Mekong
Citytour: Nachmittag
Nach dem Essen brauche ich gar nicht erst ins Taxi einzusteigen, die Fähre nach Inwa legt gleich hier ab.
Phyo Lay wird sich einen gemütlichen Nachmittag machen und hier auf mich warten.
Lass dir Zeit, wir wollen erst zum Sonnenuntergang bei der Brücke sein, da hast du genügend Zeit, dich auf der Insel umzusehen.
Die Fähre legt gleich ab, ich bekomme einen Platz ganz vorne, denn eine ganze Gruppe Franzosen ist soeben eingestiegen. Die Überfahrt dauert nur kurz, aber auf der anderen Seite glaube ich, in einer anderen Welt anzukommen.
Kutschen erwarten uns im schlammigen Boden bei der Anlagestelle. Und eine ganze Horde Verkäuferinnen, die Halsketten aus Jade verkaufen.
I remember you - ich erinnere mich an dich
Zuerst bin ich irritiert, wie kann mich die junge Frau kennen, wo ich doch noch nie hier gewesen bin. Doch sie bleibt unbeirrt.
I remember you.
Es ist ein Trick, und es ist ein guter Trick, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, denn ich überlege eine ganze Weile, ob ich sie vielleicht nicht doch an einem anderen Ort schon gesehen hätte.
Habe ich aber nicht. Doch ich werde mich jetzt bestimmt an sie erinnern. Sie heftet sich nämlich an mich.
Während ich in eine der bereit gestellten Kutschen einsteige und es mir in dem wackeligen Gefährt bequem mache, hat sie ihr Fahrrad geholt und fährt hinterher.
Wir fahren durch den Matsch des letzten Regens in Wasserlöcher und plötzlich werden die Wasserlachen zu einem kleinen See. Mir kommt das ganze schon fast wie ein Treck in den Wilden Westen vor. Die Räder der Kutschen wackeln bedenklich in den Achsen, die Pferde stapfen durch knietiefes Wasser und die Verkäuferinnen folgen uns nicht mehr, das Wasser ist zu tief. Dafür schwimmt ein Hund mit, watet gelegentlich an den Rand und schüttelt sich, doch dann kehrt er um ins Wasser, folgt der Kutsche vor mir.
Und dann haben wir die Furt überwunden, sind wieder auf festem Grund und schon ertönt es von hinten: I remember you.
Sie hat einen anderen Weg genommen und die Wagenkolonne wieder eingeholt. Es geht jetzt auf einer befestigten Naturstrasse weiter. Mein Kutscher ist ein junger Mann, dem es Spass macht, sein Pferd anzutreiben und alle anderen Kutschen zu überholen. Ich bin die einzige, die eine Kutsche für sich allein hat, die anderen sind zu zweit oder dritt in einem Gefährt.
Bald erreichen wir eine Pagode, es heisst aussteigen. Es sind die Überreste eines grossen steinernen Tempels. Natürlich sitzen auch hier wieder ein paar Verkäufer mit Bildern. Und da meine Verkäuferin, Sue heisst sie, immer noch an meinen Fersen ist, sehe ich mir ihr Angebot jetzt doch noch richtig an.
Jadeschmuck ist es, den sie verkauft. Einfache Ketten aus Jade. Nachdem ich ihr eine Kette abgekauft habe, ist sie zufrieden und fährt zurück zur Anlegestelle. Wird den nächsten potentiellen Kunden mit ihrem Charme und der Begrüssung 'I remember you' verwirren.
Die Fahrt mit der Kutsche geht weiter. Entlang von Reisfeldern, vorbei an stillen Weihern.
Foto - mein Kutscher weiss, wo die schönsten Sujets sind, aber das Fotografieren aus der fahrenden Kutsche erweist sich als fast nicht brauchbar. Zu sehr wackelt die ganze Kutsche, es wird alles unscharf. Da geniesse ich lieber die schöne Landschaft und die ungewöhnliche Fortbewegungsart.
Die nächste Pagode ist eine Überraschung. Eine Pagode ganz aus Teakholz gebaut. Die Schuhe werden wie üblich vor dem Eingang gelassen und dann geht es barfuss über die steinerne Treppe hinauf zum Tempel.
Alles, inklusive der Boden ist aus Holz. Da wo die Holzplanken in der Sonne sind, brennt es unter den Fusssohlen. Da sucht man Wege im Schatten. Drinnen ist es auf den ersten Blick sehr dunkel. Doch bald erkenne ich die vielen Säulen, die Holzstämme, die das Dach tragen. Und es kommen Vergleiche mit der Moschee in Cordoba. Auch dort gibt es einen ganzen Säulenwald.
Jedenfalls eine sehr erstaunliche Anlage. Und fast unverwüstlich. Ganz hinten entdecke ich in einer Ecke etwas wie eine Schule mit Holzbänken und Pulten. Dahinter wohnt offensichtlich ein Mönch. Inmitten von Büchern und überstellten Möbeln hat er sich eine Ecke eingerichtet. Er lässt sich nicht stören, starrt unentwegt in einen Schrank. Vielleicht meditiert er.
Fast muss ich laut lachen, als ich kurz darauf sehe, worauf sich seine Aufmerksamkeit richtet. Im Schrank ist ein kleiner Fernseher, den er auf minimale Lautstärke gestellt hat.
Draussen sind ein paar Mönchsjungen. Ob das Kloster noch in Betrieb ist, ob die hier wohnen? Es gibt nirgends eine Erklärung oder Beschreibung. Man müsste das irgendwo erfragen, doch soweit reicht mein Interesse nicht.
Eindrücklich und einmalig ist diese Anlage ganz aus Holz aber auf jeden Fall.
Der nächste Halt ist an einem Turm. Leider kann man ihn nicht besteigen und es gibt auch hier keine Erklärungen dazu.
Dafür wieder eine ganze Anzahl von Verkaufsständen, an denen nichts los ist. Ich mag es nicht, wenn ich so barsch abweise und demonstrativ nicht hinsehe, doch eine andere Art verstehen die Leute nicht. Ich traue mich nicht einmal, etwas anzusehen, denn sonst werde ich sie nicht mehr los.
Und noch einmal gibt es eine grosse Pagode zu besichtigen, doch ich verlaufe mich dabei und komme erst nach einem Irrweg durch die privaten Quartiere, wo Pferde sich im Schatten erholen, wieder zurück zu den Kutschen.
Und dort entdecke ich den Imbisstand, wo frische Kokosnuss verkauft wird. Hier komme ich mit Degi und Eric ins Gespräch. Degi kommt aus Ghana und arbeitet seit kurzem in Yangon. Eric ist auf Besuch und zusammen erkunden sie für eine Woche Myanmar.
Wir verplaudern uns völlig, vergessen die Zeit und mein Kutscher ist etwas verstimmt, als ich endlich zurück komme. Vielleicht habe ich ihm jetzt die Möglichkeit für eine weitere Fahrt für heute vermasselt. Denn es ist jetzt später Nachmittag und für mich Zeit, zurück zu kehren, wenn ich zum Sonnenuntergang bei der Brücke sein will.
Auf dem Rückweg fahren wir durch das Dorf und noch einmal durch das tiefe Wasser. Am Anlegesteg bei der Fähre treffe ich wieder auf Sue, die mich mit einem breiten Grinsen verabschiedet:
I remember you.
Ja, ich jetzt auch.
Nach einer kurzen Fahrt mit dem Taxi erreichen wir wieder die Brücke. Hier ist jetzt Betrieb. Der Markt, der am Morgen aufgebaut wurde, ist in vollem Gang. Die Brücke voller Menschen. Einheimische und Touristen.
Ich schlendere mit Dega und Eric, die mich wieder gefunden haben, durch die Essensstände.
Bootsfahrt?
Schon am Morgen sind mir die eigenartigen Boote aufgefallen und ich hatte mir das für den Abend vorgenommen. Wir mieten also ein Ruderboot und lassen uns auf den See hinaus fahren. Das ist bedeutend ruhiger, als sich durch die Menschenmengen zu kämpfen.
Die Sonne nähert sich dem Horizont und es verspricht ein schöner Abend zu werden. Ich schiesse ein paar Fotos, da nimmt mir der junge Ruderer die Kamera aus den Händen.
Darf ich?
Er scheint etwas von Kameras zu verstehen, dreht an den Schaltern und stellt auf manuelle Einstellung.
Und dann überrascht er mich komplett, indem er den wunderschönen Sonnenuntergang, der sich jetzt anbahnt, in schönste Bilder bannt. Für jede Foto stellt er um, bringt das Boot in die richtige Stellung, macht mit dem Ruder ein paar Kringel ins Wasser. Er scheint der geborene Fotograf zu sein.
Wir drei kommen aus dem Staunen nicht mehr heraus und ich überlasse unserem Ruderer gern meine Kamera und geniesse den fantastischen Abschied der Sonne für heute.
Dieser Tag war tatsächlich voller Überraschungen, aber die grösste ist dieser Junge. Leider hat er selber keine Kamera, er freut sich aber jedesmal, wenn ihm ein Tourist seine für einen Abend zur Verfügung stellt.
Ich hätte bestimmt auch tolle Bilder gemacht, denn das ist heute nicht so schwierig, so schön wie die Stimmung ist, aber diese fantastischen Aufnahmen hätte ich nie hinbekommen.
Und übrigens, es gab auch heute wieder eine Pre-Wedding. Schön romantisch bei Sonnenuntergang mit Scheinwerfer und Blitz perfekt in Szene gesetzt.
Aufbruch: | 16.06.2017 |
Dauer: | 3 Monate |
Heimkehr: | 21.09.2017 |
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