TimeOut in Südamerika
Woche 11 21.-27. Juni 2008: Delphine
Da hab ich mich doch gestern Abend so beeilt, war zur rechten Zeit im Hotel und fünf Minuten bevor ich abgeholt werden sollte, klopfte es an der Tür. Der Ausflug findet nicht statt, zu viele Wolken...
Ja, das hätte ich mir eigentlich denken können, als ich nach Hause eilte, dass da doch noch einige Wolken am Himmel standen. Aber das Observatorium ist schliesslich in den Bergen, und ich hab das mit dem klarsten Himmel Amerikas ja nicht selber erfunden. Es gibt übrigens mehrere Observatorien hier in der Umgebung, muss also schon etwas daran sein. Diesmal hatte ich aber sofort eine Alternative: Gehe ich eben in den Zirkus.
Und vorher wollte ich noch den Sonnenuntergang ansehen. Ich versuchte also ein Taxi zu ergattern, aber die waren alle bereits besetzt. Ich machte mich trotzdem auf den Weg und irgendwann hielt sogar ein Taxi an. Aber als ich am Meer ankam, war die Sonne schon weg. Ein paar Liebespaare waren da, die hatten sich den Tag wohl besser eingeteilt, und den Sonnenuntergang an erster Priorität gesetzt. Aber die Stimmung mit all den Wolken war trotzdem phänomenal und ich versuchte etwas davon einzufangen.
Und dann ging ich zurück zum Zirkus. 'Las Agilas Humanas' stand auf dem Plakat, die menschlichen Adler. Das tönte vielversprechend. Das erste Abenteuer bestand darin, die Tribüne zu erklimmen. Gefährlich sah das aus. Ein paar Bretter waren mit Draht an ein Eisengestell gebunden. Da konnte man hinaufsteigen und sich irgendwo hinsetzen. Unten bei den sicheren Plastikstühlen sass gar niemand, kostete ja auch mehr, aber auf der Tribüne hatten sich gut 100 Leute, darunter viele Kinder eingefunden. Bevor die Vorstellung begann, mussten alle Kinder mit einem Zauberstab oder sonst einen leuchtenden Gegenstand ausgestattet werden. Das dauerte natürlich seine Zeit, denn nicht alle Eltern waren bereit, für ihre Jungmannschaft einen zusätzlichen Betrag auszugeben.
Mit einiger Verspätung fing das Spektakel aber dann doch an. Trapeznummern und Clownerien. Es war das dankbarste Publikum, das ich je gehört hatte, und der Zirkus Knie hat noch kaum je solch einen begeisterten Applaus gehabt, wie ihn diese gut 100 Leute hier boten. Ahs und Ohs, begeisterte Pfiffen und Klatschen begleiteten jede Nummer.
die menschlichen Adler
In der Pause traute ich mich nicht, herunterzuklettern und blieb auf der Tribüne sitzen. Jetzt liessen sich die Bajazzos mit dem Publikum fotografieren. Erst als alle Kinder sich mit Popcorn und die Erwachsenen mit Pommes frites eingedeckt hatten, ging die Vorstellung weiter. Die Adler kamen erst in der letzten Nummer. Hoch oben auf der Schaukel schwangen sie sich hin und her. Es waren keine Sensationen, die hier geboten wurden, aber ein Spektakel war es auf jeden Fall.
ich fand diese Tribüne abenteuerlich
Um acht Uhr morgens wurde ich wieder abgeholt. Ausflug auf die Dameninsel, die Isla Damas. Hier ist das wichtigste Reservat der Humboldt-Pinguine und man hatte mir versprochen, dass die zur Zeit nicht grad in den Ferien wären. Ein Blick auf die Karte hatte mir gezeigt, dass ich mich im Moment auf der Höhe von Sao Paulo, Brasilien befinde, also hatten die gar keinen Grund, wegzureisen.
Zuerst fuhren wir mit dem Minibus zwei Stunden in den Norden. Wieder durch die Hügel. Die Gegend war unterdessen Halbwüste. Nur noch Sand und Stein mit Kakteen und sehr resistenten niedrigen Pflanzen. Hier sei eine der trockensten Gegenden, erklärte Marcelo unser heutiger Guide. Er erklärte auch, warum das Wetter hier sehr oft neblig sei.
Der Humboldt-Strom vor der Küste bringt kaltes Wasser, während das Hinterland hier sehr trocken und heiss ist. Das ergibt Nebel. Wasser gibt es kaum. Die Gegend ist von Gletschern geformt, aber im Flussbett, dem entlang wir Richtung Küste fuhren, wurde vor ein paar Jahren zum letzten Mal ausnahmsweise etwas fliessendes Wasser gesichtet. Chile kennt alle Wetterzonen ausser tropischem Urwald. Tropisch, subtropisch, mediterran, andin, gemässigt. Und alles in der Version Bergig oder Küste. Je höher ich nun in den Norden kommen werde, je heisser wird es. Doch heute war es noch nicht soweit.
Wir fuhren lediglich gut 100 km und kamen in ein kleines Dorf mit ca. 300 Menschen. Hier bestiegen wir ein Boot und steuerten hinaus zu den Inseln. Die Inseln stehen unter Naturschutz. Zwei davon dürfen gar nicht betreten werden. Marcelo erklärte, was für Tiere wir hier sehen würden. Allerdings, meinte er "die Tiere sind wild, die warten nicht auf uns. Es ist immer ein Glücksfall und Zufall, was man sehen wird".
Wir waren kaum draussen auf dem Meer, da entdeckten wir bereits die Pinguine. Oder vielleicht hatten die uns entdeckt. Es schienen viele zu sein, die sich da rechts und links vom Boot tummelten. Fotografieren war schwierig, weil man ja nie weiss, wo und wann die sich wieder zeigen würden. So liess ich das bald einmal sein und genoss das Spiel der Tiere.
Delphin (man muss schon genau hinsehen)
Und dann trafen wir einen grossen Vogel, der auf dem Wasser sass. Ja, es sah so aus, als ob er einfach dasitzen und auf uns warten würde. Ein Albatros, der grösste fliegende Vogel. Er kann weiteste Strecken fliegen ohne dass er zwischenlanden müsste. "Wahrscheinlich hat er im Moment viel gegessen, da kann er nicht sofort wegfliegen", erklärte Marcelo. Das schien dem Albatros aber überhaupt nichts auszumachen. Es sah aus, als ob er das fotografiert werden richtig geniessen würde.
Der Albatross
Wir näherten uns der Küste und trafen auf die ersten Pinguine. Über 20'000 kleine Humboldt-Pinguine leben hier. Im Moment sind sie allerdings mit der Brut beschäftigt und deshalb war es nicht sicher, ob wir überhaupt welche sehen würden. Aber wir sahen sie. Wenigstens ein paar. Sie waren gerade auf dem Heimweg. Weit oben an der steinigen Küste haben sie ihre Nester, um so ihren Feinden, zu entkommen. Wenn ich das richtig verstanden habe, sind es vor allem Meerratten, die gerne die Nester ausräumen. Das war wirklich witzig, wie die kleinen Pinguine über das Geröll und die Steine nach oben kletterten. An einigen Stellen konnte man fast sowas wie Wege erkennen.
2 Pinguine auf dem Abstieg
In einer Felsnische hockten ein paar Alcatraz. Auch das ein Vogel, der hier seine Brut aufzieht. Und dann kamen wir zu den Felsen, auf denen die Seelöwen wohnen. Wie gehabt zuoberst das Männchen und auch innerhalb der einzelnen Familien immer das Oberhaupt ganz oben. Immer wieder konnten wir sehen, wie jüngere männliche Mitglieder dem Boss den Platz streitig machten. Ist also nicht wirklich ein Vergnügen, hier an der Macht zu sein.
... und mitten drin ein Geier
Auch einen Kormoranfelsen gab es, wo die bereits bekannten Kormorane mit der weissen Brust wohnen. Auch schwarze Kormorane sahen wir. "Diese müssten immer zuerst ihre Flügel trocknen, bevor sie wieder fliegen können", erklärte Marcelo. Und wirklich, immer wieder konnten wir beobachten, wie sie ihre Flügel ausbreiteten und schüttelten.
schwarze Kormorane
Der grössten Insel näherten wir uns gar nicht, hier wohnen die meisten Pinguine und darum ist diese Insel ganz besonders geschützt. Aber auf der dritten Insel gingen wir an Land. "Keinen Stein, keine Muschel mitnehmen, keine Vögel füttern, auf den Wegen bleiben und keinen Abfall liegen lassen". Marcelo wies uns ein. Das Territorium ist ein Nationalpark und die Vorschriften sind sehr streng. Man darf zwar mit einer Bewilligung sogar campen. Aber man darf kein Feuer machen und auch sonst muss man einige Vorschriften beachten.
angeschwemmte Algen
Bei meinem Spaziergang fielen mir die vielen Algen auf. Sie wurden an Land geschwemmt und da war ein Mann, der sie einsammelte. Sie würden für die Kosmetikindustrie gebraucht und er würde daraus einen guten Preis erzielen, erzählte er. Selbstverständlich brauchte er dafür eine Bewilligung.
Er machte mich auf die winzigen Blüten aufmerksam, die manchmal auf den kleinen runden Kaktussen sassen. Ja, die Vegetation, die von weitem kaum sichtbar ist, war dann trotzdem sehr überraschend. Verschiedene Kaktusse und stacheliges Gestrüpp. Am weissen Strand, an dem man im Sommer baden kann, lagen ganz viele grosse Muscheln.
damit waren wir gut 2 Stunden unterwegs
Zurück im Dörfchen gab es ein verspätetes Mittagessen und nach der Rückfahrt kamen wir gegen sieben Uhr in La Serena an. Gerade noch Zeit für mich, meinen heutigen Bericht zu schreiben und abzuschicken. Wieder einmal völlig unkorrigiert. Und ausserdem muss ich jetzt noch entscheiden, welche von den Fotos ich mitschicken soll. Das wird speziell schwierig, ich hab wieder mal übermässig viele geknipst.
Noch ein Tier haben wir auf der Rückfahrt ganz unerwartet angetroffen: Wilde Esel. Vor ein paar Jahren sind einige abgehauen und seither gibt es hier in der Gegend gut 300 wilde Esel. Alle zwei Jahre werden 60 männliche Tiere eingefangen und es gibt ein Eselrodeo. Die Tiere werden dann als Last- und Reittiere eingesetzt.
Vor mir liegt jetzt eine sehr lange Fahrt in den Norden. Und weil ich nicht wusste, ob ich es zur Abfahrt um 18.00 schaffen würde, konnte ich nicht den bequemen Betten-Bus nehmen, sondern den ganz normalen, der erst um 22.00 losfährt. Mal sehen, wie ich diese Nacht überstehe. Ihr werdet es morgen erfahren. Müde genug, um zu schlafen, bin ich heute auf jeden Fall.
die ganz gewöhnliche Seemöwe
ein rotkopfiger Geier (Jota)
Aufbruch: | 12.04.2008 |
Dauer: | 4 Monate |
Heimkehr: | 03.08.2008 |
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