TimeOut in Südamerika
Woche 6 17.- 23. Mai 2008: Wale
Hallo, ich bin zurück. Zwar bin ich noch nicht sicher, ob es bereits der richtige Zeitpunkt ist. Ich hab mich nämlich ein wenig verspekuliert. Aber ihr wollt ja dabei sein und wissen, was ich so erlebe. Also auch die Fehlentscheidungen mitbekommen.
Wie es mir geht? Habe die letzte Nachtfahrt überlebt. Und nicht einmal schlecht. Das war für mich die Vorgabe. Falls ich die nächste Nachtfahrt überstehe, werde ich mich wieder melden. Muss mich ja schliesslich an diese Art des Reisens gewöhnen, denn das wird in Zukunft die bevorzugte Reisemöglichkeit sein. Wie es mir geht? Moralisch hervorragend, voller neuer Ideen, voller Erwartungen auf das, was noch kommt. Physisch noch nicht so ganz toll. Die Schmerzen in der Schulter sind noch nicht ganz weg, obwohl Natalie in Bariloche sich alle Mühe gegeben und mit ihrer täglichen Massage auch einiges erreicht hat. Im Moment nehme ich noch täglich ein Aspirin. Das nimmt die Schmerzen und entlastet den Kopf. Das heisst, ich muss nicht immer Angst haben, die Schmerzen würden mich wieder einholen. Falls ich wieder die Möglichkeit einer Massage sehe, werde ich sie nutzen, dass ich einen eigenen Physiotherapeuten um Mitternacht ins Zimmer bestellen kann, diese Möglichkeit sehe ich im Moment eher nicht.
Was mich vor allem ausgebremst hat, war neben den völlig unerwarteten Schmerzen die Erfahrung, dass ich mich nach einer einzelnen Nachtfahrt fast nicht mehr erholen konnte. Ich war so unendlich müde, dass ich wirklich für ein paar Tage nur noch mein breites Bett sah. Das habe ich dann zwar nach zwei Tagen gegen ein schmaleres gewechselt. Aber das Zimmer war richtig gross und bequem und ich hatte Internet im Zimmer, konnte also immer online sein und im ständigen Mail-Kontakt mit meiner Familie und Freundinnen. Heimweh kenne ich zwar eigentlich nicht, aber dass ich bei dieser Gelegenheit die Möglichkeit entdeckte, Radio DRS1 live zu hören und ein paar Schreckmümpfeli und Zweierleier abzuhören, war irgendwie sehr wohltuend. Was mir beim Reisen immer fehlt ist diese ständige Berieselung mit Informationen, die ich zu Hause per Radio immer geniesse. Ich mag nicht Informationen per Internet suchen, ich mag es, wenn man mich per Radio ständig informiert.
So hatte ich zwar mitbekommen, dass der Vulkan bei Chaiten in Chile ausgebrochen war, aber ich suchte nicht extra nach entsprechenden Informationen. Ich versuchte ein paar Informationen in Gesprächen vor Ort zu erhalten. Schon in Mendoza sagte man mir, dass im Süden noch immer Asche vom Himmel fällt und die Bilder, die ich im Fernsehen sah, schienen Nachtaufnahmen zu sein. Ob es in Bariloche ebenfalls Asche hätte, war nicht wirklich herauszufinden und auch als ich da ankam, wollte niemand wahrhaben, dass man Auswirkungen des Vulkans gespürt hatte. Dabei ist der ganz in der Nähe und das schlechte Wetter, das schon bei meiner Ankunft herrschte, machte mir schon den Eindruck, dass der Vulkan dabei mitmischte. Erst nach dem Regen an meinem letzten Tag gab ein Taxifahrer zu, dass der Ausbruch wohl ein wenig Einfluss auf das Wetter gehabt hatte.... Es ist wie überall, man schützt, was man liebt. Der Vulkan ist speit noch immer seine Asche in den Himmel. Und das, obwohl er seit Jahrzehnten nicht mehr aktiv war. "Ein Vulkan ist nie tot", sagte mir ein Taxifahrer in Bariloche, "er schläft einfach manchmal etwas lange". Hier wie überall wo es Vulkane gibt, lebt man in einer unglaublichen Selbstverständlichkeit mit dieser Gewissheit.
Aber zurück zur Aktualität. Ich bin heute Mittag nach einer 18-stündigen Busfahrt in Puerto Madryn an der Ostküste Argentiniens angekommen. Der Ort ist bekannt für die Wale, die sich hier in der Bucht tummeln. Und für die Pinguine und die Seelöwen, die man hier beobachten kann. Ich hatte keine Ahnung über die richtige Saison. Und bin prompt in der tiefsten Nebensaison gelandet. Es gibt im Moment sozusagen keine Touristen hier. Wale sind da, aber es gibt keine, wirklich keine Expeditionen per Schiff, nicht einmal eine private Fahrt konnte ich organisieren. Erst wieder im Juni. Man könne die Wale auch vom Ufer aus sehen, hat man mir auf der Touristen-Information versichert. Ja, wenn man Lust hat, stundenlang im Regen am Ufer zu stehen. Und wenn man einen Feldstecher hat. Ich habe es nicht versucht. Habe mir aber für morgen eine private Führung per Auto zur Halbinsel Valdes organisiert. Vielleicht sehe ich zufällig den Schwanz eines Wales im Wasser verschwinden, zugesichert sind jede Menge Schafe und diese eigenartigen Kaninchen mit kurzen Ohren, die ich schon im Zoo von Buenos Aires gesehen hatte. Die Pinguine habe ich definitiv verpasst, die sind zurzeit selber unterwegs. Egal, auch das gehört zum Reisen. Dass man manchmal den richtigen Zeitpunkt verpasst. Das ist ja die Spannung, die zu dieser Art des Reisens gehört. Manchmal ist man genau zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort, manchmal hat man ihn gerade verpasst. Um eine Woche, einen Monat. Wer kann das alles vorher so genau definieren und organisieren. Und das schlechte Wetter gehört wohl ebenfalls zu Patagonien. Diese unendlich weiten Landschaften, dieser weite Himmel, der zurzeit von Wolken überzogen ist. Einzig Bariloche hat sich gestern noch von seiner besten Seite gezeigt. Mit einem blauen Himmel und einer fantastischen Sicht auf die Berge um den See. Aber es war zu spät, mein Bus fuhr am Abend.
So, und jetzt ist es wohl Zeit, diesen Text online zu stellen, damit ihr morgen wieder einmal etwas Neues von mir hört. Fotos gibt es zurzeit noch keine. Bin am Mittag bei Regen angekommen, habe einen kleinen Spaziergang dem Meer entlang gemacht und bin dabei auf unzählige Touristen-Büros gestossen - die alle geschlossen waren. In dem einen, das offen war, habe ich meinen morgigen Ausflug organisiert. Und dann ging ich zurück zur Busstation, um zu sehen, wie ich von diesem Ort wieder wegkomme. Flüge sind zurzeit gestrichen, wegen Schlechtwetter. Auch die Busgesellschaft konnte mir nicht mit Sicherheit bestätigen, ob meine Fahrt am Samstag/Sonntag stattfinden wird. Wegen Schnee auf den Strassen. Werde mich am Samstag-Morgen noch einmal erkundigen müssen.
Übrigens noch ein interessantes Detail zum heutigen Reisen. Ich sitze in der Bar meines Hotels. Am Tresen ein junges Pärchen, er hat seinen Laptop eingeschalten und scheint im Chat mit irgendwelchen Freunden zu sein, während sie etwas gelangweilt in der Gegend rumschaut. Die beiden PC's mit Internet-Zugang sind besetzt. Ausser mir sitzen noch drei weitere Touristen in der Bar an je einem Tischchen und versuchen soeben, mit ihren eigenen Laptops online zu gehen. Moderne Zeiten. Jeder ist mit seinem eigenen Universum unterwegs. Ich beklage mich nicht, stelle nur fest und finde das ganze eigentlich ungemein interessant und witzig. Ausserdem muss ich gestehen, dass ich im Moment herzlich wenig Lust habe, mich spanisch mit irgendwelchen Typen zu unterhalten. Deutsch habe ich seit dem Abschied von Stella überhaupt nicht mehr gehört. Und ich habe in der Gästeliste des Hotels ein wenig gestöbert. Der letzte Europäer war ein Spanier vor ein paar Tagen und vor drei Wochen ein Schweizer.
Übrigens noch zur Information. Heute ist Donnerstag, mein Ausflug auf die Halbinsel Valdes ist auf Freitag angesetzt.
Aufbruch: | 12.04.2008 |
Dauer: | 4 Monate |
Heimkehr: | 03.08.2008 |
Brasilien
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Argentinien
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Bolivien
Peru
Guatemala