TimeOut in Südamerika
Woche 5 10.-16. Mai 2008: Melancholie
Es hat geklappt. Marcelo kam um 22.00 Uhr und behandelte meine Schulter noch einmal. "Ja, es ist besser geworden", stellte er fest, "aber du solltest dich noch ein wenig schonen. Und mach die Übungen, die ich dir gezeigt habe." Ich verspreche es. Sie tut unglaublich gut, seine Behandlung und ich spüre wie das Blut durch die Muskeln strömt. "Ja ich helfe der Durchblutung, damit kann sich der Muskel schneller regenerieren." Nach der Behandlung treffen wir uns noch kurz in der Hotelbar. Er hat mir ein Dragee mitgebracht und er besteht darauf, dass ich es jetzt nehme - mit Milch. Also muss Pol extra in die Küche im 6. Stock, um für mich ein Glas Milch zu holen.
Am Morgen ist packen angesagt. Wie ich das hasse und wie ich mich jedesmal wieder frage, ob ich das wirklich alles mitschleppen muss. Hätte nicht auch eine Jeans gereicht. Ein Lippenstift, 2 T-Shirts? Muss das alles sein? Ich befreie mich erstmal von viel Papier. Reiseführer von Buenos Aires, Stadtpläne, Prospekte. Weg damit. Falls ich wieder einmal hierher komme, kaufe ich neue. Es macht keinen Sinn, alles mitzuschleppen. Ich habe es ja in meinem Kopf. Hoffe ich jedenfalls. Und in meiner Kamera, und im Computer. Dort bleibt es bestimmt. Mein Kopf wird seine eigene Selektion vornehmen. Das wichtigste wird er behalten, anderes etwas weiter hinten versorgen, bereit, wieder hervorgeholt zu werden, wenn es nötig ist.
Irgendwie hat alles noch Platz in Reisetasche und Rucksack und der Reissverschluss lässt sich ohne Probleme noch zuziehen. Jetzt nur aufpassen beim Schleppen. Ich kann alles in der Rezeption lassen. Werde mir am Abend ein Taxi rufen, das mich zum Busbahnhof bringen wird. Ja, es geht weiter. Per Bus. Per Suitenbus, genau gesagt. Ich habe gestern eine Nachtfahrt gebucht nach Neuquen. Da werde ich am Morgen eintreffen und von da brauche ich nochmals einen Bus, der mich in ca. 5 Stunden nach Bariloche bringen wird. Bariloche. Wieder so ein Ort, den ich noch nie vorher gehört hatte. Kaum zu glauben, aber es sind knapp vier Wochen her, seit ich den Namen zum ersten Mal gehört habe. Auf dem Flugplatz von Buenos Aires, als ich da gestrandet war und mein Flug nach Iguazu nie aufgerufen wurde. Dafür wurden alle Flüge nach Bariloche abgewickelt und das sind in Buenos Aires ein paar täglich. Ich fragte mich, was an diesem Bariloche so besonderes wäre, dass es den wunderschönen Wasserfällen von Iguazu vorgezogen würde.
Ich werde es bald erfahren. Bariloche. Viel weiss ich nicht von diesem Ort, ausser dass er das Winterparadies Argentiniens ist. Er liegt in den Bergen und scheint eine kleine Schweiz zu sein. Bernhardinerhunde stehen als Werbeträger.
Auf der Terasse im Park Hyatt Hotel
Vorläufig aber bin ich noch in Mendoza. Geniesse noch einmal diese heiterleichte Oasen-Atmosphäre auf den Plätzen. Im Moment auf der Terasse des Park Hyatt Hotel. Es ist das einzige 5-Sternhotel und noch ganz neu. Und es ist so wichtig, dass es bei der Stadtbesichtigung vorgestellt wird, nebst den Ruinen der alten und der neuerbauten Franziskanerkirche. Ich überblicke den Plaza de Independenzia, den Hauptplatz der Stadt. Höre zwar den Verkehr zirkulieren, aber auch die Vögel in den Bäumen zanken.
Nachdem man mir den Tisch abgeräumt hat, rufe ich ein Taxi. Das ist übrigens ein wirkliches Problem, wenn man allein unterwegs ist. Ich habe noch nicht bezahlt und lasse möglichst viel Wasser in der Flasche stehen, wenn ich die Toilette aufsuche. Und dann finde ich regelmässig meinen Tisch abgeräumt. Niemand, der mir den Tisch frei hält, für mich einsteht. Ich verlange dann trotzdem die Rechnung und man entschuldigt sich. Hier im Hyatt hat man mein zweites Wasser nicht verrechnet, da ich es offensichtlich nicht ganz getrunken hatte.
Heute läuft sogar der Brunnen
Also, ich fahre jetzt trotzdem mit dem Taxi zum Parque San Martin. An den See. Bummle ein wenig dem Ufer entlang und schaue den Ruderern zu. Und dann winkt mir tatsächlich einer zu. Und noch besser - er gleitet beim nächsten Mal ans Ufer und hält an. "Hab gedacht, ich hätte sie schon einmal gesehen?" Die alte Anmache funktioniert noch immer. Er würde mich später gern zum Kaffee einladen. Es ist mein letzter Tag heute, die letzten Stunden in Mendoza. Was ich wohl verpasst habe? Ich werde es nie herausfinden. Schade eigentlich. Er dreht enttäuscht ab, rudert weiter.
Der einsame Ruderer...
Später gehe ich ins Clubrestaurant, bestelle einen Salat. Es ist alles auf Sport ausgelegt hier. In der Halle gibt es Gymnastik mit viel lauter Musik. Auf dem Aussenplatz wird Tennis gespielt, auf der anderen Seeseite sammelt sich eine ganze Gruppe Jogger zum gemeinsamen Training und im Picina unter der Terasse wird Crawl geübt, angeleitet durch einen ziemlich engagierten Schwimmlehrer. Ein schöner Ort um die letzten Stunden in dieser Stadt zu verbringen. Ruhig und doch voller Leben. Diese Stadt, die sich mir nur langsam erschlossen hat. Die versteckt blieb hinter 80'000 Bäumen mit ihren verspielten Plätzen, ihren eleganten Kleider- und Schuhgeschäften, den breiten Fussgängerzonen. In dieser Stadt in der es jedem bewusst ist, privilegiert zu sein. In einer Oase inmitten der Wüste zu leben. Es ist das elegante stolze Argentinien, das sich hier in den Nachkommen von Italienern, Franzosen und Spaniern zeigt, die ihre Liebe zum Wein mitgebracht haben und sie voller Stolz weiter pflegen.
Herbstliche Melancholie
Ich bin ein wenig traurig, schon wieder ein Abschied. Aber das gehört zu Mendoza, diese etwas melancholische Stimmung. Marcelo hat es mir erklärt. Das Wetter macht es aus. Diese tägliche Steigerung. Die Kühle des Morgens, die Hitze des Mittags und die Trägheit des Nachmittags. Himmelhochjauchzend am Mittag und gegen Abend kippt die Stimmung ins melancholische. "Wir kennen das", hat er gesagt. Es ist Zeit, zurückzugehen. Noch einmal ins Internet, und dann zum Bus. Bin gespannt, wo ich morgen früh aufwachen werde.
der Regata Club in Mendoza
Aufbruch: | 12.04.2008 |
Dauer: | 4 Monate |
Heimkehr: | 03.08.2008 |
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