TimeOut in Südamerika
Woche 15 19. - 25. Juli 2008: Dschungel
Iquitos, Stadt am Amazonas. Im Dschungel. Es führt keine Strasse dahin. Die Stadt ist nur per Flugzeug oder Schiff erreichbar. Ich fliege in die aufgehende Sonne. Tief unter mir schlängelt sich der Amazonas dahin. Ich fliege über grünem dichtem Wald. Regenwald.
Abgeholt werde ich von Ricardo, dem Besitzer der Lodge, in der ich die nächsten fünf Tage verbringen werde. Es ist eine quirlige Stadt, das erkenne ich schon, wie wir das Flughafengelände verlassen. Ricardo hat mich mit einem Minibus abgeholt, aber rund um uns schwirren diese kleinen Taxis. Mototaxi werden sie hier genannt, denn eigentlich sind es Motorräder mit einem Kabinenaufbau. Ausserdem überholen uns bei jedem Rotlicht Mofas und neben uns tuckelt ein Holzbus. Ja, das ist ein kurzer Bus ohne Fenster. Bis auf die Motorhaube ist alles aus Holz und heraus hängen die Fahrgäste. Es ist wie in einem Bienenhaus, alle wollen in die gleiche Richtung. In die Stadt.
Im kleinen Büro angekommen, stellt mir Ricardo meinen Guia vor. Oracio. Er wird mich hinaus zur Lodge begleiten und für mich zuständig sein. Noch kann ich mir nicht so genau vorstellen, was mich da erwarten wird, aber es ist Oracios Aufgabe, mich zuerst einmal mit dem Ort vertraut zu machen. Wir werden ca. 2 Stunden Flussabwärts fahren und kommen dann zur Lodge, die im Urwald, in der Nähe des Amazonas liegt. Es gibt da keinen Strom. Nach dem Internet brauche ich also gar nicht zu fragen. Warmwasser wird es auch keines geben. Also Abenteuer pur.
Es ist noch früh am Morgen, es werden noch mehr Gäste erwartet, darum machen wir einen kurzen Stadtrundgang. Die Stadt verdankt ihre Entstehung dem Kautschuk, der vor hundert Jahren ein paar Leute sehr reich gemacht hat. Die Kautschukbarone. Der Film Fitzgeraldo spielt hier und zeigt diese Zeit. Heute allerdings sieht man vom alten Glanz nur noch ein paar verblasste Fassaden, die allerdings unter Schutz stehen. Oracio zeigt mir ein paar sehr schöne Beispiele.
Wir kommen zum Flussufer. Im Moment ist Sommer, das heisst Trockenzeit. Das Wasser geht zurück und am Ufer entsteht eine breite Schlammschicht. Hier wird im Sommer Reis angepflanzt. Der Boden ist dazu hervorragend geeignet. Und da stehen wieder Häuser im Wasser. Nein, stimmt nicht, die schwimmen auf dem Wasser. Auf Holzplattformen stehen einfache Häuser. Sie steigen und sinken mit dem Wechsel der Jahreszeiten. Die Häuser sind sogar ans Stromnetz angeschlossen, es gibt Leitungen, die hinaus aufs Wasser führen. Ich nehme an, dass sie diese Leitungen kappen müssen, wenn die Häuser umziehen.
Wir gehen weiter zur Plaza de Armes und kommen zu einem weiteren Kusiosum. Einem Haus ganz aus Eisen. Wieder einmal eine Konstruktion von Gustave Eiffel, dem Erbauer des Eiffelturm. Nach seinen Plänen wurde hier im Auftrag eines Kautschukbarons ein Restaurant gebaut. Das Haus hat verschiedene Höhen und Tiefen hinter sich, wird aber heute im ersten Stock wieder als Restaurant benutzt.
Das Eiffel-Haus
Inzwischen ist es neun Uhr, Zeit, aufs Schiff zu gehen. Freddy, aus Lima und sein Sohn José Miguel sind inzwischen noch zu uns gestossen und das Abenteuer kann beginnen. Schwimmwesten anziehen, wir fahren mit dem Schnellboot auf einem Seitenarm und kommen zum Amazonas. Hier treffen wir bereits die ersten Delphine, die hier in der Mündung spielen und fischen.
Auf beiden Seiten des Flusses gibt es jetzt nur noch grüne Wälder, Bananenstauden und schilfartiges Gras. Manchmal erkennt man ein Haus am Ufer und einmal kommt uns ein grosses Floss entgegen mit Bananen aus den Dörfern.
Gegen Mittag kommen wir bei der Lodge an. Es gibt noch einen kurzen Fussweg über einen überdachten Steg und wir sind da.
Der Speisesaal - ein traditioneller Rundbau
Hier im Dschungel wurde die Lodge aufgebaut. Zentrum ist ein grosser Rundbau, in dem das Essen serviert wird. Es ist im traditionellen Stil gebaut mit einem Dach aus Palmenblättern, das tief hinunter gezogen ist. Es ist angenehm kühl hier drin, denn draussen ist es inzwischen tropisch schwül geworden. Und es riecht nach Moder und grüner Frische. Nach Urwald, nach Dschungel. Wir bekommen unsere Zimmer. Freddy zieht mit seinem Sohn in ein kleines Rundhaus und meine Bleibe ist Teil eines Langhauses. Die Häuser bestehen aus einfachen Verschlägen mit grossen Fenstern, die mit Fliegengittern geschlossen sind. Scheiben gibt es nicht. Alles ist luftig leicht gebaut und es scheint, man wohne direkt im Urwald.
Es gibt ein Badezimmer mit einer grossen Dusche und Toilette und zwei Betten. Ein kleines Abstellmöbel, ein Stuhl und ein Haken an der Wand komplettieren die Einrichtung. Noch vor dem Mittagessen machen wir einen kurzen Rundgang um das Gebäude. Oracio will uns die verschiedenen Pflanzen vorstellen. Die verschiedenen Palmen, den Brotbaum, und andere Pflanzen, deren Bestandteile man als Heilpflanzen benutzt. Zum Teil sind es die Wurzeln, die zerstampft, oder die Rinde, die in Wasser eingelegt wird, oder ganz einfach die Blätter die gekaut werden. Für jede Krankheit gibt es die richtige Pflanze.
Oracio kennt fast alle Pflanzen
Zum Mittagessen treffen andere Gruppen ein, die auf verschiedenen Exkusionen waren. Mittagessen gibt es pünktlich um halb zwei. Frühstück und Nachtessen jeweils um halb Acht Uhr. Im übrigen ist man meistens mit dem Guia unterwegs um die Gegend kennen zu lernen. Auch wir treffen uns nach einer kurzen Rast und fahren mit dem Boot wieder hinaus auf den Fluss. Braun ist das Wasser hier. Es ist aber nicht schmutzig, wie uns Oracio erklärt, sondern das kommt von der Erde, die es überall von den Ufern mitbringt. Die Menschen am Fluss brauchen das Wasser zum Kochen und Trinken und selbstverständlich auch zum Waschen und für die Körperpflege.
Wir fahren nicht weit, denn wir besuchen einen Familie, die verschiedene einheimische Tiere hält, um sie den Touristen zu zeigen. Man trifft nämlich auch hier nicht überall im Wald eine Anaconda. Hier aber können wir eine solche Riesenschlage sehen, ja berühren. Ebenfalls einen kleinen Cayman. Es ist noch ein Baby, sonst könnte man ihn nicht so einfach aufheben. Nachdem wir uns mit den Nasenbären und ein paar Affen vergnügt haben, bringt eines der Kinder das eigenartigste Tier, das ich je gesehen habe: eine Perecioso. Ein Faultier. Ganz langsam kriecht es über den Boden. Ich kann mich gar nicht satt sehen von seinem eigenartigen Gesicht, den langen Armen und Beinen, mit denen es sich fortbewegt. Sein Fell ist struppig, grau braun, schwarz und sein Kopf dreht sich nach allen Seiten. Es lebt hoch oben in den Bäumen und kommt kaum von da herunter.
Das Faultier
der junge Cayman
Nachdem wir das Tier genug bestaunt und bewundert haben, kommen wir zu einem kleinen Zuckerrohrfeld. Mit der Machete wird eine Stange abgehauen. Sie sieht irgendwie aus wie Schilf, ist aber viel stärker und dicker. Das Rohr wir mit einer einfachen Presse zerquetscht und ausgewrungen und zuletzt bekommen wir alle einen kleinen Schluck Zuckerrohsaft. Es braucht noch ein paar Verarbeitungen, bis aus diesem Saft Rum entsteht. Er muss noch vergären und wird danach gebrannt. Hier, bei der Familie wird daraus allerdings Medizin gemacht. Es gibt einige Tinkturen und Getränke, die man hier kaufen kann. Freddy interessiert sich für eine Mischung von sieben Wurzeln, von denen er sagt, dass man sie in Lima auf dem Markt teuer kaufen müsse, während sie hier fast nichts kostet. Wofür die Wurzeln gut sein sollen, konnte ich mir nicht merken, dass aber fast alle Mittel gut für die Potenz seien, fällt mir hingegen auf. Natürliches Viagra betont Oracio.
Zuckerrohr auspressen
Auf dem Rückweg halten wir auf die Mitte des Flusses zu und treffen wieder auf Delphine. Es gibt hier graue Delphine, die vom Meer herauf kommen und einen Teil ihres Lebens hier verbringen. Ausserdem gibt es hier rosa Delphine. Sie leben nur hier und sind ziemlich selten. Beide Exemplare sind allerdings sehr gross, grösser, als diejenigen, die ich im Meer gesehen habe.
Aber sie springen hier nicht in die Höhe, zeigen nur den Rücken und tauchen gleich wieder unter. Und genau hier, wo die Delphine schwimmen, werden auch wir jetzt schwimmen gehen.
Das Wasser ist angenehm warm und tut richtig gut nach der Schwüle des Tages. Kurz vor Sonnenuntergang fahren wir zurück zur Lodge. Hier ist unterdessen eine sehr romantische Stimmung. Im Speisesaal werden Petroleumlampen aufgestellt und zwischen den Häusern kleine Fackeln aufgestellt.
Ich will noch vor dem Nachtessen duschen. Vergeblich suche ich den Lichtschalter, im Badezimmer ist es dunkel. Hätte ich doch vorher die Installationen studiert. Irgendwo finde ich einen Hahnen in der Wand und schon rieselt es kalt aus der Brause. Nach dem Bad im Fluss scheint mir das allerdings gar nicht so schlimm. Später suche ich meine Brille, meine Uhr. Wo hab ich die Dinger nur abgelegt? Werde mir angewöhnen müssen, die Sachen bewusster irgendwo hinzulegen, sonst finde ich mich in der Dunkelheit nicht zurecht. Unterdessen hat allerdings der Nachtwächter vor jedem Zimmer eine Petroleumlampe hingestellt. Die hole ich jetzt herein und sie erhellt mein Zimmer wenigstens ein wenig.
Nach dem Nachtessen gehen wir hinter der Lodge zu einem kleinen Weiher. Hier wartet ein Kanu auf uns. Und die Frösche, die extra für uns ein Konzert anstimmen. Die Symphonie der Frösche. Schade, dass Freddy und sein Sohn während der ganzen Fahrt kichern und lachen und die Kamera aufblitzen lassen. Ich hätte die Stille, resp. die Frösche gern noch ein wenig intensiver genossen. Mit ganz leisen Ruderschlägen gleitet uns Oracio über das Wasser. Es ist fast ganz dunkel und die Frösche machen einen ohrenbetäubenden Lärm. Einige klingen metallisch, andere quaken mit lautem Schrei und wieder andere machen ein klackendes Geräusch. Als ich später ins Bett falle, bin ich todmüde und schlafe fast sofort ein. Nur noch kurz dringen die Geräusche des Waldes an mein Ohr, es war wieder einmal ein ausgefüllter Tag voller neuer Eindrücke.
Aufbruch: | 12.04.2008 |
Dauer: | 4 Monate |
Heimkehr: | 03.08.2008 |
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