bunte Eiswaegen verheissen trotz Kaelte gefrorenes Glueck
... Buchstabe fuer Buchstabe erscheint der blaurot geschwungene Schriftzug im kalten Abendnebel Darjeelings: N-I-G-H-T-I-N-G-A-L-E-P-A-R-K.
Unzaehlige Lichterketten tauchen den Park in buntes Licht. Ein monstroeser Schmetterling prangt vom Dach eines Holzhauses. Weiter hinten rauscht ein Wasserfall. Aus den Lautsprechern ertoent die glasklare Stimme einer jungen Frau, poppige Instrumente setzen zur Begleitung ein. Alles fuegt sich zur perfekten Kulisse eines Karaokevideos.
In bunten Kostuemen betreten Taenzer eine runde Buehne in der Mitte des Parks. Die Musik vom Band setzt ein - fulminant.
Nach einer halben Minute beginnt das Band zu leiern. Doch die Taenzerinnen und Taenzer drehen sich unbeirrt und laechelnd weiter im Kreis - wie kleine bunte Spieluhrfiguren immer weiter und weiter
... erst im Mund und gestippt in Chilisauce entfalten unscheinbar blasse Momos ihr suechtig machendes Aroma
... hysterischer Massenauftrieb zum romantischen Sonnenaufgang am Tiger Hill
... fritierte Zwiebelpuffer serviert auf Miniatureisenbahnschienen
... wehende Gebetstuecher vor strahlend blauem Himmel
... lautes Schnarchen aus den dunklen Tiefen naechtlich leerer Verkaufsstaende
... mit getrockneten Chilischoten garnierte Blechdaecher
... paradiesische Artenvielfalt im Chowk Bazaar
... Regenschirme leuchten schuetzend im Sonnenschein
... der verblassende Charme bunter Holzhausfassaden
... Schuluniformen auf brauner Jungenhaut toben durch Teeplantagen
... bei Stromausfall troestet weiches Kerzenlicht nackte Huehnerhaelften
... Karierte Schuluniformroecke traellern "I wanna break free"
... froehliche Kinderhaende winken dem Toy Train Good Bye
Aufbruch: | 01.10.2009 |
Dauer: | 12 Monate |
Heimkehr: | 01.10.2010 |
Thailand
Vietnam
Laos
Neuseeland
Chile
Argentinien
Bolivien
Peru
Vereinigte Staaten