TimeOut in Südamerika

Reisezeit: April - August 2008  |  von Beatrice Feldbauer

Woche 4 3.-9. Mai 2008: Frust

Ich habe das Fragesystem der Taxifahrer langsam im Griff. Schliesse heimlich Wetten mit mir ab und bin jedesmal überrascht, wenn es wieder funktioniert. Ich setze mich also hinten auf den Rücksitz und gebe mein Ziel an. Dann lehne ich mich entspannt zurück und gucke ein wenig aus dem Fenster. Spätestens wenn der Taxameter 5 Pesos anzeigt (3 ist die Grundtaxe) also spätestens bei 5 Pesos kommt die Frage: "de donde son?" Woher kommen sie? Ah, Suiza. Sind sie allein? Verheiratet? Wie heissen sie? Dann folgt ein kurzer Blick in den Rückspiegel und irgend ein Kompliment zum Aussehen oder über meine Spanischkenntnisse. Dabei wird beflissentlich übersehen, dass ich zweimal zurückfragen musste, weil ich mindestens eine der Fragen nicht auf Anhieb richtig verstanden hatte.

Bei kurzen Fahrten ist die Konversation damit beendet, denn oft ist die Fahrt bei 8 Pesos zu Ende. Wenn sie aber weiter dauert, kommt spätestens bei 10 eine Einladung zum Ausgehen und bei 12 hätte ich einen Privatchauffeur für den ganzen Tag. Was das alles beinhaltet, habe ich nicht so genau abgeklärt, aber bisher hätte jeder seine Arbeit sofort eingestellt, denn die Fahrt mit einer Frau würde wohl jeder Arbeit vorgezogen.

Der junge Typ heute morgen hatte allerdings eine ganz andere Taktik. Die Frage nach dem Woher kam planmässig bei 4.65 Pesos. Dann erzählte er von Europa, im speziellen Barcelona, wo er einmal ein paar Jahre gelebt hätte. Und dann konsultierte er den Stadtplan, um festzustellen, wo denn diese Plaza Dorrego eigentlich genau wäre. Ich habe es ihm gezeigt, denn er fand sie auf seinem Plan nicht. Mit einer ausholenden Handbewegung erklärte er mir, dass es nur noch eine ganz kurze Fahrt wäre - und guckte wieder auf die Karte. Er wäre selten in diesem Quartier unterwegs, San Telmo wäre der älteste Teil der Stadt. Nachdem er einmal mehr um eine Ecke gebogen war, erklärte er, dass es hier ganz besonders viele Antiquitätengeschäfte gäbe.

Ein weiterer Blick auf die Karte und ein verständnisvolles Nicken. "Wir sind gleich da, nur noch 4 Blöcke". Ich konnte unterdessen ein kleines Lächeln nicht mehr unterdrücken, während er erklärte, dass die Leute hier vor allem wegen dem Tango herkämen. Und jetzt noch die letzte Kurve, sie werden sehen, es lohnt sich hierher zu kommen.

Kirchtürme in San Telmo

Kirchtürme in San Telmo

Ja, er hat ihn letztendlich gefunden und wurde auch am Schluss nicht müde mir noch zu erklären, dass es hier verschiedene sehr interessante Museen und lohnenswerte Kirchen gäbe. Und dass seine Mutter hier irgendwo einen Essensstand hätte. Alles in allem blieb er knapp unter 10 Pesos, was zu verkraften war, wenn man einmal davon absieht, dass er bei 7 Pesos den Platz um eine Häuserzeile verpasst hatte.

Jedenfalls bin ich noch nie, nicht einmal zu Fuss, und meine Spaziergänge sind auch nicht immer über jeden Zweifel erhaben, so kompliziert nach San Telmo gekommen. Ich habe gesehen, dass ich nicht die einzige bin, die den Stadtplan manchmal an jeder Strassenecke wieder neu zücken muss, um mich zu vergewissern, dass ich wirklich in der richtigen Richtung unterwegs bin.

Kurslokal im 1. Stock

Kurslokal im 1. Stock

Letzte Tangostunde mit Inés und Fernando. Wiederholen und neue Schritte dazu lernen. Und immer wieder die Aufforderung, mich führen zu lassen. Und immer wenn ich glaube, dass ich es jetzt verstanden habe, bremst mich Fernando unerwartet ab - hält mich in der Balance - und es geht weiter. Faszinierend.

Als ich Mühe habe, mich richtig zu drehen, zeigen sie mir einen Trick: Etwas Puder auf ein Stück Zeitung und hineintreten, schon gleiten die Schuhe viel besser. Am meisten kämpfe ich allerdings damit, die Worte die ich mit dem Kopf knapp verstehe, auf die Füsse zu übertragen. Hier, wo es wichtig wäre, die Worte genau zu verstehen, merke ich wieder einmal mehr, wie anders dieses argentinische Spanisch ist, als das, das ich kenne. Dieses Doppel-L, das wie Sch ausgesprochen wird, Casche, statt calle, und auch das Y wird als Sch ausgesprochen. Scha , statt yo und ascher, statt ayer. Ich bin nach der Stunde nicht nur in den Füssen müde, sondern vor allem im Kopf von all dem intensiven Zuhören und Übersetzen.

Fernando und Inés

Fernando und Inés

Um den Füssen wieder auf die Beine zu helfen, oder so, zeigt mir Inés einen kleinen Schuhmacherladen ganz in der Nähe. Hier werden Stilettos noch von Hand gemacht und der alte Mann weiss ganz genau, welche Schuhe zu den Füssen passen...

Es ist Zeit zum Abschied nehmen. Es war eine sehr spezielle Erfahrung, Tango in San Telmo und ich werde die beiden in guter Erinnerung behalten. Zum Abschied stellen sie sich noch in Pose und auch wenn sie sich noch nicht für den Auftritt umgezogen haben, die Spannung knistert.

in Pose

in Pose

Ich habe seit ein paar Tagen versucht einen Flug in den Süden zu buchen. Im kleinen Reisebüro in der Nähe des Hotels. Immer wieder bin ich hingegangen, aber nie hatte ich wirklich etwas erreicht. Zuerst waren die Leute, die das mit dem Buchen verstehen, beim Mittagessen, dann gab es Probleme mit dem Netz und dann schlug mir die Angestellte vor, ich könne das ja auch selber machen, ich käme auf Internet-Seiten, die sie als Reisebüre nicht aufmachen könnten. Das fand ich allerdings ziemlich an den Haaren hergezogen, aber ich nahm den Tip an und versuchte mein Glück.

Bis Samstag sind die Flüge ausgebucht, aber am Samstag könnte es klappen. Ich buche also im Internet und bin schon ziemlich stolz, dass mir das auf Anhieb gelingt, als vor der Bestätigung die Meldung erscheint, diesen Flug könne man nicht per Internet buchen. Ja was nun? Ich beschliesse, direkt zur Aerolineas Argentinas zu gehen. Zu Fuss in die Calle Peru 2. Und da kommt die Ernüchterung: nächster Flug nach Ushuaya: am Freitag in einer Woche.

Das muss ich erst einmal verdauen. Buenos Aires ist ja absolut toll und bietet jede Menge Unterhaltung und Sehenswürdigkeiten, aber nochmal eine Woche! Unmöglich. Jetzt ist guter Rat teuer. Ich erkundige mich vorsichtshalber mal über die Fahrt mit dem Bus. 3500 km im Bus, das sind 3 Tage. Die Badeorte, die auf der Strecke liegen würden, sind jetzt im Herbst nicht mehr sehr attraktiv.

Ich bin völlig frustriert und brauche jetzt unbedingt eine gute Idee.

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Nicht Nichtstun steht im Mittelpunkt. Sondern etwas tun, wofür im normalen Alltag zu wenig Zeit bleibt. Meine beiden Leidenschaften Reisen und Schreiben möchte ich miteinander verbinden. Und wenn mich dabei jemand begleitet, umso schöner. Es sind vor allem Geschichten, die ich erzähle und erst in zweiter Linie Beschreibungen von Orten und Gebäuden. Ich möchte versuchen, Stimmungen herüberzubringen. Feelings, sentimientos. Wenn mir das manchmal gelingt, ist mein Ziel erreicht.
Details:
Aufbruch: 12.04.2008
Dauer: 4 Monate
Heimkehr: 03.08.2008
Reiseziele: Uruguay
Brasilien
Paraguay
Argentinien
Chile
Bolivien
Peru
Guatemala
Der Autor
 
Beatrice Feldbauer berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
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