TimeOut in Südamerika

Reisezeit: April - August 2008  |  von Beatrice Feldbauer

Woche 3 26. April.-2. Mai 2008: Frika

Die Dusche war ganz schön sauer. Hatte die ganze Nacht im Essig gelegen. Aber dafür war sie jetzt eine richtige Dusche, die genau da spritzte, wo ich es haben wollte. Ein wenig Unterstützung brauchte es noch von einer Nadel aus meinem Nähetui, aber jetzt ist sie perfekt. Eigentlich wollten wir heute an den Ypacarai-See reiten, aber es war am morgen bereits so heiss und die Strecke ist ziemlich weit und ohne Schatten, dass wir es sein liessen. Aber wir machten unseren üblichen 2-stündigen Ausritt.

Am Nachmittag war Fiesta angesagt. Stella besorgte Fleisch und Brot und machte einen Salat. Simon heizte den Grill ein und schon bald brutzelte das Fleisch und die Würste über der heissen Kohle. Wir feierten die Aufrichte des neuen Pferdestalls. Nach dem Essen holte Hugo eine Gitarre und dann passierte etwas Eigenartiges. Bernardo, der einfache Landarbeiter verwandelte sich in Bernardo den Sänger.

Es war schier unglaublich, mit wie viel Emotionen Bernardo die wunderschönen Melodien seines Landes sang. Voller Inbrunst sang er von Liebe und Leidenschaft, von Herz und unerfüllter Liebe. Er hat eine wirklich gute Stimme und spielt wunderbar Gitarre. Und er versprühte einen Charme, den ich nie bei ihm vermutet hatte. Seine Augen funkelten und er wusste genau um seine Wirkung. Ja, er hatte früher mit Alberto de Lucqua, dem Gründer von 'Los Paraguayos' gespielt, als dieser noch in Paraguay lebte. Und er sang nur für uns. Ich hätte ihm noch lange zugehört.

Aber leider rief irgendwann die Pflicht wieder. Die Kühe mussten gemolken, die Pferde versorgt werden. Und Bernardo wurde wieder der Arbeiter, der den Zaun flickte. Dieser Nachmittag wird mit immer in bester Erinnerung bleiben.

Hoppla, da will jemand etwas sagen. Ich sitze vor meinem Bungalow mit dem Laptop. Weiss nicht, ob das jetzt gut kommt, wenn ich diese grossen Hufe ansehe. Der Laptop würde mich reuen. Aber ich glaube, ich habe da keine Chance gegen 500 kg Lebendgewicht. Werde also meinen Platz besser räumen.

Hola

Soy Frika. Ich bin Frika und ich lebe seit vielen Jahren auf dem Hof von Stella. Stella wohnt allerdings noch nicht so lange hier, aber sie ist unser Boss. Wir haben sofort gemerkt, dass der Wind gedreht hat, als Stella hier einzog. Seither darf ich fast jeden Tag ausreiten. Manchmal reitet sie mit Lady, meiner Freundin und manchmal mit mir. Mir macht das Spass, vor allem wenn wir im Galopp durch die Büsche preschen. Manchmal haben wir Gäste. Das kann auch ganz schön lustig sein. Oder anstrengend. Vor allem wenn Leute kommen, die glauben, dass sie in einer Woche perfekt reiten lernen.

Diese Woche ist wieder jemand hier. Beatrice. Ziemlich schwierig diese Frau. Entweder weiss sie nicht, was sie will, oder sie bringt es nicht rüber. Sie rudert mit den Beinen, klemmt und drückt und zieht mit den Zügeln genau in die andere Richtung. Erschwerend kommt dazu, dass mich Stella auch noch an der Leine führt, wenn wir ausreiten. Aber ich weiss ja, wer der Boss ist, da kann Beatrice noch so zappeln, ich gehorche Stella.

Hat zwar ziemlich gebessert in den letzten Tagen. Beatrice und ich ziehen jetzt meistens in die gleiche Richtung. Allerdings immer in diesem langsamen Schritt. Viel lieber würde ich galoppieren. Lady und ich haben unsere Galoppstrecken unterwegs, und wenn wir da nur im Schritt laufen sollen, finden wir das beide todlangweilig. Am ersten Tag haben wir uns glatt geweigert, da rüber zu gehen und wollten gleich wieder umkehren. Stella hat es aber gemerkt und uns wieder in die andere Richtung gezwungen. Und wir drehten uns gleich wieder um. So haben wir eine Weile Karussell gespielt. Hatte immerhin die Wirkung, dass wir am Schluss die Strecke traben durften. Das ist zwar ziemlich anstrengend, denn es entspricht einfach nicht unserem Temperament. Vor allem Lady hat da ein wenig Schwierigkeiten. Sie ist früher richtige Rennen gelaufen. Mit Starthäuschen und Jockey. Stella weiss das und galoppiert mit ihr jeweils noch kurz auf unserem Grundstück, während ich von Hugo bereits geduscht werde.

Ja und dabei hat sie doch dieser Tage glatt eine Kuh umgerannt. Die wollte einfach nicht aus dem Weg gehen, blieb stehen und Lady preschte neben ihr vorbei. Weil Stella sie mit ihrer Stiefelspitze gestreift hat, ist sie so erschrocken, dass sie sich gleich hingelegt hat und vor Schreck eine ganze Weile liegen geblieben ist. Da hättet ihr das Donnerwetter hören sollen, das über Stella niederging. Simon sagte ihr seine Meinung über unkontrolliertes Galoppieren. Dabei galoppiert er genau so gern. Meistens mit El Presidente, unserem Hengst. Nie würde sich Simon auf eine von uns Stuten setzen. Er ist eben ein Mann. Nun, das Gewitter hat sich dann wieder gelegt. Stella hat eine Zeitlang zugehört und dann hat sie erklärt, wer hier eigentlich Boss sei. Ja, und die Kuh ist dann auch wieder aufgestanden. Ganz freiwillig.

Seit kurzem haben wir übrigens einen neuen Stall. Mit grossen Boxen. Das ist wunderbar. Die Männer haben fast zwei Wochen gearbeitet und aus dem Unterstand für die Kühe einen richtigen Pferdestall gebaut. Tagsüber schlafen zwar die Hunde darin, aber am Abend dürfen wir hinein.

Am Morgen werden wir von Hugo gesattelt und warten dann im Schatten des grossen Baumes bis die zwei Damen erscheinen. Das ist vielleicht eine Sache, bis die beiden in den Sätteln sitzen. Gestern bin ich mit Beatrice schnurstracks zum Baum gelaufen, wollte sie da an einem Ast abstreifen. Stella hat das aber sofort gemerkt, und mich zurückgehalten. Fast hätte es geklappt, aber Stella kennt mich halt zu gut. Also sind wir dann doch losgeritten. Eigentlich gefällt mir das ja wirklich gut. Ausreiten, galoppieren, ja, eben, wenn man das könnte. Aber Beatrice hopst auf mir herum, wenn wir nur schon ein wenig traben. Sie wird dann ganz still, nichts mehr vom Geplapper, das die beiden Frauen die ganze Zeit miteinander haben, nein, sie konzentriert sich ganz auf mich, klammert sich an den Sattel und entspannt sich erst wieder, wenn wir langsamer werden. Manchmal murre ich ein wenig, wenn sie immer so langsam laufen will, dass ich fast einschlafen könnte. Aber eines muss ich ihr zugute halten, die Stimmung ist immer sehr gut, wenn wir zusammen ausreiten. Stella und Beatrice lachen viel zusammen, plaudern in dieser fremdem Sprache und ich spüre, dass beide diese Stunden geniessen. Eigentlich wird überhaupt viel gelacht und geneckt auf unserer Granja. Und wir Pferde führen ein fast freies Leben. Wenn nur nicht immer diese Anfänger wären...

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Nicht Nichtstun steht im Mittelpunkt. Sondern etwas tun, wofür im normalen Alltag zu wenig Zeit bleibt. Meine beiden Leidenschaften Reisen und Schreiben möchte ich miteinander verbinden. Und wenn mich dabei jemand begleitet, umso schöner. Es sind vor allem Geschichten, die ich erzähle und erst in zweiter Linie Beschreibungen von Orten und Gebäuden. Ich möchte versuchen, Stimmungen herüberzubringen. Feelings, sentimientos. Wenn mir das manchmal gelingt, ist mein Ziel erreicht.
Details:
Aufbruch: 12.04.2008
Dauer: 4 Monate
Heimkehr: 03.08.2008
Reiseziele: Uruguay
Brasilien
Paraguay
Argentinien
Chile
Bolivien
Peru
Guatemala
Der Autor
 
Beatrice Feldbauer berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
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