TimeOut in Südamerika
Woche 14 12.-18. Juli 2008: Riesenfaultier
Ich bin ein Höhlenbär. Oder vielleicht doch eher ein Riesenfaultier. So eines wie das, das während der Eiszeit in der riesigen Höhle im Süden von Chile wohnte. Jedenfalls ziehe ich mich zurück, wenn es mir nicht mehr so gut geht. Oder wenn es kalt wird.
Zur Erinnerung: zwei Riesenfaultiere
Und kalt war es eine Zeitlang. Jedenfalls hatte ich geschlottert. Auch noch im Bus, in den ich am Sonntag-Abend in Cusco einstieg.
Es wurde eine lange Nacht. Der Sitz war nicht so bequem, wie er das versprochen hatte, aber natürlich hatte das mehr mit meiner Verfassung zu tun. Ich hatte schon Nächte in weniger bequemen Sitzen überstanden. Doch unterdessen weiss ich, wie ich mit solchen Situationen umgehen muss. Nacht in 6 Stunden einteilen und abwarten. Einfach abwarten, versuchen, die beste Stellung zu finden und abwarten. Es bringt gar nichts, zu hadern, die Situation bessert sich nicht.
Auch die Adjudane ändert sich nicht. Sie hat wahrscheinlich nicht ihren besten Tag heute. Jedenfalls hat sie soeben kommentarlos das Nachtessen verteilt. Und das ist kalt. Kaltes Sossenfleisch und Reis. Brrrrr.... Ob sie einfach vergessen hat, das ganze vorher in die Mikrowelle zu stellen? Ein halbe Stunde später sammelt sie die ganzen Dinger wieder ein. Ob die nicht merkt, dass kaum jemand etwas davon gegessen hat. Ist ihr wahrscheinlich einfach egal heute.
Irgendwann gegen Mitternacht verteilt sie Wolldecken. "Für mich bitte zwei Stück" versuche ich zu sagen, aber sie ist bereits weiter, hat die Türe zu unserem 'Schlafwagen' wieder geschlossen. Ich bin zu müde, um ihr nachzugehen. Wird schon irgendwie gehen.
Ja, irgendwie habe ich diese Nacht durchgebracht. Es war eine unruhige Nacht. Das lag nicht nur an mir, das lag vor allem an der Strasse. Wie gerne hätte ich in dieser Nacht eine lange ereignislose argentinische Strecke gehabt. Aber nein, diese peruanische Strasse bestand sozusagen nur aus Kurven. Rechts- und Linkskurven. Und grosse Strecken auf Schotterpiste. Manchmal fuhren wir sogar über längere Strecken nur im Schritttempo. So kam es mir jedenfalls vor, gesehen habe ich nichts, denn die Vorhänge waren zu und nur manchmal drang ein kleines Licht durch den Spalt. Wir fuhren durch kleine Dörfer.
Das Rütteln wurde manchmal so stark, dass ich mir ernsthaft Sorgen machte um meinen Laptop, den ich unter den Sitz gelegt hatte. Die Tasche darauf, damit er nicht selbständig herumhopsen konnte. Oft gab es eine Gepäckablage, da war er etwas besser geschützt vor den holperigen Pisten, aber jetzt, so unter meinem Sitz, nahe dem Strassenbelag. Ich machte mich darauf gefasst, dass er beim Starten Schwierigkeiten haben würde. Das hatte ich schon einmal nach einer besonders holperigen Strasse. Überhaupt, erstaunlich, was dieser Laptop alles durchhält. Und dabei hatte ich nur den kleinsten, leichtesten und möglichst günstigsten gekauft. Nach dieser Nacht hätte es mich allerdings nicht gewundert, wenn er den Geist aufgegeben hätte. Sowas hält kein Harddisk aus. Ich fragte mich bereits, ob ich auch wirklich alle Fotos gesichert hätte. Oder ob man die von der Harddisk vielleicht doch noch retten könnte.
Irgendwann war auch diese Nacht vorbei und wir kamen in Nazca ein. Nazca liegt in der peruanischen Wüste auf wunderbaren 500 m. Ich war gerädert und todmüde, nahm mir ein Taxi und fuhr gleich in eines der besten Hotels am Ort. Und die hatten ein Zimmer für mich, sogar mit Internet und Heizung. Ich bediente mich zuerst noch am Frühstücksbuffet, bevor ich mich in meine Höhle, genannt Zimmer, zurückzog und den Tag an mir vorüberziehen liess. Wasser und Aspirin hatte ich noch und heissen Mate-Tee mit Zitrone liess ich aus der Küche kommen. Am Abend machte ich mich schön. Wo war jetzt dieser Lippenstift wieder hingekommen? Ich ging ins Restaurant - und war der einzige Gast. Egal, die Hühnersuppe schmeckte sehr gut und bald lag ich wieder im Bett.
Es ist wohl einfach eine Erschöpfung, eine Überanstrengung von vielen interessanten Ausflügen. Und der ganz andere Umgang mit der Kälte gab mir auch irgendwie den Rest. Wo man bei uns die Türen schliesst, wenn es kalt ist, zieht man sich hier einfach etwas wärmer an. Die Mädchen an der Rezeption in Cuscu, die in den kühlen Mauern des Hotels arbeiteten, trugen den ganzen Tag einen dicken schwarzen Mantel. Und auch das Mädchen, das das Frühstück unter der Glaskuppel servierte, trug eine dicke Daunenjacke. Draussen wurde es tagsüber zwar warm, aber nachts waren die Nächte kalt. Trotzdem blieben alle Türen offen und Heizung gibt es keine. Solange man genügend Kleider hat...
Auch ich lief eigentlich die ganze Zeit mit der Jacke rum. Und meistens mit Schal, denn ich weiss, dass der Hals einer meiner empfindlichsten Teile ist. Und trotzdem hatte ich mir diesen tiefen Husten geholt. Tief im Brustkorb hat er sich eingenistet und ich werde mir jetzt etwas Zeit geben, ihn wieder los zu werden. Und darum bin ich jetzt ein Höhlenbär. Allerdings ein moderner, mit einem zum Glück noch immer funktionierenden Laptop.
Aufbruch: | 12.04.2008 |
Dauer: | 4 Monate |
Heimkehr: | 03.08.2008 |
Brasilien
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