TimeOut in Südamerika
Woche 3 26. April.-2. Mai 2008: Himmelfahrt
Asunción. Eine Hauptstadt, deren Namen ich vor ein paar Wochen noch nie gehört hatte. Asunción, Himmelfahrt. Hat Elsbeth mir heute Morgen gemailt: "Du fährst vor Auffahrt nach Himmelfahrt!" Das kann ja heiter werden. Stella hat mich hierhergefahren, beim ersten Hotel, das wir sahen, haben wir angehalten und nach einem freien Zimmer gefragt. Es gab noch eines. Es hat nur drei Sterne. Bei Stella war das anders, da gab es einen ganz grossen Stern: Stella und ganz ganz viele kleine Sternlein, die Tag und Nacht funkelten. Soeben ist sie wieder losgefahren und jetzt bin ich wieder auf mich allein angewiesen. Bin gespannt, was da noch kommt.
Mein Hotel heisst Palmas del Sol. Klingt schön. Es gibt einen kleinen Pool, einen Frühstücksraum und die Möglichkeit zum Nachtessen, Flugplatzservice und Internetzugang. Also alles, was ich brauche. Ich habe noch keinen Stadtplan und mein Reiseführer sagt nicht wirklich viel aus über die Stadt. Was macht man, wenn man soeben eingetroffen ist, und noch nichts von der Stadt weiss? Man geht hinaus und schaut sich um. Und genau das werde ich jetzt tun. Bewaffnet mit der Kamera und viel Neugier.
An der Reception erhalte ich einen Stadtplan und eine Visitenkarte des Hotels, und dann ziehe ich los. Immer der Nase nach. Ein Mann kommt mir entgegen. Er trägt eine Holzstange auf der Schulter. Daran hängen vorne zwei grosse Fische und am hinteren Ende ein Plastiksack in dem wohl der Rest des Fangs liegt. Irgendwo geradeaus muss der Fluss sein. Ich wechsle auf die andere Strassenseite, da ist es schattiger, biege um die Ecke, sehe irgendwo Bäume. Ob das wohl ein Park ist? Es ist ein Park und unter den Bäumen sitzen die Leute auf den Bänken. In der Mitte eine Statue von einem Helden. Wahrscheinlich habe ich die Plaza de los Hereos gefunden, den Heldenplatz.
Vorher bin ich beim alten Bahnhof vorbeigekommen. Die Schienen führen nicht mehr aus dem Gebäude heraus, aber die beiden Geleise sind sinnigerweise mit Anden 1 und 2 angeschrieben. Finde ich ausgesprochen witzig. Bei einem Autohändler entdecke ich einen schönen alten Dodge.
Es ist heiss, richtig heiss. Ich möchte mir erst einmal einen Überblick über die Stadt machen und entdecke ein Restaurant. Es sieht etwas düster aus, aber das kommt von den dunklen Scheiben und das wiederum deutet auf eine Klimaanlage hin. Wunderbar. Bei einem frischen Orangensaft studiere ich die Karte. Ja, das war der Heldenplatz. Gut gemacht. Was hat mir Stella empfohlen? Den Mercado No. 4. Ja auch den finde ich auf der Karte und nun weiss ich, in welche Richtung ich gehen will. Wieder auf der Strasse erspähe ich hinter den Häusern eine Kuppel. Die Kathedrale? Ich versuche sie zu finden, schwenke links ab. Nichts. Noch etwas weiter und ich komme an ein grosses Tor. Sieht eher nach einem Villeneingang aus, aber es steht offen und ich gehe hinein. Doch, es stimmt schon, es ist sozusagen der Hintereingang zur Kathedrale.
Als ich beim Eingang ankomme, legt der Terere-Verkäufer, der hier wohl auf Kundschaft wartet, gerade den grossen Riegel vor. "Cerrado? Geschlossen?" frage ich. "Möchtest du hinein?" "Ja gern." Er schiebt den Riegel wieder zurück und ich gehe durch das Gittertor, schiebe die schwere Holztür einen Spalt weit auf und trete ein. Hoffe nur, der Typ schliesst hinter mir nicht gleich wieder ab.
Kühle empfängt mich. Tut gut. Ich bin nicht ganz allein. Die Putzfrau verteilt gerade Seifenwasser auf dem Boden. Vielleicht ist die Kirche darum geschlossen. Aber die Putzfrau lässt sich nicht stören und es macht ihr auch nichts aus, dass ich fotografiere. Die farbigen Fenster, den Hauptaltar mit der Verkündigung Maria und den Antonios, dem ich erstaunlich oft begegne. Dabei habe ich noch gar nichts verloren. Meine Grossmutter war sehr vertraut mit ihm. Immer wenn sie etwas verloren hatte, betete sie zum Hl. Antonius und versprach ihm einen Fünflieber. Hat meistens geholfen und sie hat auch meistens bezahlt. Gut zu wissen, dass immer ein Antonius irgendwo in der Nähe ist, falls ich mal wirklich etwas suche.
Und dann komme ich zum Markt. Unter grossen Planen gegen die Sonne wird Gemüse angeboten. Früchte, Knoblauch neben Räucherstäbchen. Haarspangen neben Pillen. Was sind das für Pillen? Will ich vom Verkäufer wissen. Er macht eine Andeutung von 'schlafen'. Schlaftabletten? Und dann die vielen Stände mit Kräutern. Heilpflanzen und Wurzeln. Gegen jedes Übel gibt es eine Pflanze. Und natürlich werden diese Kräuter auch für den Terere benutzt.
Sie sind nicht sehr erfreut, wenn ich ihre Geheimnisse fotografiere, die Verkäuferinnen. Ich schlendere über den Markt und staune. Staune ob der Vielfalt. Kleider, Schuhe, Bananen, Modeschmuck, Brot, Schuhcreme und immer wieder die Essstände an denen neben gegrilltem Fleisch oder Suppe Terere oder die heisse Variante, Mate angeboten wird. Ja und auch die speziellen Plastikkrüge für kaltes Wasser und die Thermoskannen für heisses Wasser und die dazugehörenden Becher aus Horn, Zinn oder Keramik mit Lederverzierung oder Silberbeschlägen. Gerüche mischen sich und Musik erklingt aus allen Ecken. Genau das war es. Musik möchte ich kaufen. Ich lasse mir verschiedene CDs mit typischer Musik vorspielen und entscheide mich für eine bekannte Band. Es sind Raubkopien, die der Verkäufer anbietet und der Preis ist entsprechend sehr günstig.
Auf dem Rückweg schalte ich die Videokamera ein. Bummle durch die Gassen und halte die Kamera unauffällig vor mir. Schiesse sozusagen aus der Hüfte. Niemand scheint es zu merken, zumindest stört sich niemand daran.
Noch immer ist es heiss. Viel zu heiss für mich. In meinem Reiseführer stand etwas von einem botanischen Garten, ein paar Kilometer ausserhalb der City. Unter Bäumen flanieren, exotische Pflanzen bestaunen, ja das würde mir jetzt gefallen. Ich halte ein Taxi an. Nein, der Fahrer hat nichts dagegen, wenn ich die Videokamera eingeschalten lasse und so bekomme ich eine sehr interessante Innenaufnahme vom Taxi mit entsprechender Geräuschkulisse beim Schalten.
José heisst der Chauffeur. Beim Botanischen Garten angekommen, schlägt er vor, dass er mir einen Spezialpreis mache wenn ich auch wieder mit ihm zurück fahre. "Ja gern, ich werde in ca. 2 Std. wieder da sein". Nein, er hat sich das anders ausgedacht, er will mich begleiten, das gehört in den Pauschalpreis. Jetzt weiss ich nicht so recht, ob ich wohl einen so unselbständigen Eindruck mache oder einfach hilfsbedürftig aussehe. Ist aber ganz lustig. Er erklärt mir die alten ausgestopften Tiere im Naturhistorischen Museum. Tiger, Puma, eingelegte Schlangen, Krokodil, Wildschwein, eine Menge von verschiedenen Vögeln und noch viel mehr verblasster Schmetterlinge. Wenn ich wissen will, wie ein Tier heisst, muss er es mühsam vom Schild buchstabieren. Er war schon ewig lange nicht mehr hier und darum weiss er auch nicht, dass der wirklich interessante Teil des Parks am Montag geschlossen ist. All die lebenden Tiere haben heute Ruhetag.
Vor dem Museum sitzt eine alte Frau und streckt mir ihre Halsketten und Rosenkränze entgegen. Eine Kette aus hellem und blau gefärbtem Holz mit Silberperlen gefällt mir auf Anhieb. Wir werden schnell einig und ich möchte wissen wie die Frau heisst. Sie versteht mich nicht sofort und es braucht die Hilfe von José, bis wir uns gegenseitig vorstellen können. Sie heisst Alicia. Ob ich eine Foto machen darf. Ja, nickt sie ohne weiteres und scheint sich zu freuen. Und dann zieht die alte Frau ein Armband aus irgendeinem ihrer vielen Beutel und hält es mir hin. Will sie es mir schenken? Nein, es kostet 5000.
"Das ist viel schöner, als deine Uhr," meint José, Ich muss lachen, denn genau diese Reklamation über meine nicht standesgemässe alte Swatch habe ich zu Hause schon einmal gehört. Doch José weiss nichts davon, er will mir nur die Vorzüge des Armbandes zeigen. Es ist aus glänzenden dunkelbraunen Samen gemacht. Und er bindet es mir auch gleich selber ums Handgelenk. Und ganz Kavalier wie er ist, zahlt er es auch, weil ich kein Kleingeld mehr habe. Alicia freut sich, als ich ihr die Fotos zeige, die ich von ihr gemacht habe. Ich habe mich inzwischen zu ihr auf die Treppe gesetzt und versuche mit ihr zu sprechen. Das ist aber sehr schwierig, denn sie versteht kein Spanisch und auch José kommt mit seinem Guarani nicht weiter. Sie ist eine Mata, eine alte Indianerin. Und sie hat auch keine Ahnung, wie alt sie ist. Wir verabschieden uns darum bald und winken ihr aus dem Taxi noch einmal zu.
Ja und dann fährt José mich mit dem Taxi durch den Park. "Ist doch viel angenehmer so", meint er, "der Park ist so gross". Ja und der zoologische Garten ist wie wir erkennen müssen, heute geschlossen. Darum bestaunen wir noch kurz die beiden Emus, die man auch von dieser Seite des Zaunes beobachten kann und in Ermangelung wilderer Tiere die Muttergeiss mit ihren quirligen jungen Zicklein. Dann fahren wir zurück in die Stadt. Ich habe Durst. Ob er ein Restaurant kennt? Wäre ein schlechter Taxifahrer, wenn er nicht wüsste, wohin er mich führen müsste. Wir kehren in einem kleinen ruhigen Strassencafe ein und ich lade ihn ein. Morgen brauche ich einen Fahrer für den Flugplatz. Wir diskutieren noch eine Weile über den richtigen Preis und dann hab ich die Fahrt für morgen Vormittag bereits organisiert. Er wird mich um neun abholen. Und jetzt bringt er mich ins Hotel zurück.
Ich komme ins Zimmer, schalte die Klimaanlage ein aber bis diese Wirkung zeigt, dauert es eine Weile. Was macht man eigentlich, wenn man ein Hotel mit einem Pool hat? Man geht hinein. Und genau das werde ich jetzt tun. Und nachher stelle ich meinen Bericht ins Internet.
Aufbruch: | 12.04.2008 |
Dauer: | 4 Monate |
Heimkehr: | 03.08.2008 |
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