TimeOut in Südamerika

Reisezeit: April - August 2008  |  von Beatrice Feldbauer

Woche 7 24.-30. Mai 2008: Das Paket

Ich hab's getan. Das heisst, ich hab nichts getan. Den ganzen Tag nur nichts. Bin am morgen grad noch vor dem Abräumen des Frühstücksbuffets eingetroffen. Dann hab ich ein paar Mails beantwortet, etwas gechattet und am Nachmittag hab ich ein Mittagsschläfchen gemacht. Und in einem Reiseführer geschmökert.

Ich hatte gestern Abend Anja und Jürgen aus Berlin kennen gelernt und von ihnen einen detailierten argentinischen Reiseführer ausgeliehen. Nur schon darum, weil ich längst nichts deutsches mehr zu lesen habe, war das ein Aufsteller. Habe meine gelesenen Bücher nach und nach ausgesetzt und gehofft, dass sie jemanden finden, der sie noch einmal liest.

Und am späteren Nachmittag hab ich mich aufgerafft und bin ins Dorf gegangen. Geld besorgen, den Ausflug von morgen organisieren und die Boutiquen durchstöbern. Hätte es wissen müssen, das kommt nie gut. Das Souvenir aus El Calafate ist etwas teurer ausgefallen, als andere. Kann ja auch kaum einen blauen Eiswürfel mitnehmen. Da ist es halt ein etwas teurerer Schmuck geworden. Naja, das war dann auch ein Grund, mich heute Abend etwas fein zu machen. Duschen, eincremen, Lippenstift, Parfüm, was man halt so braucht, um sich wohl zu fühlen. Und jetzt sitze ich mit meinem Laptop und einem Cuba libre vor dem Feuer und fühle mich sauwohl.

Aber keine Angst, ich werde euch trotzdem etwas erzählen. Da gibt es nämlich noch etwas, das ich unbedingt los werden will.

Am letzten Tag vor der Abreise, als ich in Bariloche anfing, mich mit dem Packen zu befassen, fand ich, dass ich keine Lust hätte, weiterhin alles rund um meinen Hut zu packen. Nicht dass er schwer gewesen wäre, aber etwas kompliziert wurde es langsam. Ausserdem würde ich ihn auf der Reise kaum anziehen und auch für die Stilettos sah ich keine Anwendung mehr. Darum wollte ich die Dinge nach Hause schicken. Die nette Rezeptionistin besorgte mir eine Schachtel, die gross genug war und so packte ich Hut, Stilettos und die eleganten Ausgehkleider ein. An der Rezeption wurde das Paket gründlich verklebt und ich schrieb Anschrift und Absender darauf. Man rief mir ein Taxi und ich fuhr zur Post.

"Schade, dass das Wetter nicht schöner ist", meinte ich zum Taxifahrer, als der mich fragte, wie mir Bariloche gefalle. "Aber das Wetter ist nicht so schlimm, hier ist es doch bei jedem Wetter schön", meinte er, mit Blick auf den strömenden Regen. Ich war nicht sehr überzeugt, und unterdessen waren wir bei der Post angekommen. Ich bat ihn, ein paar Minuten zu warten, denn ich wollte gleich wieder ins Hotel zurück.

Die famose Aussicht über den See

Die famose Aussicht über den See

Die Post war geschlossen, würde erst in einer Stunde wieder öffnen. Was jetzt? Ob er mir vielleicht die schönsten Plätze zeigen könnte, ich hätte jetzt eine Stunde Zeit. Das liess er sich nicht zweimal sagen und so fuhren wir los. Er zeigte mir den See und ich schoss brav ein paar Aufnahmen, obwohl das andere Ufer im Nebel kaum zu sehen war. Dann fuhren wir zur Seilbahnstation zum Cerro Otto. Sie war nicht in Betrieb. "Das macht aber gar nichts, die Fahrt mit dem Auto ist eh viel schöner, denn da kann man anhalten, wo man will und hat überall eine gute Aussicht" erklärte der Chauffeur. Das konnte ich mir nun bei dem Nebel, in dem die Seile der Bahn schon nach ein paar Metern verschwanden, nicht vorstellen und konnte ihn gerade noch abhalten, die Strasse in die Höhe in Angriff zu nehmen.

Die Seilbahn zum Cerro Otto

Die Seilbahn zum Cerro Otto

Dafür fuhren wir nun in die Skigegend, wo die grossen Hotels im Moment noch geschlossen waren, sich aber mit Neu- und Umbauten auf die nahe Saison vorbereiteten.

Eines der exklusiven Hotels

Eines der exklusiven Hotels

José, so hiess der Taxifahrer, fand, dass es im Moment hier viel schöner sei, als in der Hauptsaison, da wäre alles komplett überfüllt. Und der riesige Parkplatz würde für die vielen Autos kaum reichen. Er zeigte mir die Plätze mit der besten Aussicht auf versteckte Seen und auf die Skipisten, über denen es im Moment anfing zu schneien, jedenfalls wurden sie unmerklich weiss. Langsam hatte er mich angesteckt und ich fand seinen Optimismus witzig. Nichts konnte ihm seine gute Laune verderben und so fuhren wir als nächstes zur Virgin de la nieve, der Jungfrau zum Schnee. Hier kletterte ich im strömenden Regen hinauf zur Andachtsstätte und zündete eine Kerze an.

Die Jungfrau vom Schnee - im Regen

Die Jungfrau vom Schnee - im Regen

Weiter ging es zu einem kleinen See wo er mir unbedingt das Restaurant zeigen wollte, das am Hang gebaut und nur über eine Treppe zu erreichen war. Dass auch dieses Restaurant zurzeit geschlossen war, versteht sich von selbst.

der Steg, der zum geschlossenen Restaurant gehört

der Steg, der zum geschlossenen Restaurant gehört

So verging mehr als eine Stunde, bis wir zurück zur Post kamen. Noch einmal stieg ich hinauf zum Eingang, während José auf mich wartete. Ich stellte mich an einem Schalter an und als ich endlich vorne ankam, gab ich mein Paket auf. Der Mann studierte das Paket von allen Seiten, wollte wissen, wo denn CH-6105 Schachen liege. Dann legte er das Paket auf die Waage - und gab es mir zurück. José staunte nicht schlecht, als ich schon wieder mit dem Paket unter dem Arm zurück kam. "Was ist passiert?" wollte er wissen. "Zollabfertigung morgen Vormittag von 9 - 11". Ich werde also morgen wieder kommen müssen. Wir fuhren zurück zum Hotel und ich hatte immerhin einen sehr witzigen Nachmittag verbracht. Aber die Angestellten an der Rezeption guckten ziemlich perplex, als ich zwei Stunden nach meiner Abfahrt das Paket immer noch dabei hatte.

Am anderen Morgen fuhr ich mit einem anderen Taxi noch einmal zur Post. Stellte mich am gleichen Schalter beim gleichen Beamten noch einmal an. Als ich endlich an die Reihe kam, staunte mich der Mann hinter dem Schalter an, entschuldigte sich und meinte: "Zollabfertigung ist im ersten Stock". Also einen Stock höher. Da war eine Türe einen Spalt offen und auf dem Schild stand: Duana 9-11. Ich sah es den beiden Uniformierten an, am liebsten hätten sie mich wieder hinausgeschickt, aber ich schien einen so entschlossenen Eindruck zu machen, dass sie mir einen Stuhl anboten. Was ich denn wolle. Ich zeigte mein Paket und erhielt ein Formular auf dem ich ausfüllen sollte, was darin sei. Getragene Kleider und Schuhe und einen neuen Hut, schrieb ich auf und als Wert gab ich 100 Pesos an. 300 Pesos schrieb der eine Beamte dick darüber, womit er den Wert der neuen Schuhe und des Hutes ziemlich genau getroffen hatte, dann ein grosser Stempel auf das Formular und die Anweisung: "am Schalter Nummer 7 aufgeben".

Dass ich bereits zweimal am Schalter 7 angestanden war, fand ich nun wiederum sehr witzig, der Beamte dahinter nahm es gelassen. Er wollte wissen, ob ich die Adresse auf dem Paket auswendig wüsste. Ich bejahte, worauf er einen riesigen Bogen Packpapier holte, und das ganze Paket noch einmal einpackte und dabei all das überstehende Papier gründlich verklebte. Dann gab er mir das Paket zurück, damit ich die Adresse darauf schreiben konnte. "Wie schwer ist das Paket eigentlich?" wollte ich nun endlich wissen und hoffte, dass meine Reisetasche nun gründlich leichter würde. Zwei Kilo. Ich hatte mit wesentlich mehr gehofft, aber wenigstens waren die komplizierten Dinge nun daraus verschwunden. Wie lange würde denn mein Paket haben, bis es in der Schweiz ankäme, wollte ich noch wissen. Vier Wochen war die Antwort nach einigem Überlegen. Und dann kam noch ein zünftiger Posten Porto dazu und ich war entlassen. Wollte gerade die Schalterhalle verlassen, als er mir mit hocherhobenem Daumen und verschwörerischer Mine nachrief: "Dreissig Tage".

ein toller Bursche

ein toller Bursche

Jetzt hatte ich noch kurz Zeit, mir das Zentrum von Bariloche anzusehen, denn heute an meinem letzten Tag zeigte sich die Sonne von einem strahlend blauen Himmel. Ich schlenderte also über den Hauptplatz, auf dem überall Bernhardinerhunde mit ihren Besitzern herumstanden. Sie sind das Aushängeschild des Ortes und stehen als Fotosujets zur Verfügung. Als mir einer der Fotografen anbot, mit meiner Kamera eine Aufnahme zu machen, schlug ich ein. Und dann sah ich mir noch die grossen kitschigen Schnitzereien bei der Touristeninformation an. Irgendwie ist dieses Bariloche eben doch ein grosser kitschiger Schweizverschnitt mit viel Holz und Stein und chaletähnlichen Häusern.

das Info-Zentrum, wichtigster Treffpunkt für Touristen

das Info-Zentrum, wichtigster Treffpunkt für Touristen

Mit vielen Confiserien, die selbstgemachte Schokolade verkaufen. Und zwar in einer solchen Menge, dass ich mir nicht vorstellen kann, wer all diese Pralines und Schokoladetafeln essen soll. Ich war jedenfalls nicht traurig, dass ich heute diesen Ort wieder verlassen würde. Ausser den beiden Ausflügen auf die Post hatte ich nicht viel gesehen, aber ich hatte auch nicht das Gefühl, viel verpasst zu haben. Die Stunden, die ich hier verschlafen oder bei Natalie in der Massage verbracht hatte, waren viel wichtiger gewesen.

Der Frühstücksraum des Hotels in Bariloche

Der Frühstücksraum des Hotels in Bariloche

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Nicht Nichtstun steht im Mittelpunkt. Sondern etwas tun, wofür im normalen Alltag zu wenig Zeit bleibt. Meine beiden Leidenschaften Reisen und Schreiben möchte ich miteinander verbinden. Und wenn mich dabei jemand begleitet, umso schöner. Es sind vor allem Geschichten, die ich erzähle und erst in zweiter Linie Beschreibungen von Orten und Gebäuden. Ich möchte versuchen, Stimmungen herüberzubringen. Feelings, sentimientos. Wenn mir das manchmal gelingt, ist mein Ziel erreicht.
Details:
Aufbruch: 12.04.2008
Dauer: 4 Monate
Heimkehr: 03.08.2008
Reiseziele: Uruguay
Brasilien
Paraguay
Argentinien
Chile
Bolivien
Peru
Guatemala
Der Autor
 
Beatrice Feldbauer berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
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