Mekong
Halong Bay: Halong Bay 2
Draussen wird es langsam Tag, als ich nach fünf Uhr erwache. Sonnenaufgang ist in einer halben Stunde angesagt. Also rasch was anziehen und hinauf auf Deck. Ich bin ganz allein. Es ist die magische Stunde. Noch ist alles von einem grauen Schleier überzogen. Die Schiffe, die in der Bucht lagern, die bewaldeten Inseln, das Meer.
Der Kapitän schläft in seiner offenen Koje hinter dem grossen Steuerrad. Auf dem Hinterdeck wird gearbeitet. Die Küchencrew bereitet das Frühstück vor. Sonst ist alles ruhig. Ich richte meine Kamera ein. Will versuchen, den Sonnenaufgang aufzunehmen.
Leider steht das Schiff so, dass im Osten eine Insel die Sicht aufs Meer verdeckt. Also richte ich meine Kamera gegen Westen, da wo die anderen Schiffe stehen. Über einer Insel steigen ein paar Vögel auf. Sie begrüssen den neuen Tag, tanzen Ballett in der Luft.
Und da kommt doch tatsächlich noch jemand auf Deck. Ein Engländer hat entdeckt, dass gleich die Sonne aufgehen wird und er bringt seine Drohne mit. Wow, sowas hätte ich auch gern. Sie sieht recht professionell aus, ist aber trotzdem klein genug um ins Gepäck zu passen. Schon hat er sie aufgestellt, sie blinkt, die Rotoren drehen, sie hebt ab.
Und setzt gleich wieder auf. Die Speicherkarte fehlt. Er sucht in seiner Tasche, kann sie nicht finden. Inzwischen ist die Sonne hinter der Insel aufgegangen, wir können sie noch nicht sehen, aber sie schickt erste Strahlen über den Rand.
Die Drohne könnte jetzt hinauf fliegen und von dort oben die Sonne begrüssen. Doch die Speicherkarte muss erst gefunden werden. Ich könnte aushelfen, hab zufällig eine kleine dabei. Doch der Engländer will seine eigene. Eine Viertelstunde später ist er wieder startbereit. Inzwischen wurde der Motor des Schiffes gestartet, wir fahren los.
Langsam zwar, aber der Engländer wird jetzt unsicher. Wird er die Drohne zurück steuern können? Ist der Wind nicht doch zu stark? Er scheint noch keine grosse Erfahrung zu haben. Während die Sonne jetzt langsam die anderen Schiffe erreicht und alles in ein goldenes Licht taucht, packt er seine Sachen wieder zusammen. Kein einziges Foto hat er geschossen, so sehr war er mit seiner Drohne beschäftigt.
Der Vollständigkeit halber muss ich jetzt gestehen, dass ich meine eigene Drohne, ein sehr billiges kleines Instrument, vor drei Jahren über dem Regenwald am Amazonas verloren habe. Der Wind hat sie mitgetragen und später haben vielleicht ein paar Affen damit gespielt. Allerdings war die Qualität der Bilder, die sie zurück geschickt hat, solange sie noch im Funkbereich war, grottenschlecht. Ich habe sie also nicht vermisst. Mit der Drohne heute Morgen wäre das schon ein sehr viel grösserer Verlust gewesen, kann also verstehen, dass er sich nicht traute, sie ohne viel Erfahrung steigen zu lassen.
Jetzt ist aber erst einmal Frühstück angesagt. "Nudelsuppe, möglichst scharf, das weckt mich auf", meint meine burmesische Tischnachbarin. Ich versuche das auch, allerdings ohne Chilli. Sie schmeckt sehr würzig, mit ganz fein geschnittenem Pouletfleisch, Reisnudeln und viel Gemüse. Und danach eine Omelette, die an der Theke frisch zubereitet wird.
So gestärkt bin ich gespannt auf den heutigen Tag. Alle Passagiere haben inzwischen das Schiff verlassen, ich bin die einzige, die für drei Tage gebucht und heute ein eigenes Programm hat. Ich werde von der Barke abgeholt und zum Tagesausflugs-Schiff gebracht. Etwas später kommen noch vier junge Leute vom Schwesterschiff, der Christina dazu. Ein junges Paar aus Irland und zwei Amerikanerinnen. Auch sie haben die 3-Tages-Tour gebucht. Unser Tagesguide ist Joseph.
Kayaking steht auf dem Programm und heute gibt es keine Alternative dazu. Nach kurzer Fahrt erreichen wir eine Boje, wo wir anlegen und Joseph holt mit einem kleinen Boot ein paar Kayaks von einer nahen Basis. Er hat mir versprochen, dass er für mich rudern will und so steige auch ich in dieses wackelige Boot ein. Wobei mir nicht das Schwanken Probleme macht, sondern das unbequeme Sitzen. Denn hier gibt es keine andere Möglichkeit, als flach im Boot zu sitzen. Dazu mit der unförmigen Rettungsweste. Eine Tortur.
Die Jungen scheinen da keine Probleme zu haben, jedenfalls paddeln sie sofort munter drauflos. Auch Joseph arbeitet und ich mühe mich redlich, ein paar Schläge mitzuhalten. Es geht um zwei Inseln herum, und wenn mir nicht jetzt schon der Rücken wehtun würde, könnte ich es absolut geniessen. So versuche ich halt, mich ein wenig mit den Armen abzustützen und trotzdem die wunderschöne Umgebung in mich aufzunehmen. Es ist absolut traumhaft. Nachdem wir unser Schiff hinter einer Insel gelassen haben, sind wir allein auf dieser Welt.
"Vorne, rechts um die Insel", ruft Joseph den anderen zu und dort hinten liegt tatsächlich ein kleiner verwunschener Strand. Ein winziger Sandstrand, ein paar Meter breit. Kayak an Land ziehen, T-Shirts weggeworfen, schon sind die vier Jungen im Wasser. Nur ich zögere noch, habe ja schliesslich auch heute kein Badekleid dabei. Und dabei ist es so heiss heute, und die Sonne brennt vom Himmel, ich will unbedingt auch ins Wasser. „Do you mind, if I am soaking at Lunch?“ Das stört natürlich gar niemanden, wenn ich in nassen Kleidern zum Lunch erscheine aber es braucht trotzdem noch einen Moment Überwindung, dann steige auch ich ins Wassere. Die leichten Elefantenhosen, die ich heute trage und das T-Shirt werden schon wieder trocknen.
Und jetzt gibt es eine Weile nur noch mich und das Meer.
Fotos habe ich übrigens keine, denn ich hatte etwas Angst, die Kamera könnte nass werden. Darum ist sie auf dem Schiff geblieben. Die jungen Leute haben aber ihre Handys in Plasiksäcke gepackt und versprechen mir, dass sie mir Fotos schicken werden, sobald wir wieder an Land sind und Internet haben. Aber das ist heute noch weit weg. Heute gibt es nur Sonne, Meer und Strand.
Nach einer gefühlten Ewigkeit in der wir uns schon Gedanken machen, wie man hier als Robinson überleben könnte, paddeln wir mit den Kayaks zurück. Ich würde mich in diesem Gewirr von Inseln übrigens längst verlieren, aber Joseph führt uns sicher zurück zu unserem Schiff. Hier legen wir uns auf dem Oberdeck an die Sonne oder in den Schatten, Je nachdem wie weit die rote Haut schon fortgeschritten oder wie weit der Schutzfaktor der Sonnencreme reicht.
Irgendwann ruft uns Joseph, Lunch ist bereit. Es gibt ein Barbeque. Der Tisch ist gedeckt. Wir werden nach Strich und Faden verwöhnt. Ein ganzer Fisch, Scampi, Tintentisch, alles vom Grill, dazu Gemüse, Reis und Salat, Schweinefleisch, Pouletflügeli, eine Kartoffel in der Folie und zum Dessert frische Früchte.
Danach ist noch einmal Siesta angesagt, bestimmt isst jetzt die Crew unsere Reste. Sie werden dabei nicht verhungern, denn es war viel zu viel, was uns hier aufgetischt wurde.
Und dann holt uns ein anderes Schiff ab. Es ist mehr ein Floss mit einem Verdeck, also muss man auch hier wieder am Boden hocken, doch das geht besser, hier kann man auch seitlich sitzen. Joseph will uns Teachers Cave zeigen, die Lehrer-Höhle.
Von aussen sieht sie sehr unscheinbar aus. Die Höhle, die sich unter dem Felsen öffnet. Ein niedriger Spalt nur. Joseph verteilt Taschenlampen: Damit ihr nicht verloren geht und dann treten wir ein. Sie geht ganz tief hinein.
Natürlich zeigt uns Joseph all die Stalaktiten und erklärt die verschiedenen Formen, die das Wasser im Laufe der Millionen Jahre im Fels hinterlassen hat. Und er erzählt uns die Geschichte der Höhle. Früher, als die Menschen tatsächlich noch in den schwimmenden Dörfern gewohnt haben, die Fischer in ihren Booten hinausfuhren und die Frauen mit den Kindern in den winzigen Häuschen hausten, gab es für die Kinder der Fischer keine Schule.
Da die Sommerferien in Vietnam jeweils 2-3 Monate dauern, haben ein paar Lehrer sich entschlossen, den Fischerkindern wenigstens ein wenig lesen, schreiben und rechnen beizubringen. Und so kam jeweils ein Lehrer in den Sommermonaten hinaus in die Halong-Bucht und unterrichtete die Kinder. Der Platz in der Höhle war dazu ideal, er war mit den Booten zugänglich, schattig und kühl.
Die Kinder müssen ihre Lehrer geliebt haben, noch heute sieht man das grosse Herz, das sie mit Steinen, Stecken und Muscheln beim Eingang in den harten Untergrund gekratzt haben. Die Höhle bleibt niedrig, reicht aber gegen 150 Meter tief unter den Felsen hinein. Und ganz hinten dringt noch immer Licht hinein und zaubert gespenstische Schatten auf die hintersten Felswände.
Es ist tatsächlich eine beeindruckende Höhle und der Besuch hat sich definitiv gelohnt. Doch für uns wird es jetzt Zeit, zum Schiff zurück zu kehren. Mit dem Floss zurück zu unserem Ausflugsschiff und dann zurück zur Viola. Diese war inzwischen im Hafen und hat die Passagiere ausgeladen. Neue Passagiere eingeladen und diese sind nach dem Essen jetzt unterwegs im schwimmenden Dorf, oder am Strand. Ich habe also das grosse Schiff jetzt fast für mich allein. Die vier jungen gehen zurück zur Christina, dem Schwesterschiff.
Ich nutze die Zeit für ein Nickerchen in der kühlen Kabine. Es war ein wunderbarer Tag mit Sonne ohne Ende. Als die Barke mit den neuen Gästen zurückkommt, bin ich oben auf Deck. Es ist Zeit für den Apero zum Sonnenuntergang.
Hier komme ich ins Gespräch mit einem spanischen Paar aus Madrid. Ich versuche Spanisch zu sprechen, falle aber immer wieder zurück ins Englische. Das ist nicht so schlimm, denn Yolanda spricht sehr gut Englisch und wechselt fliessend.
Und dann erleben wir tatsächlich einen wunderbaren Sonnenuntergang. Genau deswegen sind wir hergekommen, erzählt Yolanda und ihr Mann David weiss gar nicht, wo er anfangen soll mit fotografieren.
Zum Nachtessen werde ich an einen eigenen Tisch gesetzt. Ich würde ein eigenes Menu bekommen, ist die Begründung. Doch meine Tischnachbarn finden das nicht in Ordnung und ziehen meinen Tisch zu sich heran. So lerne ich die fünf australischen Geschwister kennen. Es sind drei Schwestern und zwei Brüder, die zusammen unterwegs sind. Was genau der Grund für ihre Reise ist, habe ich nicht herausgefunden, aber ich erlebe einen witzigen Abend mit ihnen. Dass ich ein eigenes Menü bekomme, hat sie natürlich nicht gestört, aber dass ich allein sitzen müsste, das konnten sie nicht mitansehen.
Der Rest des Schiffes bekommt noch einmal das aufwändige Menu von gestern, während ich eine riesige Auswahl von einzelnen Speisen bekomme, die ich unmöglich alleine essen kann.
Nach dem Essen setze ich mich noch einen Moment auf Deck. Ganz allein. Der Tag war voller Schönheit, voller Emotionen, voller wunderbarer Momente mit tollen Menschen in einer märchenhaften Umgebung.
Ein Traum.
Aufbruch: | 16.06.2017 |
Dauer: | 3 Monate |
Heimkehr: | 21.09.2017 |
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