TimeOut in Südamerika

Reisezeit: April - August 2008  |  von Beatrice Feldbauer

Woche 1 12.-18. April 2008: Smog

Damit ich mich nicht zu sehr an das Nichtstun gewöhne, und weil ich ja auch mal wieder was anderes machen will, steht heute Morgen grosse Wäsche auf dem Programm. Handwäsche. Wann hab ich das wohl das letzte Mal gemacht? Oh, du liebe wunderbare Waschmaschine, die du in meinem Keller stehst. Nein, so schlimm ist es natürlich nicht. Ist ja auch nicht viel, hat alles auf dem kleinen Wäscheständer Platz und flattert jetzt im Wind hinter dem Bungalow. Und dann habe ich auch schon wieder frei. Frei für einen Spaziergang ans Meer. Auf dem Weg kommen mir die beiden Argentinier entgegen. 'Que tranquilidad' meint die Frau. 'Es ist so unglaublich ruhig hier. Das gibt es ganz selten, das muss man unbedingt geniessen.' Wie recht sie hat.

Unablässig schlagen die Wellen an den Strand, bringen Sand, schichten ihn um, hinterlassen Steine oder Muscheln. Die Schuhe habe ich bei der Holztreppe gelassen, die Jeans aufgerollt. Wieder laufe ich entlang der Wasserkante, doch diesmal auf der anderen Seite: im Wasser. Lasse das Wasser um meine Füsse kräuseln die Wellen an meine Waden klatschen und dann... Ja und dann wird es überhaupt erst lustig. Ich laufe hinaus ins Wasser, auf eine kleine Sandbank, wo mich die Wellen einholen. Man kommt ins philosophieren, wenn man diesen ewigen Wellen zusieht. Sie kommen und gehen, die eine ist höher, die andere flacher, jede ist neu, jede ist anders und werden noch da sein, wenn alle Spuren von uns Menschen wieder weg sind, nicht nur die am Strand. Und sie waren schon vor Millionen von Jahren da. So viele Millionen wie die UBS in den Sand gesetzt hat. Habs doch gewusst, dass ich wieder auf den Sand komme. Da hab ich mich jetzt nämlich auch hingesetzt ganz ohne Hilfe der UBS. Lasse Jeans und Füsse trocknen und geniesse die Sonne.

Ein Hund kommt mir entgegen, freudig wedelnd, ich glaube ich höre ihn jauchzen. Oder ist das vielleicht sein Meister, der ihn verzweifelt zurück ruft? 'Waldi, hierher!' Pedro stellt er sich vor, als er bei mir ankommt. Wohnt seit ein paar Monaten hier im Paraiso Suizo nachdem er viele Jahre für verschiedene Entwicklungsprojekte in Lateinamerika unterwegs war. Schulen für Landmaschinenmechaniker hat er aufgebaut, er kennt sich aus. Seit er pensioniert ist, sucht er den Platz, an dem er den Rest, oder einen Teil des Lebens verbringen will. Wir plaudern über Entwicklungshilfe im Allgemeinen und über den Sinn von Schulen im Speziellen. Man muss helfen, die Ausbildung zu verbessern. Man kann nicht mit der Brechstange in ein Land kommen und glauben, dass man die Verhältnisse in ein paar Jahren verändert. Da hat er bestimmt recht. 'Wissen ist Macht,' meint er, 'Nichtwissen macht auch nichts.'

Wir schlendern zurück, Zeit für den Apero. Ich hole mir ein paar Häppchen bei Jürgen, ein Glas Weisswein und checke meine Mails. Äusserst komfortabel. Dank wireless sitze ich im Garten. Mein einziges Problem ist es, wie ich die Sonne aus meinem Bildschirm halte.

Am Nachmittag fahren wir nach Punta del Este. Mit Hulda und Irene. Punta del Este ist eine Halbinsel und ausserdem der östlichste Punkt des Landes. Wir fahren auf den Hügel Cerra de San Antonio der sich über dem Ort Piriapolis erhebt und schauen hinunter auf das Meer und das Hinterland. Doch leider ist die Sicht heute trotz herrlichem Wetter enorm schlecht. Argentinien brennt. Natürlich nicht das ganze Land, aber riesige Gebiete zwischen dem Rio Parana und dem Rio Uruguay brennen. An mehr als 200 Brandherden ist die Feuerwehr im Einsatz. Die Pampas brennt. Der Rauch dieser Feuer wird durch den Wind an die Küste getrieben und trübt die Sicht hier gewaltig. Wir sehen den Smog, der über dem Land liegt und den Himmel verdeckt. Trotzdem kann ich mir vorstellen, dass die Sicht hier bei guten Bedingungen grandios ist. Übrigens fährt eine kleine Sesselbahn auf diesen Aussichtspunkt. Die Bahn ist in Betrieb, auch wenn im Moment kaum jemand sie benutzt. Die Saison ist vorbei.

Wir fahren weiter. In Punta del Este schiessen die Apartmenthäuser wie Pilze aus dem Boden. Man glaubt sich in Südfrankreich, oder gar in Spanien. Irgendwie ist es eine Mischung von St. Moritz und Monaco. Hier treffen sich die Reichen der Welt. Falls ich irgendwann einmal das Gefühl hatte, in einem Drittweltland zu sein, hier ist es vergessen. Punta del Este ist die Riviera von Südamerika. Hier reiht sich ein Hochhaus an das andere. Hier trifft sich die High Society. Einzig im Jachthafen hat sich der Charme von früher erhalten. Wir bummeln entlang den Fischerbooten und da guckt plötzlich ein schwarzes Gesicht aus dem Wasser. Es ist ein Seelöwe, der auf Futter wartet. Leider haben die Fischerboote ihren Fang längst ans Land gebracht und so fällt für den Burschen nichts mehr ab. Er zeigt sich auch nicht mehr, da können wir warten solange wir wollen.

Auf dem Heimweg kehren wir kurz im Conrad Hotel ein. Es ist eines der fünf-Sterne-Hotels der ersten Stunde, gehört zur Hilton-Gruppe und bietet nebst verschiedenen Restaurants ein Casino und riesige Konferenzräume. Hier treten Weltstars auf wie Shakira oder Madonna. Ich schiesse ein paar Fotos vom Sonnenuntergang, der hier bestimmt speziell eindrücklich ist, aber sich heute wegen dem Smog etwas verschwommen präsentiert und dann fahren wir zurück zum Pueblo Suizo. Auf dem Heimweg überlege ich, dass ich jetzt Lust auf ein richtiges Stück Fleisch hätte. Jürgen ist noch in der Küche und fragt mich, was ich denn zum Nachtessen möchte. "Ich hätte da noch ein ganz frisches Entrecote mit Kartoffelgratin. Hättest du Lust dazu?" Und ob ich Lust hätte.

Später versuche ich in meinem Cheminee einzuheizen, aber irgendwie will es mir trotz selber gesammelten Pinienzapfen heute nicht gelingen. Werde mich also bald mit meinem spannenden Buch in die Federn verziehen.

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Die Reise
 
Worum geht's?:
Nicht Nichtstun steht im Mittelpunkt. Sondern etwas tun, wofür im normalen Alltag zu wenig Zeit bleibt. Meine beiden Leidenschaften Reisen und Schreiben möchte ich miteinander verbinden. Und wenn mich dabei jemand begleitet, umso schöner. Es sind vor allem Geschichten, die ich erzähle und erst in zweiter Linie Beschreibungen von Orten und Gebäuden. Ich möchte versuchen, Stimmungen herüberzubringen. Feelings, sentimientos. Wenn mir das manchmal gelingt, ist mein Ziel erreicht.
Details:
Aufbruch: 12.04.2008
Dauer: 4 Monate
Heimkehr: 03.08.2008
Reiseziele: Uruguay
Brasilien
Paraguay
Argentinien
Chile
Bolivien
Peru
Guatemala
Der Autor
 
Beatrice Feldbauer berichtet seit 20 Jahren auf umdiewelt.
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