TimeOut in Südamerika
Woche 7 24.-30. Mai 2008: Eis
Also gut, ich hab's verstanden. Aufgrund von Gästebucheinträgen und normalen Mails habe ich verstanden, dass ihr auch über die ganz normalen langweiligen Tage informiert sein wollt. Das freut mich natürlich. Und selbstverständlich ist es jedem selber überlassen, auch mal was auszulassen oder quer zu lesen.
Heute allerdings war kein langweiliger Tag. Im Gegenteil. El Calafate gehörte von Anfang an zu meinen wichtigsten Zielen und ich wusste, dass sich jede Strapaze für dieses Ziel lohnen würde.
Ich hatte also gestern Abend einen Ausflug in den Parque national Los glaciares, den Nationalpark der Gletscher gebucht. Zwischen sieben und halb acht heute morgen sollte ich abgeholt werden. Dummerweise hat mein Natel in der Nacht seinen Geist aufgegeben. Ich war gestern Abend einfach zu müde, um in meinem Zimmer noch eine Steckdose zu suchen. Und so kam am morgen auch kein Alarm. Aber wie immer, wenn etwas ganz wichtig ist, erwacht man zur rechten Zeit, oder fast zur rechten Zeit. Zehn vor sieben zeigte meine Uhr, als ich aufwachte. Ich hatte wunderbar geschlafen und war dafür auch einigermassen ausgeschlafen. Duschen wurde aufgeschoben, ich zog mich warm an, inklusive Socken (interne Information für meine Schwester Elsbeth) und dicker Pullover. Zum Glück hatte ich die Sachen am Abend noch herausgelegt. Tasche mit Fotoapparat und Ersatzbatterien ist immer griffbereit und es reichte sogar noch für eine heisse Schokolade vom Frühstücksbuffet bis mich der Bus um zehn nach sieben abholte.
zufälliger Schnappschuss aus dem Fenster - mit Internet-Adresse
www.catamaranesunidelta.com.ar
Dunkel war es und nachdem alle Gäste eingesammelt waren, fuhren wir eine Stunde zum Hafen Puerte Bandera. Hier bestiegen wir einen grossen Katamaran und noch in der Dunkelheit begann die Fahrt. Erst gegen neun zeigten sich die ersten hellen Streifen am Horizont und kurz darauf entdeckte ich etwas im Wasser. Blau schimmernd und ziemlich klein. Ein paar Minuten später schwamm etwas viel grösseres im Wasser. Das war - ja das war die Oper von Sydney. Hatte jedenfalls eine ganz ähnliche Form und wurde gerade von den ersten hellen Strahlen beschienen.
Eisberge, gross wie Häuser schwammen da im Wasser. Unwirklich, irreal, und es wurden immer mehr. Wir näherten uns dem ersten Gletscher. Glaciar Spegazzini. Zwischen zwei Felswänden schien es, dass der Gletscher hier kopfüber in den See purzeln würde. Unfassbar, unerklärlich.
Ich war schon mehrmals im Rhonegletscher, hab den Aletschgletscher gesehen und auch sonst ein paar Gletscher, aber was da vor mir stand, war ganz einfach unbeschreiblich. Ganz langsam fuhr jetzt der Katamaran an der Eiswand vorbei und alle füllten ihre Fotoapparate. Ich muss immer wieder schmunzeln, wie jeder Hobbyfotograf glaubt, die einzigen, die besten Bilder von Sujets zu schiessen, die schon tausendfach besser geknipst wurden. Und selbstverständlich bin ich dabei immer in der ersten Reihe. Konnte heute meine Kamera fast gar nicht mehr aus den Händen lassen. Da schwimmen dir die Sujets vor der Kamera herum. Und sie sind einzigartig, denn morgen wird es nicht mehr so aussehen, und gestern war es ebenfalls ganz anders.
Wir waren auf dem Lago Argentino. Das ist einer der grössten Seen des Landes und mindestens so kompliziert wie der Vierwaldstättersee. Und jeder seiner Arme wird gespiesen von einem Gletscher. Die Spitzen der Berge blieben heute weitgehend im Nebel, denn die Sonne wollte sich nicht richtig zeigen, sondern tauchte alles in ein zwar helles aber nicht blendendes Licht. Ganz langsam glitten wir vorbei an Eisbergen in leuchtendem Blau. Woher wohl die Farbe kommt? Vom Himmel jedenfalls nicht, der war nach wie vor eher weiss, denn blau und fast komplett von Wolken bedeckt.
Aus dem Lautsprecher erklärte die Stimme etwas vom Druck, der sich in den tausenden von Jahren im Gletscher aufgebaut hatte. Jeder Eisberg schien noch blauer zu sein und noch mehr von innen zu leuchten. Ich hatte kaum Zeit, mich im Schiff wieder etwas aufzuwärmen, musste gleich wieder raus, weil da draussen ein noch schönerer, noch eindrücklicherer Berg vorbeischwamm. Kalt war es allerdings. Einmal berührte ich, als ich hereinkam, eine Stange, an der eine Information hing. Oh, die ist ja geheizt, freute ich mich und wärmte meine klammen Finger daran auf. Später merkte ich, dass die überhaupt nicht geheizt war, sondern nur soviel wärmer, als meine Hände es gerade zu diesem Zeitpunkt gewesen waren. Das nennt man wohl Relativitätstheorie.
Wir passierten den Glaciar Seco, der noch immer hoch oben am Berg hing und noch nicht bis in den See reichte und kamen in den nächsten Seearm. Vorbei an einem Panorama, das einfach unbeschreiblich war. Hohe Schneeberge, reichten bis ins Wasser. Langsam, näherten wir uns dem nächsten Gletscher, dem Glaciar Upsala. Dieser ist viel breiter, als der Spegazzini der zwischen den beiden Felswänden kaum Platz fand, sich ins Wasser zu ergiessen. Wie eine breite Mauer aus Eis stand der Upsala da und zeigte uns seine kalte Schulter. Und wie er schimmerte, dicke Spalten zogen sich durch den ganzen riesigen Eisblock.
Und auch aus diesem Seearm kamen wir wieder zurück in den Seetrichter, um gleich in den nächsten, den kürzesten Arm einzuschwenken. Ich kam mir vor wie in einem riesigen Cocktail, in dem ich mit den Eiswürfeln um die Wette schwamm. Ich meine per Katamaran, sonst wär das wohl nicht lange gut gegangen. Einmal kurz schütteln bitte.
Hier im kürzesten Arm gab es einen Halt und wir konnten aussteigen. Ein kurzer Spaziergang durch einen Wunderwald. So kam er mir jedenfalls vor mit seinen alten Bäumen deren kahle Ästen von grünen Flechten überwachsen waren.
Und dann standen wir am nächsten See, etwa 100 Meter höher. Weiter hinten schimmerte blau der Glaciar Agassiz. Wie der zu einem eigenen Gletscher kam, weiss ich nicht. Davor schwammen die Eiswürfel und gerade jetzt fand die Sonne einen kleinen Spalt für ein paar schwache Strahlen. Unwirklich, irreal, einfach unfassbar. Das sind die Worte, die mir immer wieder durch den Kopf gingen. Und auch andere Besucher bestätigten meinen Eindruck. Estupendo, increibile, un exito, inolvidable.
Wir wussten alle, wie es hier aussehen würde, aber es in Wirklichkeit zu sehen ist ein so grosser Unterschied, dass dieser Tag wohl für die meisten unvergesslich bleiben würde.
(Kleine interne Information: ich habe heute 240 Fotos geschossen, und ich habe keine Ahnung, welche ich für meinen Bericht auswählen soll stupido.)
Zurück fuhren wir mit Vollgas zum Hafen dort bestiegen wir unseren Bus, der uns zurück zu den Hotels bringen sollte. Bevor wir losfuhren, machte uns der Reiseleiter auf vier riesige Vögel aufmerksam, die tief über dem Land kreisten. "Condore, sie werden ein verendendes Tier entdeckt haben, Condore sind Aasfresser."
Wir waren gerade mal 10 Minuten unterwegs, als wir wieder einmal in einen Schneesturm gerieten. Quer fegte der Schnee über die Strasse und die Scheibenwischer hatten alle Mühe, den Schnee von der Frontscheibe zu schaffen. Dass der Chauffeur ausserdem auch noch Mühe hatte, die Scheibe vor dem Anlaufen zu schützen, gab mir etwas zu denken, aber letztendlich war es ja nicht mein Bus und ich so hoffte ich, dass wir den Weg zurück nach El Calafate finden würden.
Jetzt sitze ich im Hotel, habe meinen Laptop vor dem Kamin aufgebaut und versuche, diesen unvergesslich eindrücklichen Tag in Worte zu fassen. Nachher werde ich mir im schönen Restaurant ein feines Nachtessen leisten. Und morgen werde ich nichts tun. Einfach gar nichts.
Mal sehen, ob das klappt.
Aufbruch: | 12.04.2008 |
Dauer: | 4 Monate |
Heimkehr: | 03.08.2008 |
Brasilien
Paraguay
Argentinien
Chile
Bolivien
Peru
Guatemala