TimeOut in Südamerika
Woche 1 12.-18. April 2008: im Paradies
Heute habe ich meinen Campari bekommen. Zum Apero vor dem Mittagessen. Und Stefan Eicher ist noch ein paar Minuten dageblieben 'Ich nime no'n Campari-Soda....' und dann ist er abgehauen. Ist doch immer wieder so, sobald man das hat, was man möchte, verliert es an Bedeutung.
Macht nichts, heute war mir eh Howard Carpendale mit 'Deine Spuren im Sand...' näher. Das heisst, eigentlich waren es ja meine Spuren im Sand. Ich habe heute Morgen nach dem Frühstück einen langen Strandspaziergang gemacht. Immer knapp der Wasserkante entlang. Auf dem Rückweg bin ich meinen Spuren gefolgt. Und die waren teilweise schon wieder weg. '.... hat die Flut mitgenommen. ' Ich bin im Paradies gelandet. Also bevor Adam... oder war es doch Eva? Jedenfalls solange die beiden noch da wohnten.
Hans hat mich gestern am Flughafen abgeholt und nach einer kurzen Fahrt über die gut ausgebaute Autobahn sind wir im Pueblo Suizo angekommen. Das Pueblo Suizo ist sein Werk. Vor gut 10 Jahren sind Hans und Hulda nach Uruguay ausgewandert. Sie haben die Garage in Chur ihrem Sohn übergeben und sind hierher gezogen. 'Eigentlich wollten wir hier nur ein Haus bauen und jeweils ein halbes Jahr hier und die andere Hälfte in der Schweiz wohnen' meint er. Und damit es ihnen nicht zu langweilig werde, hat er zum eigenen einen zweiten Bungalow gebaut, und einen dritten und heute stehen 10 Bungalows auf dem Grundstück. Schön locker und frei verteilt auf 10'000 m2. Sie wurden vermietet und weil das so gut lief, musste ein Restaurant her. Da traf es sich gut, dass die Tochter Irene mit Jürgen, einem begnadeten Koch verheiratet war. Heute ist das Restaurant von Pueblo Suizo ein Begriff und es sind nicht wenige Gäste, die aus der nahen Hauptstadt Montevideo hierher kommen, um ein Fondue oder eine Rösti zu geniessen. Aber Jürgen kann nicht nur die einfache Schweizer Küche. Sein Ensalada pueblo suizo, den er mir gestern kredenzt hat, war einzigartig und den Fischteller von heute Mittag müsste ich in der Schweiz weit suchen.
Dass er ein Gastgeber mit Leib und Seele ist, hab ich begriffen, als er mir vorhin noch schnell einen Teller mit ein paar Häppchen zubereitete. Eigentlich wollte er gerade schliessen, weil jetzt in der Nebensaison am Abend nichts mehr los ist, aber ich schien einen hungrigen Eindruck zu machen. Also offerierte er mir, eine Kleinigkeit zu machen, die ich in den Bungalow mitnehmen und beim Schreiben so nebenbei geniessen könne. Und so sitze ich jetzt hier, geniesse Rohschinken, Lachs und Mozarella-Häppchen und versuche, den heutigen Tag zusammenzufassen. Viel ist nicht passiert. Ich habe mir Nichtstun verschrieben. Nichtstun. Musste zuerst einmal überlegen, was das eigentlich einschliesst, resp. ausschliesst. Nach dem langen Spaziergang am Meer legte ich mich in den Liegestuhl und begann ein neues Buch zu lesen. Irgendwann müssen mir die Augen zugefallen sein, jedenfalls erwachte ich, als die Sonne sich wieder einmal hinter den Wolken versteckte und es kühler wurde.
Es wird Herbst hier in Uruguay. Ich bin auf der südlichen Halbkugel. Und zwar ziemlich tief im Süden. Hab mal auf Google Earth nachgesehen. Auf der gleichen Höhe wie Montevideo liegt Kapstadt. Ein leises Frösteln überkam mich und ich musste mich entscheiden, eine Jacke anzuziehen oder mich in ein wärmeres Gebäude zurückzuziehen. Ich entschied mich für das zweite und ging ins Hallenbad. Wunderbare 32 Grad Wassertemperatur empfingen mich. Ich zog ein paar Runden im Pool und legte mich danach in den noch wärmeren Jacuzzi. Hier liess ich mich verwöhnen, bis die ganze Haut prickelte.
Habs doch gesagt, ich bin im Paradies gelandet. Danach gönnte ich mir noch einen kurzen Schönheitsschlaf und schlenderte gegen acht ins Restaurant. Wo ich dann eben der letzte Gast war. Das liess mich Jürgen aber keinesfalls spüren, nein, er verzog sich gleich in die Küche und zauberte den Teller voll, der inzwischen leer neben mir steht.
Heute habe ich übrigens das Taschenmesser, das ich von Papi am letzten Freitag bekommen habe, eingesetzt. Ich musste mir den Gürtel enger schnallen. Nein, es geht mir wunderbar, hab das ja eben beschrieben. Aber der Gurt, den ich extra für das Notvorrat-Geld gekauft hatte, war ziemlich viel zu lang. Ich fing bereits an, mir zu überlegen, wie ich ihn kürzen könnte, als mir das Sackmesser in den Sinn kam. Damit ging es ruckzuck. Hätte allerdings nichts dagegen, ihn später noch etwas mehr zu kürzen. Bin überzeugt, dass ich nicht die ganze Zeit in so exklusiven Restaurants essen werde.
Morgen fahre ich mit Hulda und Hans nach Montevideo. Bin gespannt auf diese Hauptstadt mit dem klangvollen Namen. Inzwischen ist mein Glas leer geworden. Viño blanco de la casa 'Pueblo Suizo'. Werde mich also hinlegen und noch etwas über das Nichtstun nachdenken.
Für alle, die den Campari-Song nicht kennen, hier ist der Text, den ich aus dem Internet ergoogelt habe. Dass es der Werbesong der Swiss ist, hab ich dabei gleich auch noch erfahren.
Campari Soda
Ich nime no'n Campari Soda
wiit under mir liit s'Wolchemeer
de Ventilator summet liislig
es isch als gäb's mich nüme meh
Ich gsehn durchs Feischter zwei Turbine
S Flugzüg wankt liecht i de Luft
Durchs Mikrophon seit der Co-Pilot
Links gsänd si Rom im Oberot
Ich nime no'n Campari Soda
wiit under eus liit s'Näbelmeer
de Ventilator summet liislig
es isch als gäb's mich nüme meh
Interpret: Stefan Eicher
Text: Dominique Grandjean
Aufbruch: | 12.04.2008 |
Dauer: | 4 Monate |
Heimkehr: | 03.08.2008 |
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