TimeOut in Südamerika

Reisezeit: April - August 2008  |  von Beatrice Feldbauer

Woche 8 31. Mai - 6. Juni 2008: Hostal

Ein neues Land, ein neues Hotel. Ich bin in Chile angekommen. Irgendwann musste ich ja wieder gegen Norden fahren und so bin ich heute Morgen um halb sechs in Ushuaia losgefahren.

Allerdings hatte ich sehr schlecht geschlafen. Ob das der Abschied war von dieser faszinierenden Stadt, die so voller Widersprüche war. Wie kann man sich in eine Stadt verlieben, in der es fast ständig regnet, in der es kalt ist und die Tage so kurz sind? Man kann, wenn man die Mentalität der Menschen übernimmt und einfach anfängt, das Wetter zu ignorieren. Ich war also sehr früh wach, genoss mein letztes Yoghurt aus dem jetzt leeren Kühlschrank, machte mir einen letzten Tee und überdachte noch einmal die letzten Wochen.

Argentinien. Das war früher ein Name für ein Land in Südamerika. Ich verband nichts Besonderes mit diesem Land. Höchstens ein paar gute Fussballer. Und jetzt kommen Bilder herauf. Von den Wasserfällen in Iguazu bis zu den Eisbergen von El Calafate. Die Gartenstadt Mendoza mitten in der Wüste, die chaotische pulsierende Stadt Buenos Aires. Weite Ebenen, riesige Steppen, endlose Weiten. Ich sehe Wale und Seeelefanten, unzählige Vögel, Winterlandschaften, vereiste Strassen, bequeme Busse und äusserst freundliche Menschen.

Ja die Menschen. Ich habe mich hier nie allein gefühlt. Immer wenn ich etwas brauchte, fand sich genau der Mensch ein, der mir helfen konnte. Die grösste Überraschung war bestimmt Marcelo in Mendoza, der Physiotherapeut, der genau zum richtigen Zeitpunkt auftrat. Die Villa Sophia, das einzige Hotel mit Massagemöglichkeit im verregneten Bariloche. Und José, der mir einen witzigen Nachmittag schenkte indem er alle Aussichtspunkte anfuhr und sowohl Regen wie auch Nebelschwaden einfach ignorierte. In El Calafate das abendliche Feuer in der Hotellobby und Diego in Ushuaia, der für alles eine Lösung wusste. Und natürlich Quille in Puerto Madryn, der mir trotz fehlender Wale und Pinguine einen spannenden Tag schenkte.

Und dann war es Zeit, den Reissverschluss der Reisetasche zuzuziehen und in der Dunkelheit auf die Strasse zu gehen, wo das von Diego bestellte Taxi pünktlich vorfuhr. Ushuaia verabschiedete sich mit einem feinen Nieselregen. Zwölf Stunden Busfahrt lagen vor mir. Die ersten Stunden dämmerte ich vor mich hin, dachte an Hugo und die Hunde, an denen wir jetzt vorbei fuhren und war gerade richtig eingeschlafen, als mich der Adjudante weckte. "Aussteigen, Bus wird gewechselt". Neun Uhr, raus an die frische Luft. Reisetasche schnappen und gleich wieder beim nächsten Bus einchecken. Und wieder einsteigen.

Um zehn wird es draussen langsam hell. Der Adjudante verteilt Frühstück. Zwei süsse Croissants und süssen schwarzen Kaffee. Unterdessen habe ich mich an alles gewöhnt. Und dann werden Formulare verteilt. Für die Grenze. Argentinische Grenze. Ich bekomme wieder einmal einen Ausreisestempel. Ob da wohl jemand die Übersicht behält. Und gleich nach der argentinischen kommt die chilenische Grenzkontrolle. Diesmal mit Überprüfung des Handgepäcks und einem Einreisestempel im Pass.

Und wie wir wieder aus dem Büro herauskommen, liegt das ganze Gepäck auf der Strasse. Zwei Zöllner stehen da. Jede Tasche muss auf einen Tisch gehievt werden und wird untersucht. Was die wohl suchen? Das letzte Mal sind sie hier mit den Hunden durch den Bus gegangen, jetzt müssen sie sich wohl auf ihr eigenen Fingerspitzengefühl verlassen. Bevor wir losfahren zählt der Adjudante die Passagiere. Es war hier, wo wir das letzte mal einen Passagier verloren hatten.

Kaum haben wir die Grenzstation verlassen, fängt die Rüttelpiste an. Gar nicht so einfach, hier einen Schluck Wasser zu trinken. Ich überlege mir, dass das wie eine Massage ist und stelle mir vor, dass ich in einem speziellen Massagestuhl sitzen würde. Sitz und Rückenlehne massieren sanft und gleichmässig alle Muskeln und eine Zeit lang finde ich das sogar angenehm. Doch dann möchte ich diese Maschine wieder abstellen. Kein Mensch sitzt stundenlang auf einem Massagestuhl. Doch es gibt eine Zugabe. Gratis. Und noch eine. Und dann ist plötzlich alles ruhig. Wir sind wieder auf geteerter Strasse. Allerdings nicht lange, denn wir sind an der Magellanstrasse angekommen.

Willkommen auf der Magellanstrasse, die Feuerland mit dem Kontinent verbindet steht auf der grossen Tafel. Es ist die gleiche Fähre, die hier steht und diesmal wird sie voll. Dicht an dicht stehen die grossen Camions und Busse und eingeklemmt dazwischen ein paar private Pickups.

Diesmal ist das Wasser ruhig und die Sonne scheint von einem wolkenlosen Himmel. Und oben flattert die chilenische Flagge im Fahrtwind. Wieder gibt es Hotdogs und ich finde das eine passende Verpflegung.

Zwanzig Minuten später sind wir schon wieder mit dem Bus unterwegs. Aber nicht mehr auf der Rüttelpiste Richtung Argentinien, sondern auf einer wunderbar ausgebauten Strasse Richtung Punta Arenas. Chile. Und da kommen wir 12 Stunden nach Abfahrt, um fünf Uhr Nachmittags an.

Ich kann nicht sagen, warum ich heute von meiner Gewohnheit abkam, per Taxi ein Hotel zu suchen. Vielleicht war es die nette Frau, die an der Bushaltestelle stand und mir einen Zettel in die Hand drückte und mich in ihr Hostal einlud. Man würde gleich hinfahren und meine Reisetasche müsste ich auch nicht selber schleppen. Vielleicht war es auch nur die Tatsache, dass an dieser gewöhnlichen Bushaltestelle kein Taxi in der Nähe schien. Und ausserdem regnete es mal wieder ganz leicht. Jedenfalls hatte die Frau Erfolg. Sieben Leute stiegen in ihren kleinen Bus und kehrten in ihrem Hostal ein.

Ob ich ein Zimmer teilen möchte, werde ich an der Rezeption von einem jungen Mann gefragt. Teilen? "Nein eigentlich möchte ich ein Zimmer für mich allein haben". Er zeigt mir ein Zimmer mit 3 Kajütenbetten. Oder möchte ich lieber das Zimmer mit einen Doppelbett? Kostet aber das doppelte, als wenn ich das Zimmer mit anderen teilen würde. Nein lieber das Doppelbett. Früher, mit zwanzig auf meiner 3-monatigen Reise mit Brigitte durch die Staaten hätte uns ein solches Hostal Spass gemacht. Eine gemeinsame Küche mit anderen Reisenden teilen, gemeinsame Dusche, WC und vor allem ein sehr niedriger Preis.

Heute merke ich, dass ich eindeutig über dieses Alter hinaus bin und egal, wie niedrig der Preis auch sein mag, ich werde nicht so schnell wieder in ein Hostal einchecken. Für heute und morgen ist es aber egal, schliesslich wollte ich ja jeden Tag etwas Neues erleben. Ja erleben ist das nächste Stichwort. Ich gehe in die Stadt, suche eine Agentur und möchte wissen, was man in diesem Ort unternehmen könnte. Es ist Nebensaison - eigentlich gar nichts. Auch gut, ich werde also morgen diesen ersten Ort in Chile zu Fuss erkunden, ein paar Eindrücke sammeln.

Jetzt muss ich jedenfalls erst mal Geld organisieren. Chilenische Pesos. In Argentinien kostete das Hotel jeweils um die 150 Argentinische Pesos, hier kostet mein Zimmer 10'000 chilenische Pesos und ist trotzdem nur halb so teuer. Ich werde mir also eine neue Umrechnungsart angewöhnen müssen und wieder mit riesigen Zahlen rechnen.

Und jetzt werde ich versuchen, mit meinem Laptop ans Internet zu gehen. Hab da in der Lobby einen Computer gesehen, der nicht funktionierte. Wenn sein Internet-Kabel funktioniert, habe ich Glück gehabt. Andernfalls werde ich mich mit dem zweiten System herumschlagen müssen. Habe es bereits bei meiner Ankunft ausprobiert. Es funktioniert, aber es ist soooooo langsam.

Du bist hier : Startseite Amerika Chile Hostal
Die Reise
 
Worum geht's?:
Nicht Nichtstun steht im Mittelpunkt. Sondern etwas tun, wofür im normalen Alltag zu wenig Zeit bleibt. Meine beiden Leidenschaften Reisen und Schreiben möchte ich miteinander verbinden. Und wenn mich dabei jemand begleitet, umso schöner. Es sind vor allem Geschichten, die ich erzähle und erst in zweiter Linie Beschreibungen von Orten und Gebäuden. Ich möchte versuchen, Stimmungen herüberzubringen. Feelings, sentimientos. Wenn mir das manchmal gelingt, ist mein Ziel erreicht.
Details:
Aufbruch: 12.04.2008
Dauer: 4 Monate
Heimkehr: 03.08.2008
Reiseziele: Uruguay
Brasilien
Paraguay
Argentinien
Chile
Bolivien
Peru
Guatemala
Der Autor
 
Beatrice Feldbauer berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
Bild des Autors