TimeOut in Südamerika
Woche 9 7.-13. Juni 2008: an Bord
Nachdem ich meinen Bericht online gestellt hatte, rief mir Alejandro ein Taxi. Ich hatte alles gepackt, war bereit für das nächste Abenteuer und hoffte, dass das Schiff noch Platz hätte.
Diesmal war jemand im Büro. Oscar. Er erklärte mir freundlich, dass meine Buchung annulliert worden sei, da man nicht wusste, ob ich trotz Verspätung des Schiffes mitfahren würde. "Was willst du mir damit sagen?" wollte ich von ihm wissen, "dass ich keinen Platz mehr habe auf dem Schiff?" "Nein, keine Angst, wir werden jetzt gleich eine neue Buchung vornehmen", beruhigte er mich. "Ok, ich habe kein Problem damit, wenn du mir zum gleichen Preis eine bessere Kabine gibst", ich wurde mutiger. "Ja das kann ich machen und ausserdem gebe ich dir noch eine kleine Ermässigung von zehn Prozent." Das fand ich hingegen äusserst grosszügig denn ich war schon froh, überhaupt noch einen Platz zu bekommen. Nachdem die Administration erledigt war, musste ich nur noch warten. Du wirst um 21.00 Uhr abgeholt. "Und wo sind die anderen Passagiere?" wollte ich wissen. "Die kommen auch um 21.00 Uhr". Also blieb eine knappe Stunde Wartezeit. Was war das schon zu den zwei Tagen die ich in Puerto Natales verbracht hatte.
Aber es kam niemand. Ausser ein junges Paar und ein Typ, dem man den Traveler schon von weitem ansah. Gut 30, lange Haare, im Nacken zusammengebunden, kaum Gepäck. Kurz vor 21.00 kamen doch noch ein paar Einheimische dazu und dann kam Juan, der Verantwortliche für die Passagiere. Er zeigte uns den Weg zum Schiff und mir fiel auf, dass kein einziges Auto da war. Und das war doch eine Fähre. Absolute Leere auf beiden Etagen. Wir fuhren mit dem Warenlift in den oberen Stock und Juan meinte: "Das Schiff steht ganz zu deiner Verfügung. Wir haben nur zwei Personen, die bis Puerto Montt fahren, der Rest steigt in Puerto Eden aus". Das musste ich erst mal verdauen und ich sah mich nach dem langhaarigen Typen um.
Juan, der smarte Supervisor
Juan zeigte uns den Aufenthaltsraum, hier sollten wir uns in zehn Minuten für ein wichtiges Video wieder einfinden und dann zeigte er mir meine Kabine, wo mein Gepäck schon auf mich wartete.
Als ich in den Aufenthaltsraum kam, waren da auch noch Peter und Carlos, die beiden amerikanischen Studenten, die ich schon auf der Fahrt in den Nationalpark kennen gelernt hatte. Sie hatten den Weg zum Schiff auch gefunden.
Das Video entpuppte sich als Information über die Sicherheitsvorschriften auf dem Schiff. Kurz zusammengefasst sagte es aus, dass man unbedingt und in jedem Fall den Anweisungen des Kapitäns folgen müsste, und ausserdem, wo die Schwimmwesten aufbewahrt würden. Ich konnte nur hoffen, dass wir diese nicht benutzen müssten, denn es war noch immer kalt.
Ja ich gebe zu, ich hatte mir auf der Fähre ein wenig mehr Komfort vorgestellt. Dass die Kabine eng und einfach sein würde, wusste ich, wenigstens hatte ich ein eigenes Bad mit Dusche und WC, aber dass auch der Aufenthaltsraum so spartanisch sein würde und der Kiosk sich als kombinierte Bar/Tienda präsentieren würde, erstaunte mich doch ein wenig. Aber wenigstens gab es einen Whisky. Marcelo hinter der Bar senkte die Flasche über das Glas und ich musste selber Einhalt gebieten, ich glaube, er hätte die Flasche gleich geleert. Das war mindestens ein Triple. Wir waren jetzt also mit den zwei Amerikanern vier Personen, die bis zum Endpunkt fahren würden. Der Rest würde in Puerto Eden aussteigen.
Marcelo, der Bartender
Die Fähre wird im Sommer für Touristen eingesetzt. Im Winter aber transportiert sie vor allem Fracht. Und diese würde im Laufe der Nacht geladen. Juan zeigte mir das Schiff, und vor allem auch die Kapitänsbrücke. "Du kannst jederzeit hierher kommen und zusehen, wie das Schiff gesteuert wird", lud er mich ein. Später, als ich in meiner Koje lag, hörte ich, dass das Schiff beladen wurde. Da fuhren schwere Lastwagen aufs Schiff. Jedenfalls wurde das ganze Schiff erschüttert. Ich schlief aber trotzdem bald ein. Warum ich am Morgen kurz vor sechs erwachte, kann ich nicht sagen, aber kurz darauf hörte ich, dass der Motor irgendwo tief unten im Schiff anfing zu arbeiten. Und kurz danach legte die Fähre pünktlich um sechs Uhr ab. Ich schlief noch einmal ein mit dem beruhigenden Gefühl, endlich auf See zu sein.
Frühstück gibt es von acht bis neun, das hatte mir Juan am Abend noch erklärt. Und ausserdem machte er mich aufmerksam, dass wir um diese Zeit die schmalste Passage der Reise durchfahren würden. Ich erwachte um acht und schlüpfte schnell in die warmen Kleider, zog die Windjacke über und war draussen. Es war noch ziemlich dunkel, aber es war deutlich zu sehen, dass wir zwischen Inseln und Festland hindurch fuhren. "Nein, das ist sie noch nicht, die Passage, die ich meine", sagte Juan, der gerade vor seinem Büro stand. Also doch zuerst frühstücken. Doch es hielt mich nicht lange im Aufenthaltsraum, ich musste wieder hinaus, hinauf auf die oberste Brücke. Und da sah ich es. Nicht nur, dass es sehr schmal war, gerade mal 80 Meter zwischen den zwei Inseln, nein das Schiff musste da auch noch eine Kurve fahren, und das mit einer Breite von knapp zwanzig Metern. Gut, dass ich und nicht der Kapitän gestern Abend den Whisky getrunken hatte.
mit 80 Meter die engste Stelle
Unter mir, auf dem Fahrzeugdeck standen die Lastwagen. Das heisst es waren vor allem Viehtransporter. Anhänger voller Rinder. Ich konnte kaum hinsehen, die hatten nur gerade Platz zum stehen. Wenn sich eine drehen wollte, mussten sich alle irgendwie bewegen. Ob die wohl mit Wasser und Futter versorgt würden? Ich nahm mir vor, danach zu fragen.
Beim Frühstück waren unterdessen doch noch ein paar Passagiere dazu gekommen. Vielleicht Chauffeure der Lastwagen, die in der Nacht zugeladen worden waren. Doch nicht viele, es waren vor allem Anhänger aufgeladen worden, die in Puerto Montt von anderen Lastwagen abgeholt würden.
18 Rinder pro Anhänger
Nach dem Frühstück erledigte ich, was ich am Morgen verpasst hatte. Eine ausgedehnte Dusche, Haare waschen, mich um mich kümmern. Und ausserdem konnte es nicht schaden, meine Reisetasche wieder einmal in Ordnung zu bringen. Vor allem weil ich gestern noch rasch die frisch gewaschene Wäsche aus der Wäscherei nur so in die Tasche gestopft hatte. Ja und da fanden sich doch ganz unten eine Sonnencreme und ein paar ärmellose T-Shirts. Wann hatte ich die zuletzt getragen? Ja, damals im Pueblo Suiza war ich in der Sonne gelegen, bei Stella war ich damit ausgeritten und auch in Buenos Aires war das die normale Bekleidung. Gestern hatte ich von Michelle, die inzwischen wieder zu Hause in Frankreich war, per email ein Foto bekommen, wie ich mit dem Gaucho tanzte. Und dabei trug ich genau dieses T-Shirt. Heute war allerdings der Tag für den dicken Pullover. Auch zum Mittagessen war es angebracht, sich warm anzuziehen. Danach machte ich noch einmal die Runde bis zur oberste Brücke und hielt nach der Sonne Ausschau. Die wollte sich heute aber nicht zeigen. Dafür begleiteten uns ein paar kleine Seehunde ein Stück weit. Sie schwammen in Sichtweite des Schiffes und machten ihre bekannten Purzelbäume.
Ich hatte in der Schiffsbibliothek, die aus ungefähr 10 Büchern bestand, ein deutsches Buch gefunden. Es erzählte die Geschichte eine Fahrradreise von Deutschland nach Indien. Das war genau die richtige Lektüre. Damit zog ich mich in meine Kabine zurück. Endlich wieder deutsch lesen. Irgendwie wurde ich heute einfach nicht warm. Ich fror an die Füsse und das ist sehr selten. Zum Glück hatte mir Mami zum Abschied noch ein paar Bettsocken geschenkt. Die kamen jetzt gerade richtig. Kurze Zeit später hatte ich richtig warme Füsse.
Marcelo mixt meinen Pisco sour
Vor dem Nachtessen liess ich mir an der Bar einen Pisco sour zubereiten. Beim Essen kam ich mit Nilda, einer alten Frau ins Gespräch. Sie wohnt in Puerto Eden. Diesen Ort würden wir morgen früh ansteuern und hier würden die meisten Passagiere aussteigen. Ich hatte den Ort übrigens vergebens auf meiner Südamerika-Karte gesucht, werde ihn im Google Earth suchen, sobald ich wieder Internet-Anschluss habe.
Puerto Eden, was für ein schöner Name. Es führt keine Strasse hin, die einzige Verbindung mit der Aussenwelt ist die Fähre, die einmal die Woche den Ort ansteuert. Autos gibt es selbstverständlich nicht, und es wohnen nur noch ca. 160 Menschen da. Es gibt eine Gesamtschule mit einer Lehrerin und ungefähr 20 Schülern. Es gibt einen Laden und verschiedene Unterkünfte. "Was machen denn die Leute, wenn sie zu Ihnen kommen"? wollte ich wissen, denn auch Nilda bietet eine Unterkunft an. "Nichts", meinte sie. "Nein, es gibt auch keine Spazierwege oder Wanderwege in die Berge. Sie warten halt, bis das nächste Schiff kommt, das sie von hier wieder weg bringt".
Was für ein Leben! Doch, Fernsehen gibt es, per Satellit und Internetanschluss gibt es in der Schule. Es gibt einen Laden, in dem man das wichtigste kaufen kann. Nein, ihre Kinder wohnen nicht mehr im Dorf, sie studieren im Norden und es ist nicht anzunehmen, dass sie zurück kommen werden.
Puerto Eden. Ich weiss nicht, aber das Paradies stelle ich mir anders vor.
Aufbruch: | 12.04.2008 |
Dauer: | 4 Monate |
Heimkehr: | 03.08.2008 |
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