TimeOut in Südamerika
Woche 7 24.-30. Mai 2008: Nachtexpress
Wenn ich schon ein eigenes Apartment habe, dann will ich das auch ausnutzen, dachte ich am Morgen und schlief so richtig aus. Beantwortete die ersten Mails im Bett. Hätten übrigens ohne weiteres mehr sein können, wo ich schon mal so richtig Zeit hatte. Ich schaltete Radio DRS1 ein und das allererste was ich hörte war eine Staumeldung von der Autobahn. Kam mir völlig fremd vor. Hier gibt es weder Autobahnen noch Staus. Dann kamen noch Nachrichten von Bauern, die Probleme mit dem Milchpreis haben. Das hingegen gibt es auch hier. Immer noch gibt es Proteste in Buenos Aires weil die Bauern nicht genug Geld für ihre Produkte erhalten.
Gegen Mittag machte ich mir einen Tee und guckte, was mir Diego fürs Frühstück in den Kühlschrank gelegt hatte. Richtig typisches argentinisches Frühstück mit Zwieback, Butter, Konfitüre, einem Schokokeks und einem Teebeutel sowie einem Kaffee und Milchpulver. Wunderbar, ich liess mir alles schmecken und stimmte mich langsam auf den neuen Tag ein.
Dann setzte ich mich hin und machte einen Einkaufszettel. Yoghurt, Eier, Tomaten, Käse, Brot, Wein, Spaghetti, Zahnpasta. Die Basics halt.
Ich spazierte hinunter zum Meer. Ushuaia, die südlichste Stadt der Welt. Sie liegt am Fuss von verschneiten Bergen in einer Bucht. Davor liegt eine grosse Insel, so dass man das offene Meer nicht direkt sehen kann. In der Bucht lagen die Segeljachten und Motorboote.
Da war eine Bewegung im Wasser. Was war das? Da war es schon wieder, eine Flosse, ein schwarzer Schwanz. Da draussen war was. Kein Wal, dafür war es zu klein, und wohl auch zu nahe dem Ufer. Ein Delphin? So elegant, wie die Bewegungen waren. Nein, am Schwanz habe ich ihn erkannt, ein Seelöwe. Nein zwei, vielleicht mehr. Sie spielten da draussen, überschlugen sich, Salto vorwärts und rückwärts, Winken mit den Flossen und mit dem Kopf über Wasser ein wenig umhergucken.
Ich konnte es fast nicht glauben. So elegant. Und gerade noch hatte ich die See-Elefanten gesehen, wie sie sich mühsam am Ufer fortbewegten. Wie sie davon robbten. Und jetzt das. Mindestens so elegant wie Delphine. Und genau so verspielt. Ich versuchte, ein paar Aufnahmen zu machen. War gar nicht so einfach, denn natürlich weiss man nie genau, wann der nächste Sprung kommt. Aber die beiden hatten offensichtlich Spass da draussen und überschlugen sich ein über das andere mal.
Ich spazierte weiter, Richtung Flugplatz, der hier ganz nahe am Meer ist und von dem im Reiseführer stand, dass man beim Anflug keine Flugangst haben sollte. Konnte ich mir vorstellen, bei den ziemlich engen Verhältnissen hier. Allerdings ging ich nicht bis zum Flugplatz, sondern nur bis zum Marinestützpunkt. Vorbei am Segelhafen, wo die Drähte an die Masten schlugen. Ein Meerhafen vor der Kulisse von Schneebergen. Ja, das war es, was so speziell ist hier in Ushuaia. Ich versuchte mich zu erinnern, ob ich sowas schon mal gesehen hätte. Nein, Meerhäfen, die ich bisher gesehen hatte, waren immer an warmen Orten oder vor dem flachen Land wie an der Nordseeküste von Deutschland und der Normandie. Es roch nach Fisch und Algen, nach Meer. Und der Wind brachte wieder den Duft der Weite. Auf einem Pfosten hockte eine grosse Seemöve, bis sie mich entdeckte, da war sie ganz schnell weg.
Darum schlich ich mich bei den nächsten Vögeln vorsichtiger an. Wahrscheinlich waren es Gänse. Bewacht von drei sehr aufmerksamen Gänserichen spazierte das Harem über die Wiese und suchte ein paar Leckerbissen.
Ich spazierte zurück zur Stadt, beobachtet vom ganzen Panorama von hohen schneebedeckten Bergen. Ich kam an einer grossen Tankstelle vorbei. Und weil ich dieser Tage in einem Mail gelesen hatte, dass der Benzinpreis in der Schweiz zur Zeit bei zwei Franken angelangt ist, erkundigte ich mich beim Tankwart, ob ich den Preis, der da draussen angeschrieben stand, auch wirklich richtig interpretiert hätte. Ja, hatte ich, 1.833 Pesos für den Liter Super Benzin. Das sind gerade mal 60 Rappen. Der Preis war übrigens mit schwarzem Klebband abgeklebt und konnte also nicht aus dem Büro jederzeit geändert werden. War wahrscheinlich auch nicht nötig, dass er täglich geändert werden musste.
Noch einen kurzen Besuch auf dem Friedhof. Hier wo auch im Tod noch die Unterschiede von Reich und Arm ersichtlich ist. Die Reichen liegen in Häusern, haben zum Teil ganze Schaufenster, wo all ihre Nippsachen aufgestellt sind. Die Armen liegen in der Erde, haben gerade mal ein kleines Holzkreuz mit einem unleserlichen Namen drauf. Bevor mich das ganze deprimierte verliess ich diesen Ort des ewigen Friedens und fand bald zum Zentrum zurück.
Ist nicht schwierig, es gibt nur eine Hauptstrase, an der alle Boutiquen und Restaurants liegen. Ich suchte ein Touristenbüro und buchte einen Ausflug für morgen. Und dann ging ich in den Supermarkt und kam mit vollen Taschen wieder raus. Alles wie zu Hause. Die Frau hat einfach kein Mass! Keiner der mich gesehen hat, hätte geglaubt, dass ich nur ein paar Tage hier bleiben werde.
Ja, und jetzt sitze ich am Laptop, trinke ein kleines Bier und knappere ein paar Chips. Beim Herd warten die Zutaten für Spaghetti à la 'Beatrice am Ende der Welt' mit einem Glas Rotwein, ohne Eis. Ich mache mir also heute Abend einen richtig gemütlichen Abend in den eigenen vier Wänden und dazu gibt's den Nachtexpress. Und das schon um acht Uhr Abends.
Aufbruch: | 12.04.2008 |
Dauer: | 4 Monate |
Heimkehr: | 03.08.2008 |
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