TimeOut in Südamerika
Woche 10 14.- 20. Juni 1008: Casino
Wieder einmal packen. Ich hab schon richtig Routine. In fünfzehn Minuten ist alles gepackt. Und ich bringe den Reissverschluss immer noch problemlos zu.
Mein ganzes Gepäck
Obwohl die Wanderschuhe und die Jacke eingepackt sind. Ich konnte mich bei all den Handarbeitsständen immer zusammenreissen und habe mir heute nur einen neuen Schal gekauft. Schön warm aus Schafwolle. Dabei sollte es doch jetzt langsam wärmer werden. Ich fahre in den Norden. Vor mir liegt wieder einmal einen Nachtfahrt im Bus. Im Schlafwagen-Bus. Abfahrt um acht und Ankunft in Santiago, der Hauptstadt Chiles morgen Vormittag. Das Zimmer ist auch schon reserviert. Dank Erich. Über ein paar Ecken hat mein Aufruf vor ein paar Tagen funktioniert. Ich geniesse noch einmal ausführlich das schöne Frühstücksbuffet und als Information für alle meine Reisebegleiter, die sich für die Schlemmereien interessieren: ja ich beginne den Tag mit einem feinen Apfelkuchen.
... einfach fein
Doch dann will ich sehen, was man heute unternehmen könnte. Mit dem öffentlichen Bus nach Puerto Varas hat mir die freundliche Angestellte an der Rezeption vorgeschlagen. Ich gehe als zum Busterminal und finde den kleinen Bus, der vorn mit Puerto Varas angeschrieben ist. Ausser dem Chauffeur ist noch niemand im Bus, aber er winkt freundlich. Wartet er hier, bis der Bus voll ist, will ich wissen. Nein, in ungefähr fünf Minuten will er losfahren. Bis dahin macht er aber jeden, der in die Nähe kommt, auf sich aufmerksam. Tut dergleichen, als wolle er gleich starten. Fährt ein paar Centimeter vorwärts, dann wieder zurück, hupt ein wenig.
Und er hat Erfolg Es steigen noch ein paar Leute zu und einer kommt noch rasch dazu mit einem Sonderangebot Süssigkeiten. Der steigt aber wieder aus, als der Bus losfährt. Weit kommen wir allerdings nicht, schon 50 Meter weiter halten wir wieder an, weil da einer Zeichen macht, dass er mitfahren möchte. An den Haltestellen passt der Chauffeur ganz genau auf, dass er niemanden verpasst. Vielleicht kommt ja noch einer um die Ecke und möchte mitfahren. Auf den wird noch gewartet. Und aussteigen kann man auch überall. "Da vorne bei er Brücke, hinter jenem Lastwagen, bei dieser Kreuzung." Der Kunde ist König.
Puerto Varas liegt ungefähr 20 km von Puerto Montt entfernt. Im Norden an einem kleinen See. Wir sind bald da. Der Bus hält beim Casino, fährt zum See und plötzlich merke ich, dass wir das Zentrum bereits wieder hinter uns gelassen haben und uns auf der Rückfahrt befinden. Alle sind ausgestiegen, ich bin allein. "Ich glaube, ich habe da etwas verpasst", sage ich zum Chauffeur. "Wo wolltest du den hin?" "Nach Puerto Varas, aber ich laufe jetzt besser wieder zurück, ist ja noch nicht weit." "Wart einen Moment, ch muss noch was erledigen", meint er und halt bei einem Automechaniker an. Kommt aber gleich zurück. Er braucht einen neuen Rückspiegel, aber der Mechaniker hat keinen.
"Ich fahre dich zurück zum Casino", schlägt er vor und will wissen, woher ich komme. "Was hast du denn von Puerto Montt gewusst vorher?" will er wisse. "Nichts, was kennst du denn von der Schweiz?" "Auch nichts" gibt er zu. "Also ich wusste von Chile nur, dass es ein langes Land ist, an der Westküste von Südamerika und dass die Hauptstadt Santiago heisst, das ist doch schon mal was, den Rest lerne ich jetzt kennen." Dann will er wissen, ob ich nicht vielleicht doch Chilenin sei, mein spanisch sei so gut. Etwas eigenartiger Akzent, aber angenehm, tönt sehr gut. Ich bin geschmeichelt. In Argentinien habe ich sowas nie gehört, aber die reden ja selber so ganz anders mit ihrer eigenartigen Aussprache. "Nein ich bin echte Schweizerin". "Sprechen denn alle Schweizer spanisch?" Man sieht schon, er weiss nicht viel von der Schweiz, aber er ist sehr nett und er lässt mich im Zentrum wieder aussteigen.
der Club Aleman
Puerto Varan. Ein kleiner Ort am See, nach Norden ausgerichtet. Er erinnert mich stark an Touristenorte in der Schweiz. Mit den grossen Hotels an der gepflegten Seepromenade und den vielen Geschäften und Boutiquen, die allerdings in der Mehrzahl jetzt geschlossen sind.
der gezeichnete Ortsplan
Das Mädchen in der Touristeninformation schlägt mir einen Ausflug mit dem Bus zu einem der kleinen Dörfer am See vor. Nein, das will ich nicht, bin ja eben erst angekommen. Sie gibt mir den Ortsplan und der ist so unterhaltsam, dass ich gleich in die nächste Cafeteria gehe und bei einer heissen Schokolade die Zeichnungen studiere. Scheint ziemlich viele Deutsche Einwanderer hier zu haben, jedenfalls lese ich da von den besten 'Kuchenen' und von Landwurst. Ausserdem gibt es ein Bier, das heisst Kunstmann. Und mitten im Ort gibt es den Club Aleman. Bei schönem Wetter müssten zwei Vulkane sichtbar sein, aber heute vesteckt sich alles im Nebel. Was jetzt? Ich glaube, ich versuche mein Glück im Casino. Wie heisst das doch so schön mit dem Glück im Spiel.
Später halte ich einen Bus an, habe jetzt gelernt, dass ich dafür nicht extra zu einer Busstation gehen muss. Einfach ein Zeichen geben, wenn da vorne Puerto Montt angeschrieben steht, schon hält der Bus an.
In Puerto Montt gehe ich nochmal zum Fischerhafen, will unbedingt in einem der winzigen Restaurants was essen. Gerade mal vier kleine Tische gibt es in dem Lokal. Und eine saubere offene Küche. Ich bestelle Jaivas. Das ist eine lokale Spezialität und nach einigen Erklärungsversuchen verstehe ich, dass es ein Salat mit Krebsfleisch ist. Er schmeckt gut, wenn er auch etwas zerzaust aussieht. Und während dem Essen schaue ich aus dem Fenster und entdecke da ein paar Seehunde. "Es sind immer die gleichen fünf, sie kommen jeden Tag, weil sie manchmal Fischabfälle bekommen", erzählt die Serviertochter.
Danach will ich diese Jaivas noch im Ganzen sehen und gehe hinunter auf den Fischmarkt. Die meisten sind bereits ausgenommen, nur noch ein paar Scheren sind ganz, aber bei einem Händler entdecke ich dann noch ein paar ganze Exemplare.
Jaivas
Und weil ich wieder einmal so interessiert die Fische bestaune, spricht mich ein junger Verkäufer an. Er erzählt mir, dass seine Tochter Münzen aus aller Welt sammelt. Ob ich ihm einen Euro aus der Schweiz hätte. Nein, hab ich nicht, denn die gibt es gar nicht. Leider habe ich auch keine Franken dabei, aber ich verspreche ihm, einen zu schicken, wenn er mir seine Adresse aufschreibt. Bin gespannt, ob er ihn erhält, ich werde ihn noch heute in einen Umschlag stecken und im Hotel aufgeben. Wir machen noch eine Foto mit einem riesigen Lachs. Der wiegt bestimmt 3-4 Kilos meint Jorge und streckt ihn mir ins Gesicht.
Jorge und sein riesiger Lachs
Übrigens habe ich auch das Rätsel mit den Sierras gelöst. Es scheint ebenfalls ein regionaler Name zu sein. Auf einem grossen Bild im Korridor des Hotels habe ich ihn entdeckt mit seinem lateinischen Namen. Und damit hab ich dann gegoogelt und jetzt weiss ich es, diese grossen Fische sind Makrelen: Scomberomorus cavalla Königsmakrele.
Bevor ich zurück zum Hotel gehe, besuche ich noch die beiden Liebenden, die so traurig aussehen. Es ist eine grosse Betonskulptur, die ich schon vom Hotelrestaurant aus gesehen hatte.
Ja und jetzt sitze ich in der Lobby, warte auf mein Taxi, das in einer halben Stunde kommt und werde jetzt noch meinen Bericht abschicken.
Ach ja, wie das mit dem Casino war? Ich gebe zu, hatte nicht so richtig Mut, echt was zu riskieren. Hab auf meinen Geburtstag gesetzt und verloren und dann doch noch ein wenig gewonnen. Jedenfalls ging ich nach einer halben Stunde mit dem doppelten Einsatz wieder hinaus. Wie war das jetzt mit dem Glück?
Aufbruch: | 12.04.2008 |
Dauer: | 4 Monate |
Heimkehr: | 03.08.2008 |
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