TimeOut in Südamerika

Reisezeit: April - August 2008  |  von Beatrice Feldbauer

Woche 13 5. - 11. Juli 2008: Binsen

Abschied nehmen. Schon wieder. Von einem wunderschönen Ort, von einem Land. Aber noch nicht vom See. Ich fahre heute nach Peru. Abschied von Bolivien. Eigentlich war mein Aufenthalt hier viel zu kurz. Es gäbe noch so vieles zu sehen. Ich kann nicht viel sagen über dieses Land. Ich habe die Grossstadt La Paz gesehen. Und ich habe einen ruhigen Tag am Titicacasee verbracht. Wieder einmal habe ich sehr freundliche Menschen getroffen, bin über die bisher farbigsten Märkte geschlendert, habe gut gegessen und ziemlich viel eingekauft und trotzdem kaum Geld ausgegeben. Das Land ist ausgesprochen günstig. Jedenfalls für uns.

Für die Bevölkerung sieht das natürlich ganz anders aus. Waren Argentinien und Chile sehr zivilisiert und auf einem guten Standard, so ist Bolivien noch ziemlich unterentwickelt. Es gibt hier eine extreme Armut, die sich überall zeigt. Nicht nur bei den Bettlern, sondern auch bei Menschen, die arbeiten. Die Leute auf dem Land wohnen in sehr bescheidenen Verhältnissen.

Ein paar letzte Stunden auf der Hotelterrasse mit Blick auf den See

Ein paar letzte Stunden auf der Hotelterrasse mit Blick auf den See

Was mir allerdings zu schaffen macht, ist die Höhe. Die kleinste Anstrengung bringt mich gleich ausser Atem. Auf dieser Höhe werde ich allerdings heute noch bleiben. Ich fahre nach Puno in Peru. Puno liegt noch immer am Titicacasee, also bleibt die Höhe von 3'600 m. Ein neues Land, neues Geld. Hier heisst es Soles und ich muss mich schon wieder mit einem neuen Kurs auseinandersetzen.

Das Grenztor zwischen Bolivien und Peru

Das Grenztor zwischen Bolivien und Peru

An der Grenze wechsle ich wieder einmal die letzten Bolivianos in Soles. Und natürlich habe ich wieder zwei Stempel in meinen Pass bekommen, einen für die Ausreise, einen für die Einreise. Und wieder einmal ein Formular ausgefüllt.

Die Fahrt führt über eine grosse Hochebene. Rechts grüsst manchmal der See. Noch immer schillernd und tiefblau. Es ist einmal mehr ein wunderbarer wolkenloser Tag.

Blick aus dem Bus

Blick aus dem Bus

Was etwas weniger angenehm ist, ist der Zustand des Busses. Ob da bei einem Rad eine Schraube locker ist, oder ob die Räder gar nicht ausgewuchtet sind. Wir schwabbeln über die Strasse und die Amerikaner hinter mir diskutieren über ein 'Powerplate'. So wie ich das verstehe, ist das ein Trainingsgerät, das schwabbelt, und auf dem man sich so lange als möglich halten sollte. Mein Sitznachbar sieht sehr besorgt aus und sagt, das käme von den Pneus. "Das ist sehr gefährlich", meint er noch, und da bin ich eigentlich ganz seiner Meinung. Und dann faltet er die Hände und ich überlege, dass wahrscheinlich keiner meiner Kunden auch nur 10 Meter mit diesem Bus fahren würde. Das nutzt mir jetzt aber gar nichts. Immer wenn der Kilometerzähler über 80 steigt, fängt der Bus wieder zu schwanken an und der Chauffeur muss das Steuerrad mit beiden Händen festhalten. Ich kann das genau beobachten, weil ich etwas erhöht direkt hinter dem Fahrer sitze. Mein Sitznachbar ist übrigens unterdessen eingeschlafen.

Es herrscht nicht viel Verkehr auf der Strasse, und wenn irgendetwas auf der Strasse oder am Strassenrand auftaucht, wird es weggehupt. Sei das ein Hund, ein Kind oder ein Fahrrad. Manchmal überquert auch eine Herde die Strasse. Oder am Strassenrad weidet eine Kuh. Immer wieder kommen wir an grossen Schafherden vorbei, oder an kleinen gemischten Tiergruppen von Schafen, Eseln, Lamas und Kühen. Der Bus fährt meistens in der Mitte, um den vielen Schlaglöchern auszuweichen oder er fährt gleich ganz links. Anscheinend ist immer die linke Spur die bessere. Erst wenn etwas entgegenkommt, wird die Spur gewechselt.

Der Adjudante hat sich mir vorgestellt: Roberto. Und er möchte auch gleich wissen, ob ich schon eine Unterkunft hätte, er könne mir ein Hostal oder ein Hotel besorgen. Ausserdem sollte ich höchstens eine Nacht in Puno bleiben und morgen gleich weiterfahren, weil Dienstag und Mittwoch wegen einem nationalen Streik keine Busse fahren würden. Er ist sehr geschäftstüchtig und als wir in Puno ankommen, hat er nicht nur mich im Schlepptau, sondern auch noch zwei Holländerinnen, denen er ein günstiges Hostal vermittelt. Wie wir in meinem Hotel ankommen, drängt er, gleich wieder zu gehen, denn das Schiff, das mich zu den Uros bringen werde, fahre in 10 Minuten ab.

Also bin ich heute schon wieder, kaum angekommen, auf einem Schiff. Die Uros. Das ist ein uraltes Volk, das auf selbstgemachten schwimmenden Inseln wohnt. Man sagt, dass sie sich dadurch vor den Inkas schützen konnten. Nach einer guten halben Stunde kommen wir auf einer dieser Inseln an. Es gibt mehr als 40 davon. Auf einigen sind Touristen willkommen und so werden wir von ein paar Frauen auch bereits empfangen. Sie haben allerdings eine eigene Sprache und sprechen kaum Spanisch.

Ankunft auf der schwimmenden Insel

Ankunft auf der schwimmenden Insel

Sie zeigen uns, wie ihre Inseln gemacht sind. Es sind die Wurzeln der Binsen, die hier überall wachsen. In der Regenzeit werden sie nach oben getrieben und bilden ganze Blöcke. Diese werden mit Schnüren zusammengebunden und mit vielen Schichten Binsen lagenweise kreuz und quer bedeckt. Und auf diesen Binsen leben die Leute. Sie bauen einfache Hütten aus Binsen. Um zu kochen, braucht es ein paar Steine als Unterlage und darauf wird ein tönerner Herd gestellt. Aus Binsen werden auch die Möbel gemacht und auch die wunderschönen Schiffe. Allerdings benutzen die Fischer heute vor allem Motorboote, aber wie wir bei der Insel anlegen, sehen wir doch noch einige dieser alten Binsenboote, für die der Titicacasee berühmt ist.

Blick in die Schlafhütte

Blick in die Schlafhütte

Jede Insel hat eine Solaranlage, so dass es Strom gibt. Und jede Familie besitzt einen Fernseher. Der wurde vom damaligen Präsidenten Fujimori gespendet. Allerdings sind das bereits 15 Jahre seither und das sieht man den Geräten an, wie ich bei einem scheuen Blick in eine der Hütten sehe. Es ist eine Schlafhütte, es sind ganz viele Decken darin. Und die braucht man hier. Die Frauen laufen zwar barfuss herum, aber es wird langsam kühl.

Der Vogel hat grad den Fisch stibitzt, den man uns vorhin gezeigt hat.

Der Vogel hat grad den Fisch stibitzt, den man uns vorhin gezeigt hat.

Ich jedenfalls habe kalte Füsse, weil ich heute nur die Sandalen anhabe. Die Frauen scheint das allerdings gar nicht zu stören. Nachdem wir uns etwas umgesehen haben, laden sie uns ein, mit dem Binsenboot hinüber zur Nachbarinsel zu fahren. Das lassen wir uns natürlich gern gefallen und so sitzt die ganze Touri-Gruppe schon bald im Binsenboot, während unser Motorboot mit den Führern an uns vorbeizieht.

Unterwegs mit dem Binsenboot

Unterwegs mit dem Binsenboot

Auf der Nachbarinsel gibt es ein Restaurant, sogar mit einer Forellenzucht. Das ist einfach ein Loch im Inselboden und darin sind Gitter festgemacht, so dass die Forellen da bleiben. Ausserdem gibt es einen kleinen Laden, in dem die wichtigsten Dinge zu kaufen sind.

Restaurant im Binsendorf

Restaurant im Binsendorf

Unterdessen ist die Sonne untergegangen, es ist Zeit für uns, zurück zu fahren. Die Frauen verabschieden sich mit einem eigenartigen Singsang. Selbstverständlich ist das ganze für uns Touristen aufgezogen, und die Frauen versuchen, uns ihre Handarbeiten zu verkaufen. Aber die Menschen leben hier wirklich so und irgendwie empfinde ich dieses Leben irreal. So als ob ich bei Pfahlbauern zu Besuch wäre.

Später, als ich in meinem weichen Bett liege, bin ich froh, nicht auf Binsen in einer kalten Hütte einschlafen zu müssen.

Du bist hier : Startseite Amerika Peru Binsen
Die Reise
 
Worum geht's?:
Nicht Nichtstun steht im Mittelpunkt. Sondern etwas tun, wofür im normalen Alltag zu wenig Zeit bleibt. Meine beiden Leidenschaften Reisen und Schreiben möchte ich miteinander verbinden. Und wenn mich dabei jemand begleitet, umso schöner. Es sind vor allem Geschichten, die ich erzähle und erst in zweiter Linie Beschreibungen von Orten und Gebäuden. Ich möchte versuchen, Stimmungen herüberzubringen. Feelings, sentimientos. Wenn mir das manchmal gelingt, ist mein Ziel erreicht.
Details:
Aufbruch: 12.04.2008
Dauer: 4 Monate
Heimkehr: 03.08.2008
Reiseziele: Uruguay
Brasilien
Paraguay
Argentinien
Chile
Bolivien
Peru
Guatemala
Der Autor
 
Beatrice Feldbauer berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
Bild des Autors