TimeOut in Südamerika
Woche 12 28. Juni-4. Juli 2008: Sicherheit
Heute gehe ich auf Nummer sicher. Ich bin mit zwei Männern unterwegs. Marco von der Hotelrezeption hat mir diese Fahrt nach Coroico organisiert. Um acht Uhr holt mich das Taxi beim Hotel ab. Victor ist der Fahrer und Enrique der Guia.
Bevor wir die Stadt verlassen können, müssen wir eine Polizeikontrolle passieren. Victor zeigt seine Papiere, aber irgendetwas scheint zu fehlen. Enrique versucht zu vermitteln, und zu erklären, dass die Señora erwartet wird, man hätte keine Zeit, jetzt noch ein Papier zu organisieren, das hier noch nie gebraucht wurde. Es gibt kein Pardon, das Papier muss her, oder es muss bezahlt werden. Am Nachmittag komme ein Mayor und da müsse alles seine Richtigkeit haben, erklärt der Polizist. "Was kostet der Mayor"? will Victor wissen und wahrscheinlich erklärt diese Frage einiges über das Land Bolivien. Schliesslich muss er 30 Bolivianos bezahlen, was zwar nicht viel ist, aber für ihn wahrscheinlich mehr, als er ausgeben wollte. Aber die Sache mit dem Papier ist erledigt und wir können weiterfahren.
Später kommen wir an eine Zahlstelle. Personenwagen kosten 7.50 Bolivianos zeigt die grosse Tafel die Tarife. Trotzdem muss Victor 9.50 bezahlen. Warum? "Das ist einfach so, gegen solche Sachen kann man nichts machen", erklärt Victor.
auf der Passhöhe, 4'600 m
Zuerst fahren wir hinauf auf den Pass. Fast ganz oben gibt es einen Stausee, der jetzt allerdings ziemlich niedrig ist. Nein, Strom machen sie damit nicht, aber er ist ein wichtiges Trinkwasserreservoir. Ganz oben auf dem Pass ist eine wunderschöne Lagune, die in tiefem blau leuchtet. Sie wird von vielen Wasservögeln bevölkert. Wir sind auf 4'600 m und Victor erzählt, dass es viele Leute gibt, die hier so etwas Ähnliches wie eine Zeremonie abhalten. Sie schütten etwas Alkohol auf die Erde und bitten um gute Fahrt.
Wahrscheinlich war das früher noch wichtiger, denn wie ich gelesen habe, war die Strasse früher sehr gefährlich. Sie galt sogar als die gefährlichste Strasse der Welt und zwar vor allem für die vielen Biker, die von hier oben eine rasende Abfahrt geniessen. Die Biker benutzen übrigens immer noch die alte Strasse. Wir treffen mehrere Kleinbusse, mit Bikes auf dem Dach. Für die Autos gibt es seit kurzer Zeit eine neue, gut ausgebaute Strasse. Die Aussicht auf die Berge rundum ist gewaltig. Es grüssen schroffe Felsen. Sie sind alle gegen 5'500 m hoch.
Die Fahrt ist grandios und die Aussicht wechselt ständig. Manchmal ist die Strasse von Erdrutschen teilweise zerstört und es rüttelt gewaltig. Auch gibt es immer wieder tiefe Schlaglöcher, denen Victor ausweichen muss. Aber wenn man bedenkt, in welcher Höhe wir uns befinden, ist die Strasse in sehr gutem Zustand. Einen Moment durchfahren wir eine Nebelschicht, wobei ich bei der Höhe eher das Gefühl habe, dass wir durch die Wolken fahren. Doch nach und nach kommen wir tiefer. Und je tiefer wir kommen, umso wärmer wird es. Waren es auf dem Pass noch knapp 0 Grad, so werden es schon bald gegen 25 Grad.
in den Wolken
Und die Vegetation wird immer üppiger, grüner exotischer. Es gibt Papayas und Bananenbäume und die Pflanzen lassen mich an einen Urwald denken. Bosque montañano, Bergwald sagt ein Schild am Strassenrand. Wir fahren das ganze Tal entlang und kommen ganz unten bei 1000 m an. Hier ite es ein paar grosse Hotels mit Pools. Ressorts, erklärt Enrique, um eine ganze Woche zu entspannen inmitten der ursprünglichen Natur. Doch wir bleiben nicht hier am Grunde des Tales, wir fahren wieder hinauf, nach Coroico. Das ist ein kleines Dorf, ziemlich isoliert auf 1700 m. Es ist zum Teil Naturstrasse, die dahin führt und zum anderen Teil ist die Strasse mit kleinen runden Steinen besetzt, was sie zu einer regelmässigen Rüttelpiste macht. Noch 30 km bis zum Dorf.
die Kirche von Coroico
Victor lässt uns beim Hauptplatz aussteigen und mit Enrique mache iech einen Gang durchs Dorf. Jede Haustüre ist irgendein Geschäft. Einfache kleine Läden mit Lebensmitteln, Früchten und Gemüsen, mit Zeitschriften und Spielzeugen. Oder Restaurants. Meist ganz kleine Lokale mit 4-5 Tischen. Auch Apotheken und Internet gibt es und ein paar Hotels. Es ist ein ausgesprochener Touristenort. An Wochenenden ist der Ort voll von Leuten aus La Paz, die hier das milde Klima und die üppige Vegetation schätzen. Aber auch bei Wanderern ist Coroico ein beliebtes Ziel nach einer 2-3 tägigen Wanderung. Und ausserdem ist es das Ziel der wagemutigen Biker.
Blühende Bäume auf dem Hauptplatz
An einer Ecke entdecken wir einen Schumacher. Enrique erklärt mir, dass der Mann seine Schuhe aus alten Reifen macht. "Wirklich?" das will ich sehen. Bereitwillig zeigt mir der Mann seine Schuhe. Er schneidet sie mit der Maschine und schustert sie hier auf der Strasse zusammen. Das grobe Profil benutzt er für die Sohlen. Abgelaufene dünnere Flächen braucht er als Riemchen für Sandalen oder als 'Oberleder' für geschlossene Schuhe. Er freut sich, dass ich mich für seinen Arbeit interessiere und lässt sich gern fotografieren.
Schuhe aus Pneus
Der Schumacher
Nicht wie die Frau gestern auf dem Gemüsemarkt. Als sie merkte, das ich die Kamera zückte, winkte sie ab: "Ich will nicht mitkommen in dein Land!" Ich fand das eine sehr schlagfertige und zu akzeptierende Haltung und beliess es dabei, ihre vielfarbigen verschiedenen Kartoffelsorten zu fotografieren.
Inzwischen hat Victor einen Parkplatz gefunden und wir gehen zum Mittagessen in eine kleine Pizzeria. Ich habe die beiden eingeladen und ging davon aus, dass das Essen nicht besonders teuer sein würde. Die Rechnung erstaunt mich trotzdem. 100 Bolivianos für 3 Pizzas und einen Liter Coke. Das sind gerade mal 14 Franken. Hier werde ich noch öfters jemanden zum Essen einladen können.
Draussen kurvt derweil ein Bus um den Hauptplatz. Weil hier so viele Autos abgestellt sind, hat der Bus kaum mehr Platz. Darum muss der Wirt schnell den Tisch vor dem Restaurant in Sicherheit bringen, denn der Bus kommt beim Ausholen fast ins Restaurant.
Enrique weiss, dass es in der Nähe Wasserfälle gibt. Also fahren wir weiter. Es sind drei Wasserfälle und der letzte sei der schönste. Zum Teil gibt es jetzt in der Strasse tiefe Schlaglöcher und wenn Wasser in der Nähe ist, sind sie mit Wasser gefüllt. Darm ist es besonders wichtig, vorsichtig durch diese Löcher zu fahren, denn man weiss nie genau, wie tief so ein Loch ist. Beim dritten Wasserfall parkieren wir und es geht noch ein kleines Stück zu Fuss bergauf. Auch hier wieder öffnet sich eine wunderbare Aussicht auf üppig bewachsene Berghänge.
ein neu gepflanztes Kokafeld
Manchmal sieht man dazwischen ein Kokafeld. Der Kokaanbau ist in Bolivien wichtig. Zwar kann man daraus auch Kokain machen, aber Koka wird hier seit Jahrhunderten als Tee benutzt. Und das Kauen von Kokablättern soll gegen Kälte, Hunger und Höhenkrankheit helfen. Kokablätter sind übrigens auch immer auf dem Frühstücksbuffet im Hotel und es gab sie auch bei den beiden Frühstückspicknicks in San Pedro. Die meisten Kokafelder sind legal und werden kontrolliert. Aber selbstverständlich gibt es auch ein paar illegale, von denen man nicht so genau weiss, was daraus hergestellt wird. Kokaanbau ist übrigens sehr intensiv, erklärt mir Enrique, denn die Blätter werden einzeln geerntet. Und Koka wird nur an steilen Hängen angebaut.
Die Luft riecht wunderbar von irgendwelchen Kräutern und ich bleibe immer wieder stehen um etwas zu verschnaufen und die Aussicht zu geniessen.
Der Wasserfall ist nicht wirklich spekakulär, aber in einer Landschaft wo Wasser und Regen selten sind, stellt er natürlich sowas wie ein Wunder dar. Von weit oben fällt das Wasser über den steilen Fels und mündet in ein kleines Naturbassin. Und obwohl das Wasser kalt ist, plantschen darin ein paar Kinder, spritzen sich gegenseitig an und kugeln sich vor Freude.
Enrique und Victor
Auch Victor, der noch nie hier war, findet den Ort wunderbar. Ich schiesse ein paar Fotos und dann kehren wir zurück ins Dorf zu einer kurzen Erfrischung in einem Restaurant. Wovon leben die Leute in diesem kleinen Dorf? So weit weg von allem, so isoliert. Die Fahrt nach La Paz dauert drei Stunden.
Das wichtigste ist der Tourismus. Es gibt in der Saison viele Gäste aus aller Welt und vor allem aus La Paz. Daneben aber kultivieren die Leute viele verschiedene Früchte und Gemüse, die sie auf die Märkte von La Paz verkaufen. Ausserdem wird Kaffee angepflanzt. Das ist ein sehr wichtiger Exportartikel Boliviens. Ja, ich habe die Kaffeepflanzen gesehen. Die Früchte sind am reifen. Auch der Kokaanbau bringt Verdienst ins Dorf.
Dann ist es Zeit aufzubrechen. Die Fahrt zurück nach La Paz ist lang, obwohl es nur 120 km sind. Wir erreichen die Stadt kurz nach Sonnenuntergang und ich bin wieder einmal müde von all den vielen Eindrücken, von den Höhenunterschieden und der intensiven spanischen Konversation.
Zum Nachtessen bleibe ich im Hotel, wo mir Sonja, die nette Köchin, die auch für den Service zuständig ist, eine feine Forelle serviert. Beim Gespräch entdecken wir nicht nur, dass wir beide gleich alt sind, sondern auch, dass wir einige Gemeinsamkeiten in unseren Lebensläufen haben.
Aufbruch: | 12.04.2008 |
Dauer: | 4 Monate |
Heimkehr: | 03.08.2008 |
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