TimeOut in Südamerika
Woche 6 17.- 23. Mai 2008: Pisco sour
Nachdem ich meinen Bericht gestern Abend online gestellt hatte, fand ich es an der Zeit, doch noch einen Drink an der Bar zu bestellen. Inzwischen waren auch noch ein paar andere Gäste eingetroffen und das junge Paar war mitsamt Laptop abgezogen. Ich bestellte also einen Pisco sour in der Meinung, dass es sich dabei um eine peruanische Spezialität handelte. "Nein", belehrte mich mein Nachbar, "das ist eine rein chilenische Spezialität". Es stellte sich heraus, dass er und seine zwei Begleiter selber Chilenen sind. "Es gibt aber auch argentinischen Pisco", meinte der Barkeeper und während die beiden sich gegenseitig die Vorzüge des einen und des anderen erklärten, wobei der Unterschied vor allem der Alkoholgehalt auszumachen schien, sah ich zu, wie er den Pisco sour zubereitete. Pisco ist eine Art Brandy, gebrannt aus Trauben. Er mischte also (35%igen argentinischen) Pisco mit Zucker, Zitronensaft, Eis und etwas Eiweiss und schüttelte die Mischung tüchtig im Becher.
Dann servierte er das ganze im eisgekühlten Champagnerglas mit Zuckerrand. Und es schmeckte sehr fein und samtig. Ich erzählte, dass ich etwas enttäuscht wäre, dass ich keine Wale sehen würde, aber der Barkeeper meinte, "es hat genug Wale in der Bucht, du wirst bestimmt welche sehen. Es lohnt sich zu jeder Zeit hierher zu kommen". Worauf der Chilene bemerkte, dass es sich schon darum gelohnt hätte, weil ich heute Chilenen hier getroffen hätte. Da musste ich ihm allerdings recht geben. "Zurzeit hat es noch nicht so Wale hier, dass sich Expeditionen in die Bucht lohnen, denn man weiss nie so genau, wo sich die Wale aufhalten. Ab Mitte Juni sind es Hunderte, so dass man mit Schiffen hinausfahren und sie jederzeit finden kann", erklärte der Barkeeper, der sich unterdessen mit Daniel vorgestellt hatte. "Komm morgen Abend wieder und erzähle mir, was du gesehen hast, du wirst sehen, es hat sich gelohnt, hierher zu kommen". Das versprach ich und als ich kurze Zeit später in mein Zimmer ging, fand ich einmal mehr, dass es gar nicht immer so wichtig ist was man gesehen hat, sondern vor allem wen man getroffen hat, denn der Abend an der Bar war wieder einmal sehr lustig gewesen.
Am Morgen nach dem Frühstück wurde ich von Guillermo abgeholt. Er kam mit einem blitzsauberen Toyota Landcruiser. Wir fuhren hinaus auf die Halbinsel Valdes, die unter Naturschutz, ja sogar unter Weltnaturschutz der Unesco steht. Er erzählte mir, dass alle Tiere, die hier lebten, wild seien, ausser den unzähligen Schafen. Auch diese lebten vollkommen wild und selbständig hier, aber sie würden vom Besitzer zweimal im Jahr zur Schafschur zusammengetrieben. Das sei eine ganz tolle Arbeit, die Gauschos würden zu Pferd und mit den Hunden die ganze Estancia nach Schafen absuchen und diese nach Hause treiben. Die grossen Estancien umfassen hier ohne weiteres bis zu 120'000 Hektaren und darauf lebten hier auf der Halbinsel vor allem Schafe. An anderen Orten auch Kühe oder Pferde. Besitzer dieser Estancien seien in der Regel sehr reiche Leute. Er zeigte mir einen kleinen Hangar, mit einer kurzen Graspiste auf der das Flugzeug starten und landen könne. Häuser hätte man in allen Teilen der Welt und meistens besitze ein solcher Farmer mehr als eine Estancia.
An der schmalsten Stelle der Halbinsel, da wo zwischen dem Golfo Nuevo an dem Puerto Madryn liegt und dem Golfo San Jose, wo vor allem Langusten gefischt werden nur noch 5 km Land liegen, kamen wir zur Informationsstelle und zum Eingang des Parks. Es gibt eine kleine Ausstellung über Fauna und Flora der Gegend und unter anderem ist das riesige Skelett eines Wales ausgestellt. Der Angestellte drückte mir ein paar Prospekte in die Hand: "für die einzige Touristin des heutigen Tages".
Die Sonne war unterdessen aufgegangen hinter spektakulär riesigen Wolkengebilden, die sich während des Tages immer wieder veränderten. Der Regen blieb aus, aber die riesigen Pfützen zeigten, dass es gestern stark geregnet hatte. Zum Teil war die Strasse eher eine Schlammpiste und Guille musste den 4x4 Antrieb immer öfters zuschalten. Ich war unterdessen froh, dass ich nicht einfach ein Auto gemietet und auf eigene Faust losgefahren war. Denn erstens ist es zu zweit interessanter und Guille konnte mich auf vieles aufmerksam machen und zweitens wusste er genau, wohin wir wollten.
Die Schlammpiste, die zum Teil nur mit 4x4 zu bewältigen war. Sieht auf den ersten Blick gar nicht so aus.
Bald trafen wir eine Herde Guanacos, die wilden Lamas, die ich schon in den Anden angetroffen hatte. Dann rannten immer öfters diese eigenartigen kurzohrigen Kaninchen vor uns davon. Sie sehen wirklich eigenwillig aus, haben einen Kopf wie ein Känguru, kurze Vorderbeine und lange Hinterbeine und sie sind gross. Fast so gross wie ein kleinerer Hund. Und sie haben kurze Ohren. Es sind patagonische Hasen. Leider gelang es mir nie, einen dieser Flüchtenden zu fotografieren und so muss jetzt mein Gedächtnis genügen. Die Foto, die ich hier aber trotzdem zeigen kann, stammt aus dem Zoo von Buenos Aires, wo mir dieses Tier bereits aufgefallen war, aber da sie überall frei herumliefen, hatte ich keine Ahnung, um was für eine Tierart es sich handeln würde.
die patagonischen Hasen im Zoo von Buenos Aires
(Lagidium Wolffsohni)
Wir kamen ganz an die Ostküste, wo Wind und Wetter eine geschützte dreissig Meter lange Bucht geformt hatten. Die Bucht bietet vielen Vogelkolonien Schutz und hier hat es zu anderen Jahreszeiten auch rieseige Pinguinbestände. Und vor der Küste tummeln sich vom September bis April die Orcas. Diese grosse Walart mit dem weissen Bauch und schwarzen Rücken. Ich konnte mir aber Mühe geben, soviel ich wollte, heute war keiner dieser Riesen da draussen. Dafür entdeckte ich bei einem Spaziergang Seeelefanten, die hier gemütlich ein Nickerchen machten. Ich war allein unterwegs, Guille hatte beim geschlossenen Restaurant und Aussichtspunkt jemanden getroffen und wartete da auf mich.
Die Wege, auf denen man gehen darf, waren markiert und Zäune definierten das Ende des Touristenkorridors. Aber Zäune sind zum übersteigen gemacht und ausserdem war ich heute die einzige Touristin im Gelände. Ein Blick zurück zum Restaurant, nein, man konnte mich von da nicht sehen und schon war ich über den Zaun gestiegen und kletterte die Böschung hinunter. Vorsichtig näherte ich mich den lagernden Seeelefantinnen. Dass es sich um die Weibchen handelte, hatte mir Guille bereits erklärt. Sie lagen kreuz und quer und schauten mich mit ihren Kugelaugen neugierig an. Als sich allerdings Unruhe breit machte und die ersten bereits Richtung Meer hupften, fand ich, dass ich genug gestört hätte. Ich weiss übrigens nicht, wie man diese Art der Fortbewegung nennen soll. Sie zogen und schoben sich auf ihren kurzen Flossen vorwärts und es ergab eine eigenartig schwankende Form des Hüpfens.
See-Elefantinnen
Ich zog mich also wieder zurück und setzte mich noch eine Weile auf den Zaun. Hoffend, dass aus irgend einem Erdloch vielleicht doch noch ein Hase herausgucken könnte. Oder ein Gürteltier, von denen es hier ebenfalls sehr viele gibt. Doch wegen einer einzelnen Touristin liess sich niemand blicken und ich genoss daher einfach die frische Meerluft, mit der sich meine Lungen voll laufen liessen. Später fuhren wir nach Puerto Pirámides, dem einzigen Ort, an dem hier auf der Halbinsel Menschen leben. Es ist ein sehr kleiner autonomer Ort, der alles hat. Ein paar Restaurants, ein paar einfache Unterkünfte, ein kleines Hotel, einen grossen Campingplaty, eine Schule, sogar eine Feuerwehrstation und einen Polizeiposten. Und einen sehr schönen flachen Sandstrand, wo sich im Sommer die Touristen tummelten. Hier ist der Ausgangspunkt fürs Wal-Watching. Lady Di und Michael Schumacher waren schon hier, um nur die prominentesten aufzuzählen. Die beste Zeit, um hierher zu kommen, wenn fast alle Tiere hier sind, ist September bis März. Aber auch Mitte Juni kann man die Wale hier wieder bei der Paarung beobachten. Im Moment kommen sie zurück aus südlicheren Gewässern, während die Pinguine zurzeit mehr im Norden sind. Bis hinauf nach Brasilien gehen diese im Sommer.
Wir kehrten in einem, der wenigen Restaurants, die offen waren, ein und bestellten ein Steak. Und wir bekamen ein herrliches Stück Fleisch mit Papas Fritas und Salat. Es war Zeit, ein wenig über uns selber zu erzählen. Wir kamen auf Tierkreiszeichen zu sprechen und jeder meinte, sein Zeichen sei das Beste überhaupt, bis wir merkten, dass wir beide Krebs sind. Und ausserdem den gleichen Jahrgang haben. Gerade mal zwei Tage trennen uns. Das fanden wir beide sehr witzig und wir entdeckten auch einige Gemeinsamkeiten. Auch er reist sehr gerne und hat schon fast alle Gegenden Argentiniens besucht. Vor allem gefällt ihm Bariloche, wo er jedes Jahr zum Skifahren hinfährt. Er könne sich auch vorstellen, da zu wohnen, müsste sich dann aber an den langen Winter mit Schnee gewöhnen. Er stammt aus der Nähe von Buenos Aires und hat am Anfang hier das Grün vermisst, denn die meiste Zeit des Jahres ist die Gegend hier ziemlich braun. Vor ein paar Wochen hat er sich ein Campo, ein kleines Grundstück gekauft und er will da in ein paar Monaten anfangen, ein neues Haus zu bauen. Im Moment freut er sich darauf, mit dem Planen anzufangen. Und ausserdem ist er fasziniert von der Vorstellung, Bäume anzupflanzen und sich selber ein kleines grünes Paradies zu erschaffen. Guille ist glücklich verheiratet und hat drei erwachsene Töchter.
Guille mit seinem nicht mehr so sauberen Toyota
Unterdessen hatte das Wetter aufgeklart, die Wolken hatten etwas nachgelassen, aber dafür blies der Wind umso stärker. Das Meer war ziemlich aufgewühlt. Guille wollte mir noch eine Kolonie Seelöwen zeigen und so fuhren wir an eine Steilküste. Auf dem kurzen Spaziergang über die Treppe war ich um jedes meiner Kilos froh, denn etwas weniger und ich hätte mich am Geländer festhalten müssen, um nicht über die Kante hinunter gefegt zu werden.
Ich konnte kaum meine Kamera gerade halten. Aber da unten, direkt unter der Kante lagen sie. In ganzen Rudeln schliefen sie und liessen sich von dem aufgewühlten Wasser und den peitschenden Wellen überhaupt nicht aus der Ruhe bringen. Es war ein krönender Abschluss, dieser letzte Blick aufs Meer und seine eigentümlichen Bewohner.
Eine Kolonie Seelöwen
Danach fuhren wir die 100 km zurück nach Puerto Madryn, wo ich mir eigentlich vorgenommen hatte, noch ein wenig auf der Hafenmauer zu sitzen und zu sehen, ob ich nicht doch noch den Schwanz eines Wales entdecken würde. Als wir ankamen, war ich aber so müde von den vielen neuen Eindrücken, vom Wind und der Natur, dass ich mich zuerst einmal hinlegen musste und alles ein wenig überarbeiten. Ich weiss, dass Wale hier sind, ob ich nun einen gesehen habe oder nicht, ob ich einen mit der Kamera einfangen konnte, macht eigentlich keinen grossen Unterschied mehr. Jedenfalls sind die Gegend und die Natur hier gewaltig und der Tag hat mir einen nachhaltigen Eindruck gemacht.
Morgen werde ich übrigens weiter reisen. Zurück in den Westen. El Calafate ist das Ziel, aber ich habe erst ein Ticket bis Rio Gallegos erhalten. Vielleicht werde ich mir da nach der 18 stündigen Fahrt ein Hotel nehmen, bevor ich den Rest der Reise unter die Räder nehme. Sehr wahrscheinlich wird es keine Möglichkeit für einen Reisebericht geben, denn wenn alles gut geht, werde ich am Mittag losfahren. Ob der Bus fährt, hängt vom Wetter ab. Falls es im Süden Schnee geben sollte, muss die Fahrt eventuell verschoben werden.
Aufbruch: | 12.04.2008 |
Dauer: | 4 Monate |
Heimkehr: | 03.08.2008 |
Brasilien
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Guatemala