Mekong
Rückkehr nach Chang Mai
Beim Frühstück spreche ich den Hotelier auf sein Schild an, das er hier aufgehängt hat: "Wenn Wi-Fi nicht funktioniert, bitte miteinander sprechen.*
"Ja", sagt er, "das hat sich alles sehr verändert. Vor zehn Jahren, als wir hier angefangen haben, da sassen die Jugendlichen abends noch zusammen, einer spielte Gitarre, es wurde gesungen oder diskutiert. in letzter Zeit sind alle mit ihren Smartphones unterwegs, da wird nicht mehr soviel miteinander gesprochen. Die Leute kommunizieren mit anderen, die nicht hier sind, statt sich die Dinge anzusehen, die sie nicht so schnell wieder sehen werden.
Früher, da wollte man beim Zimmer reservieren wissen, ob es Warmwasser gibt, wie die Toilette aussieht, heute wird nur noch nach Wi-Fi gefragt. Und die erste Frage bei der Ankunft ist nach dem Code. Warmwasser und Bad scheinen völlig unwichtig geworden zu sein. Auch gebucht wird nur noch online, kurzfristig, spontan. Es gibt auch kaum mehr direkte normale Kontakte."
"Aber du bist doch nicht besser", wage ich einzuwerfen, denn er hat soeben sein Smartphone hinter der Theke abgelegt. Er hat sein Facebook-Profil offen. "Auch bei dir habe ich das Gefühl, dein Handy sei dir an der Hand angewachsen."
"Ja", lacht er, "man kann halt die Zeit nicht zurückdrehen." Auch ich gebe zu, dass meine erste Frage beim Einchecken in einem Hotel schon lange die nach dem Code ist.
Meine Sachen habe ich bald gepackt, ich bin nur mit dem Rucksack da, Den Koffer habe ich in Chiang Mai gelassen. An der Bushaltestelle stehen die Shuttlebusse bereit. Es gibt keinen grossen Bus, es wird nur mit kleinen Vans gefahren. In jedem haben 9-10 Leute Platz. Die Plätze sind genau zugeordnet. Ich bin immer noch als Ben unterwegs und muss jedes mal grinsen, wenn ich den Namen auf einem Zettel lese. Das Gepäck wird auf das Dach geladen und mit Plache und Netz festgemacht.
Der Fahrer steigt ein, dreht sich kurz um, fragt etwas, gibt sich die Antwort gleich selbst und startet den Motor. "Did you understand, what he sad?" fragt mich die junge Japanerin neben mir. Sie hat kurz von ihrem Handy aufgesehen und schaut etwas irritiert drein.
Nein, natürlich habe auch ich nicht verstanden, was er gesagt hat. Ich nehme an, er hat gefragt, ob alle da seien, weil das eine offiziell vorgeschriebene Frage ist - und hat sich dann die Antwort auch gleich selber gegeben. Meine Sitznachbarin kichert und gibt die Antwort gleich an ihre Kollegin weiter, so dass die beiden kurz etwas zu lachen haben, bevor sie die Köpfe wieder über ihre Smartphones neigen.
Wir sind wieder auf der Berg- und Talfahrt. Doch dieser Fahrer hat sein Fahrzeug besser im Griff. Er schaltet korrekt, fährt zügig, nimmt die Kurven mit Schwung und interpretiert die Mittellinie kreativ und eigenwillig. Auch Überholen ist für ihn kein Problem, auch nicht vor der Kurve. Aber es ist immer genug Platz zum Kreuzen, die Strasse ist breit. Jedenfalls habe ich keinen Moment Angst, wir sind sicher unterwegs.
Auf halber Strecke wieder der Pausenhalt. Ob das immer noch die gleichen Hühner sind, die da hängen.
Ich habe keinen Hunger, sehe mich bei den Verkaufsständen ein wenig um. Holz wird hier verkauft, und Kräuter, dickflüssiger Honig in Flaschen. Erinnert mich an den Schamanenmarkt. Was das mit den Holzstückchen wohl auf sich hat. Es steht ganz viel auf der Etikette, aber kein einziger lesbarer Buchstabe. Fragend sehe ich die Frau an. What is this? Sie macht ein Zeichen für trinken, zeigt dann auf ein Bündel Kräuter. Ich soll versuchen.
Es schmeckt süss, das ist Stevia, der natürliche Süssstoff. Und das Holz. Leider komme ich nicht weiter mit den Auskünften. Ich lasse es liegen, will eh noch nichts kaufen. Ich müsste es zu lange mitschleppen. Aber interessant sind die Sachen trotzdem. Vielleicht ist es irgend ein Süssholz.
Ich schlendere weiter. An einem Baum wächst eine Orchidee mit winzigen Blüten. und eine riesige Hirschgeweih-Pflanze. Bei uns heisst die so, jedenfalls ihre kleine Verwandte, die wir in Töpfen kultivieren.
Der Halt ist vorbei, wir fahren weiter. Die Fahrt zieht sich dahin. Im Wagen läuft die Klimaanlage und niemand spricht ein Wort. Nicht einmal Musik hat der Fahrer eingeschalten, das ist eher ungewöhnlich. Doch da unterbricht ein Geräusch die Stille. Auf der hintersten Sitzbank ist jemand eingeschlafen-und schnarcht. Schnarcht in voller Lautstärke. Die beiden Japanerinnen sehen sich kurz an, lächeln.
Und dann kommen wir endlich wieder in überbautes Gebiet. Die ganze Fahrt führte über die bewaldeten Berge. Dschungel, nur unterbrochen durch die kurvenreiche Strasse und eine Stromleitung. Immer dichter wird der Verkehr, fast bleiben wir irgendwo stecken, aber dann geht es doch weiter. Der lockere Fahrstil wechselt zu einem konzentrierten Aufpassen. Jede Lücke wird benutzt, es wird links und rechts überholt, immer auf den eigenen Vorteil bedacht aber trotzdem ohne Aggression.
Wir kommen beim Busterminal an und werden beim Aussteigen von Taxifahrern bestürmt. Sie bieten Fahrten zum Flugplatz an, zum Hotel. Sie haben einen Stadtplan dabei oder einen Plan mit den Sehenswürdigkeiten, die sich auf der Strecke anfahren würden.
Der Fahrer nimmt mich zur Seite. Für mich ist ein Transport bereits bezahlt. Er zeigt zu einem Wagen und meint, der Fahrer würde mich zum Hotel bringen.
Doch der Fahrer hat keine Ahnung, wo das Hotel ist. Für diesen Zweck habe ich schon am ersten Tag eine Visitenkarte des Hotels bekommen, auf der der Name und die Adresse in Thai steht. Ausserdem ist ein kleiner Kartenausschnitt darauf. Hilflos sieht mich der Fahrer an, hast du GPS-Daten? Nein hab ich nicht. Er hat schon sein Handy zur Hilfe genommen, den Stadtplan aufgerufen, legt ihn aber resigniert wieder zurück.
Weisst du wo das Hotel ist, fragt er mich. Ja, wenn du einen Stadtplan hast, kann ich es dir zeigen. Er holt eine Karte hervor auf der die Stadt aufgezeichnet ist. Keine Karte, eher eine 3D-Zeichnung. Hier, wenn du mich zu dieser Ecke des Kanals bringst,dann kann ich dir den Weg zeigen.
Er sieht mich zweifelnd an, legt die Karte zwischen uns auf die Ablage. Ich nehme sie wieder zur Hand, drehe sie um. So ist das richtig. Er entschuldigt sich, dass er nur wenig englisch kann. Kannst du Thai? nein, also sind wir beide froh, dass wenigstens er etwas englisch kann.
Wir fahren los und kommen über einen Brücke, über den Fluss. Ich möchte wissen, wo wir jetzt auf der Karte sind. Er dreht und wendet und windet sich. Du hast gar keine Ahnung, du kannst gar nicht Karte lesen? frage ich. Er grinst, will nicht behaupten, dass er es könne, aber Nein sagen will er auch nicht.
Warum kennt er sich denn überhaupt nicht aus, in der Stadt, frage ich mich, bis mir dämmert, dass er gar keine Taxifahrer ist. Er ist einer der Fahrer, die mit dem Shuttle zwischen Chiang Mai und Pai hin und her pendeln. Hotelservice ist nicht seine Sache. Ok, zusammen werden wir das schon schaffen.
Plötzlich kennt er sich aus. Weiss jetzt sogar, wo wir auf der Strasse sind und jetzt brauchen wir nur noch dem Kanal entlang zu fahren, dann bei der Tankstelle links, nochmals links um den Block und schon sind wir da. Er ist sichtlich froh und stolz, dass er es geschafft hat. Mein Trinkgeld hat er gar nicht erwartet und er verbeugt sich und faltet die Hände. Danke.
Ich bin wieder zu Hause. In meinem Baan Sang Singh Hotel. Hier wartet der grosse Koffer auf mich und die frisch gewaschene Wäsche.
Nach einem Nickerchen ziehe ich ein paar Runden durch den Pool und lasse mir ein frühes Nachtessen zubereiten. Und während draussen ein Regenschauer niederprasselt, versuche ich mein Gepäck in Ordnung zu bringen. Ich sollte möglichst alles in den Koffer bringen, hat mir der Junge an der Rezeption gesagt. Doch das wird nicht funktionieren, denn der Rucksack hat da gar nicht Platz, auch nicht wenn er leer wäre.
Ich bin gespannt auf morgen, denn morgen geht es mit dem Shuttlebus an die laotische Grenze.
Und hier noch der 'Vogel des Tages' für Peter den Ornitologen.
Hab ihn vor dem Hotel in Pai aufgenommen. Er sitzt auf den Stromkabeln und wenn ich es richtig interpretiert habe, war er es, der mit seinen Kollegen ganz laut gezwitschert hat.
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Antwort von Peter: es ist ein red-whiskered Bulbul (Pycnonotus jocosus)
Aufbruch: | 16.06.2017 |
Dauer: | 3 Monate |
Heimkehr: | 21.09.2017 |
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