TimeOut in Südamerika
Woche 5 10.-16. Mai 2008: Lourdes
Die erste Aufgabe des Tages löse ich gleich nach dem Frühstück. Ich habe die Wäscherei gefunden, und all meine schmutzige Wäsche abgegeben. Die zweite Aufgabe macht mir etwas mehr Mühe. Ich wollte zur Busstation, um abzuklären, wie die Reise von hier weiter gehen könnte. Ich fühlte mich noch etwas zu müde, um zu Fuss dahin zu gehen, und konnte andererseits kein freies Taxi erwischen. Vielleicht habe ich auch zu wenig gut aufgepasst.
Viel lieber setzte ich mich in die Fussgängerzone und beobachtete die Leute. 'Mendoza, ein Ort zum leben und geniessen' stand auf einem Plakat. Ja, so langsam kam ich auf den Geschmack. Das heisst, erst mal kam ich auf den Geschmack, als ich den anderen Gästen beim Essen zusah. Wann hatte ich eigentlich das letzte mal etwas Richtiges gegessen? Etwas Gesundes? Abgesehen von den kleinen Häppchen beim Frühstück kam mir nichts in den Sinn seit dem übermässigen Fleischgelage bei den Gauchos. Das kleine Sandwich am Samstag-Abend war wohl kaum zu rechnen und die Schokolade gestern Nachmittag war auch nicht sehr vitaminreich. Aber wahrscheinlich genau das richtige.
Jetzt aber hatte ich Lust auf etwas Frisches. Einen Salat. Und wie der mich ansah! Ich glaubte, jedes Vitamin einzeln zu sehen und es ging mir danach auch schon wieder viel besser. Also auf geht's, zu neuen Taten. Ich hatte mich für eine Stadtrundfahrt angemeldet. Das schien mir genau das richtige. Man kann sich in den Bus setzen und die Gegend fährt an einem vorbei. Keine unnötigen Kraftanstrengungen.
Eugenia heisst die nette junge Reiseleiterin. Die Gruppe ist wieder einmal international, wobei ich die einzige Europäerin bin. Eugenie erklärt, dass die Gegend um Mendoza eine Wüste wäre, wenn nicht schon die Inkas das Wasser in Kanäle geleitet und damit die ganze Umgebung in einen Garten Eden verwandelt hätten. Mendoza ist bekannt für seinen Wein und die Sonne. Es gibt hier über 300 Sonnentage, so wie heute. Keine Wolke zeigt sich am knallblauen Himmel. Es gibt kaum Niederschläge und man ist auf den Schnee im Winter angewiesen, der das Wasser für die Stadt garantiert. Es gibt ein Kanal- und Brunnensystem unter der Stadt, das bis zu 30 m tief ist. Die Spanier brachten die Bäume mit und jetzt kann man in allen Strassen der Stadt unter Platanen wandeln. Nach dem schweren Erdbeben von 1861 wurde die Stadt ganz neu aufgebaut. Ganz neu geplant. Mit grossen Parks und Plätzen voller Bäume. Die Plätze waren von Anfang an als Refugiums geplant. Falls wieder einmal ein Erdbeben die Stadt erschüttern würde, könnte man sich in diese Gebiete ohne Gebäude flüchten. Jährlich wird die Stadt übrigens von gegen 100 kleinen Beben erschüttert, doch das nimmt hier niemand mehr zur Kenntnis.
Beim eindrücklichen Regierungsgebäude müssen wir aussteigen. Hier wird die erste Fahne Mendozas aufbewahrt. Knapp 200 Jahre alt ist sie und sie wird ständig bewacht von einem jungen Soldaten. Alle 2 Stunden wird er abgelöst, erzählt Eugenia, und eigentlich ist das das einzige, was mich an dieser Situation wirklich interessiert. Das Gebäude ist allerdings sehr gigantisch.
Weiter geht die Fahrt zu all den wichtigen Plätzen, der Plaza Italia, der Plaza Chile und der Plaza Espana die mir sehr gut gefällt. Da werde ich später vielleicht nochmal herkommen. Wir kommen vorbei am Terrarium. "Hier lebt Jorge, bitte besuchen sie ihn, wenn sie noch etwas Zeit haben. Er würde sich bestimmt freuen". Jorge ist die 80-jährige Schildkröte die hier lebt. Sie ist noch so jung! Kann man sich immerhin überlegen. Wir fahren durch das grosse Tor in den riesigen Park San Martin. Hier wachsen über 300 verschiedene Bäume aus allen Erdteilen. Gleich beim Eingang gibt es den grossen Brunnen der Kontinente.
Brunnen der Kontinente
Im Park gibt es viele Strassen, die jede einem anderen Baum gewidmet ist: die Strasse der Eichen, die Strasse der Palmen, die Strasse der Platanen. Eugenia redet fast ohne Unterlass und ich bin wieder einmal ziemlich gefordert, ob all den Informationen, die da auf mich herein prasseln.
romantische Spazierwege im Parque San Martin
Als wir aussteigen, um am Parksee einen kleinen Spaziergang zu machen, konzentriere ich mich mehr auf das Gezwitscher der Vögel und auf die letzten Rosen. Berühmt war der Park einst für seine schwarzen Rosen. Doch die Leute waren so fasziniert von dieser Sorte, die es nirgends sonst gab, dass sie anfingen, diese nachts auszugraben. Und so kommt es, dass es heute keine einzige schwarze Rose mehr gibt.
Spätherbst-Stimmung
Es ist ein sehr schöner Spätherbstnachmittag und ich bin etwas irritiert, weil ich noch kurz vor der Abfahrt zur Stadtbesichtigung in einem Mail von einem schönen Frühlingspfingstwochenende gelesen habe. Verkehrte Welt. Wir fahren unterdessen weiter.
Cerro de la Glorie
Nächstes Ziel: der Cerro de la Glorie. Das grosse Unabhängigkeitsdenkmal. General San Martin darf die Ehre für sich behaupten, die drei Länder Argentinien, Chile und Peru von den Spaniern befreit zu haben. Es ist der General, dessen Mausoleum ich in Buenos Aires in der Kathedrale gesehen hatte. Und hier hat er ein riesiges Denkmal erhalten. In Stein und Bronze. Eugenia erklärt die einzelnen Szenen ausführlich, während ich wieder einmal den Vögeln nachschaue. Riesige Vögel sind es diesmal, die über den Bäumen und über dem Denkmal kreisen. Nein, es sind keine Condore, obwohl die in der Gegend heimisch sind und mit ihren 5 Metern Spannweite ein eindrückliches Bild abgäben, es sind nur Geier.
Igliesia de la virgin de Lourdes
Weiter geht die Fahrt zur Jungfrau von Lourdes. Ich bin zuerst nicht sicher, ob ich das richtig verstanden habe. Lourdes? Ja, die Kirche ist privat, gehört einer reichen Familie. Die Frauen wünschten sich eine Kapelle zu Ehren der Jungfrau von Lourdes und diese wurde gebaut. Der Zulauf war allerdings so riesig, dass vor ein paar Jahren eine neue Kirche gebaut werden musste. Hier haben jetzt bis zu 4000 Leute Platz. Ich begreife nichts mehr. Wie wenig braucht es eigentlich, damit Menschen an das Unmögliche glauben. Eugenia gibt uns eine Viertelstunde, um uns umzusehen und kommt selber prompt zu spät zum Bus zurück. Oh, sie ist ganz aufgeregt. "Da war eine Delegation von Frauen aus Buenos Aires und als diese sich der Jungfrau näherten, hat sie die Augen aufgeschlagen..." Sie braucht einen Moment, um sich wieder zu sammeln.
Unterdessen ist die Sonne hinter den hohen Anden verschwunden. Ganz unspektakulär. Und dabei hatte ich doch so darauf gehofft, einen Sonnenuntergang zu sehen. Am Morgen beim aufgehen hat sie doch auch alles in ein rotes Licht getaucht. Worauf kommt es eigentlich an, ob die Sonne farbig auf- respektive untergeht. Weil mir das niemand erklären kann, versuche ich selber eine Erklärung. Es ist wichtig, wie tief die Sonne steht, wenn sie ihre ersten oder letzten Strahlen auf die Erde schickt. Wenn sie tief steht, dringen die Strahlen durch viel mehr Luftschichten, als wenn sie hoch steht. Darum funktioniert das mit dem Sonnenaufgang über dem flachen Land, aber nicht wenn sie einfach hinter einem hohen Berg verschwindet. Ich bin zwar nicht ganz sicher, ob diese Erklärung einer wissenschaftlichen Abhandlung stand halten würde, aber mir genügt sie für den Moment.
Wir fahren zurück zur Stadt. Ich bin ziemlich müde vom zuhören, übersetzen und vom Versuch, soviel als möglich von den Informationen zu behalten. Aber ich bin nicht mehr so erschöpft, wie gestern. Es besteht also zunehmend Hoffnung, dass ich mein Tief überstanden habe. Morgen wird es sich weisen. Mein Wecker wird ziemlich früh losgehen. Abfahrt ist um sieben Uhr. Wohin? Lassen wir uns überraschen.
Aufbruch: | 12.04.2008 |
Dauer: | 4 Monate |
Heimkehr: | 03.08.2008 |
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